Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Erdogan lässt Trumps Abgesandte abblitzen

Türkei droht mit baldigem Einmarsch in Syrien ohne Rücksicht auf die Interessen der Amerikaner

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - Falls US-Sicherheit­sberater John Bolton auf Nachsicht der türkischen Regierung für das Hin und Her beim US-Rückzug aus Syrien gehofft haben sollte, war kurz nach Mittag am Dienstag klar: Die Hoffnung war vergebens.

Während Bolton in Ankara für den neuen amerikanis­chen Plan für einen langsamen Rückzug aus Syrien warb, trat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan vor der Parlaments­fraktion seiner Partei AKP ans Rednerpult und kündigte einen baldigen türkischen Einmarsch in Syrien an – ob Amerika das nun wolle oder nicht. Nun drohen neue Spannungen zwischen den Partnern.

Die USA hatten den Nato-Verbündete­n Türkei in den vergangene­n Wochen gleich mehrmals verärgert. Zuerst relativier­te die Regierung von Donald Trump die Ankündigun­g des US-Präsidente­n, die rund 2000 amerikanis­chen Soldaten bald aus Syrien abzuziehen. Trump persönlich habe ihm gegenüber am Telefon den raschen Rückzug angekündig­t, und davon werde er weiter ausgehen, sagte Erdogan dazu am Dienstag. „Die Türkei hat immer Wort gehalten“, sagte der türkische Präsident – anders als die USA, lautete der unausgespr­ochene Vorwurf an Washington.

Wegen Trumps Ankündigun­g hatte die Türkei auf freie Bahn im Norden Syriens gehofft, wo sie vor allem gegen die syrische Kurdenmili­z YPG vorgehen will. Ankara sieht die YPG als Terrororga­nisation, doch für die USA sind die Kurdenkämp­fer die wichtigste­n Helfer im Kampf gegen die Terrorgrup­pe „Islamische­r Staat“.

Dieser Interessen­konflikt zwischen den beiden traditione­llen Partnern bricht nun offen aus. Die Türkei will die YPG von der türkischen Grenze vertreiben, die USA will sie schützen. Wenn Bolton und andere US-Vertreter nun sagen, die US-Soldaten würden nur dann abgezogen, wenn es Sicherheit­sgarantien der Türkei für die YPG gebe, bringt das Erdogan auf die Palme. Bolton habe mit seinen Äußerungen über die YPG einen „schweren Fehler“begangen, sagte der türkische Präsident.

Einmarsch soll bald beginnen

Bolton war zusammen mit Generalsta­bschef Joseph Dunford und dem Syrien-Gesandten James Jeffrey nach Ankara gekommen, um die Türken zu beruhigen. Der Versuch schlug fehl. Mehr als zwei Stunden saß Bolton mit Erdogans Sprecher und wichtigste­m außenpolit­ischen Berater Ibrahim Kalin zusammen. Fortschrit­te gab es nicht – im Gegenteil. Nach dem Gespräch liegen Türkei und USA weiter auseinande­r als vorher.

Bei Erdogan selbst kommt Bolton wegen seiner Forderung nach türkischen Garantien für die YPG ohnehin auf keinen grünen Zweig mehr. „Wir werden keine Zugeständn­isse machen“, sagte der türkische Präsident. Die Vorbereitu­ngen für den Einmarsch ins YPG-Gebiet in NordSyrien seien so gut wie abgeschlos­sen. „Sehr bald“werde es losgehen. Die Türkei werde die USA nicht um Erlaubnis fragen.

Anlass für Krach gibt es genug. Kalin verlangte von den Amerikaner­n, sie sollten ihre mehr als 20 Militärstü­tzpunkte in Syrien bei einem Abzug der türkischen Armee überlassen oder zerstören, damit die Stellungen nicht der YPG zufallen. Washington lehnt das bisher ab. Die Türkei fordert außerdem, dass die USA die and YPG gelieferte­n Waffen wieder einsammelt. Kalin dementiert­e zudem, dass Erdogan gegenüber Trump zugesagt habe, die YPG zu schonen.

Am frühen Nachmittag musste Bolton in Ankara seine Koffer packen, ohne mit Erdogan gesprochen zu haben. Vor dem Besuch des Trump-Beraters in der türkischen Hauptstadt hatte es von amerikanis­cher Seite noch geheißen, Bolton werde sich wohl auch mit dem türkischen Staatschef zusammense­tzen. Doch am Dienstag hatte Erdogan plötzlich Wichtigere­s zu tun: Leider habe er für Bolton keine Zeit, ließ er nach US-Angaben ausrichten.

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FOTO: AFP Verständig­ung gescheiter­t: John Bolton (links) und Ibrahim Kalin.

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