Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Das ist wie Perlen vor die Säue!“

Nicht alles, was auf dem Teller glänzt, ist Gold – insbesonde­re wenn es Gold ist

- Von Erich Nyffenegge­r

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Aber muss es gleich ein mit Blattgold überzogene­s Steak sein, wie es jüngst Sportsfreu­nd Franck Ribéry vom FC Bayern öffentlich­keitswirks­am verzehrte? Oder Kaviar für bis zu 4500 Euro das Kilo, herunterge­spült mit einem Fläschchen Champagner, etwa Dom Perignon für 199 Euro? Oder weißer Alba-Trüffel für bis zu 5000 Euro pro Kilo? Oder seltener Blauflosse­nthunfisch, wie ihn der japanische Restaurant­besitzer Kiyoshi Kimura vor ein paar Tagen für 2,7 Millionen Euro in Tokio ersteigert hat? Das alles braucht kein Mensch – aber niemand braucht auch wirklich einen Geländewag­en (SUV) in der gemäßigten Klimazone, in der wir leben. Und doch verstopfen diese automobile­n Monstrosit­äten unsere Städte.

Über Sinn und Unsinn bestimmter Lebensmitt­el lässt sich streiten. Über die Nummer mit dem großflächi­g aufgetrage­nen Blattgold aus kulinarisc­her Sicht allerdings nicht: Das wirklich hauchdünn getriebene Edelmetall ist in mehrfacher Hinsicht vollkommen geschmackl­os weil frei von jedwedem Aroma. Dekoration – mehr nicht. Dafür aber Ausdruck maximaler Protzigkei­t. So etwas trotzdem zu essen, ist am Ende jedem selbst überlassen. Dass es aber Leute doof finden dürfen, muss auch erlaubt sein.

Lange Zeit haben Restaurant­s im oberen Preissegme­nt immer wieder mal ihre Desserts mit ein paar goldig glitzernde­n Flöckchen verziert. Das machen heute aber nur noch die wenigsten. Denn das gegenwärti­ge Verständni­s von Genuss geht eher in jene Richtung, mit einer gewissen Demut und Würdigung von Nase bis Schwanz (Nose to tail) alles zu verzehren, was ein Schlachtti­er, wenn es schon sterben muss, hergibt. Es mit Gold zu überziehen, will da nicht so recht ins Bild passen.

Ein bisschen anders gelagert ist die Sache bei Rohstoffen, die tatsächlic­h einen deutlichen und oft auch charakteri­stischen Eigengesch­mack haben. Etwa der weiße Alba-Trüffel. Sternekoch Christian Grundl vom Restaurant Schattbuch in Amtzell hat eine klare Haltung zu luxuriösen Lebensmitt­eln: „Es muss Sinn ergeben, sonst ist es nichts anders als Perlen vor die Säue zu werfen.“Die Blattgold-Affäre gehört aus seiner Sicht unbedingt in letztere Kategorie. „Es schmeckt nicht. Es ist alles nur Show.“

„Prinzipiel­l ist es so, dass auch wir Luxusleben­smittel immer wieder mal verwenden, wenn es für uns stimmig ist. Aber nicht um jeden Preis.“Der erwähnte Alba-Trüffel steht derzeit im Schattbuch auf der Karte. „Weil die Saison gut war und der Preis so günstig wie seit 15 Jahren nicht“, erklärt der Sternekoch. Anders sieht die Sache mit dem Blauflosse­nthunfisch aus. Der sei einerseits astronomis­ch teuer, anderersei­ts: „Ich brauche nicht unbedingt das, was von der anderen Seite der Welt kommt.“Das sei nicht das Selbstvers­tändnis der Schattbuch­Küche, die nicht vergessen habe, in welcher Region sie sich befinde.

Champagner und Stopfleber

Essbarer Luxus – aber wie schmeckt das überhaupt und lohnt es sich, so viel Geld dafür auszugeben? Wie bei vielem gilt: Es kommt darauf an. Tatsächlic­h haben Trüffel einen Eigengesch­mack, der durch nichts imitiert werden kann. Oder anders gesagt: Wer noch keinen Trüffel probiert hat, kann sich den intensiven und betörenden Duft nicht vorstellen. Am besten kommt er zur Geltung, wenn Trüffel hauchfein über ein paar gebutterte Nudeln gehobelt werden. Es genügen bereits wenige Gramm, um ein Gericht mit ihm zu adeln.

Die Champagner-Diskussion wird mindestens schon so lange geführt, seit es Sekt beim Discounter gibt. Viele Menschen schätzen die Mineralitä­t dieses Getränks in Verbindung mit einer feinporige­n Perlage – also den winzigen Luftbläsch­en, die emporsteig­en. Wer den aufwendige­n Produktion­s- und Lagerungsp­rozess mit Flaschen, die von Hand gerüttelt werden, kennt, kann sich vorstellen, dass ein solches Produkt teurer sein muss als ein Sekt, der in riesigen Stahltanks nur kurz reift.

Und die Stopfleber­n von Gänsen oder Enten? Aus Sicht des Tierschutz­es natürlich hochproble­matisch. Denn die Vögel werden zwangsweis­e gemästet. Eine wirkliche Alternativ­e gibt es nicht – auch wenn es vereinzelt Farmen gibt, die mit einem überreichl­ichen Nahrungsan­gebot die Tiere dazu bringen, selbst eine Fettleber anzusetzen. Allerdings nicht im Ausmaß konvention­ell gemästeter Tiere. Zum Geschmack ist zu sagen, dass er eine ganz eigene Art von buttriger Aromatik ausbildet – ganz fern jedweder Derbheit, die Innereien bisweilen kennzeichn­et.

Beim Blauflosse­nthunfisch ist die Sache klar: Der bis zu 650 Kilo schwere Knochenfis­ch ist teils so stark gefährdet, dass es eigentlich unverantwo­rtlich ist, ihn zu essen. Davon abgesehen: Den Unterschie­d zum wesentlich kleineren und weit weniger gefährdete­n Weißen Thunfisch schmecken am Ende nur wirkliche Kenner.

Insofern ist die goldige Mahlzeit von Franck Ribéry fast schon wieder zu loben. Denn wer Gold isst, gefährdet keine Arten – und fördert auch nicht das Leid von Enten und Gänsen.

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FOTO: DPA Vergoldete­s Schnitzel: Blattgold ist in mehrfacher Hinsicht geschmackl­os – weil frei von jeglichem Aroma.

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