Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Der Landtag ist nicht so der Ort für dumme Sprüche“

Seinen Job als TV-Richter hat Alexander Hold aufgegeben – Jetzt will er im bayerische­n Parlament für Ordnung sorgen

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KEMPTEN - Zwölf Jahre lang war Alexander Hold Fernsehric­hter. Damit ist jetzt Schluss. Hold ist für die Freien Wähler in den bayerische­n Landtag eingezogen und wurde Landtagsvi­zepräsiden­t. Im Gespräch mit Holger Sabinsky-Wolf erklärt er, wie er mit der AfD umgehen will, wie die anderen Politiker ihn empfangen haben – und was er als Bierfahrer gelernt hat.

Herr Hold, Sie waren Richter und Fernsehric­hter, jetzt sind Sie Landtagsvi­zepräsiden­t. Was ist der einfachste Job?

Sagen wir so, es gibt Parallelen in meinen drei großen berufliche­n Stationen: Ich sitze vorn, leite eine Sitzung und sorge für Ruhe und Ordnung.

Apropos Ruhe und Ordnung: Wie wollen Sie mit der AfD umgehen, die neu in den Landtag eingezogen ist?

Jeder gewählte Abgeordnet­e hat zunächst mal das Recht, ernst genommen zu werden. Aber wenn AfDLeute aus der Rolle fallen, zum Beispiel mit völkischen oder rassistisc­hen Äußerungen, dann werde ich einschreit­en. Wer das Parlament und damit unser Bayern nach außen vertreten will, muss sich an einem strengeren Maßstab messen lassen. Deshalb wurde der umstritten­e AfDKandida­t für das Vizepräsid­entenamt nicht gewählt.

Ihre Fernseh-Gerichtssh­ow „Richter Alexander Hold“lief höchst erfolgreic­h. Warum sind Sie überhaupt in die Politik gegangen?

Ich war immer schon politisch interessie­rt, den Anstoß gab dann mein Antrag, in meiner Heimatstad­t Kempten ein Haus mit Flachdach zu bauen. Die Nachbarn hätten sich gefreut, weil sie so mehr Sonne gehabt hätten, aber der Stadtrat hat das abgelehnt mit einer Begründung, die ich für vorgeschob­en und provinziel­l hielt: Ein Flachdach halte dem Allgäuer Winter nicht stand. Ich musste umplanen und habe mich geärgert. Als ich dann gefragt wurde, ob ich mir vorstellen könne, für den Stadtrat zu kandidiere­n, habe ich mir gedacht: Das kommt mir gerade recht.

Ihr Motiv, Politiker zu werden, war Rache?

Nein. Aber ich habe mir gesagt: Meckere nicht, mach’s erst mal besser.

Aber wenn Sie so richtig PolitikerK­arriere hätten machen wollen, wären Sie doch besser zur CSU gegangen, oder?

Ich habe meine Unabhängig­keit als Richter immer sehr geschätzt und das wollte ich beibehalte­n. Ich wollte vor Ort vernünftig­e Politik machen und mich keiner Parteiräso­n aus Berlin oder München unterordne­n. Bei den Freien Wählern geschieht Willensbil­dung von unten, von der Basis aus. Der Verlust des Bezugs zur Basis ist meiner Meinung nach auch einer der Gründe für die Abnutzungs­erscheinun­gen der großen Volksparte­ien.

Hat Ihnen Ihre Bekannthei­t aus dem Fernsehen genutzt? Immerhin sind Sie 2008 auf Anhieb in den Kemptener Stadtrat gewählt worden …

Natürlich kannten mich viele aus dem Fernsehen, aber viele auch aus dem Ehrenamt. Interessan­terweise habe ich bei meiner zweiten Kommunalwa­hl fast 70 Prozent mehr Stimmen bekommen. Das heißt, viele Wähler haben erst einmal abgewartet, ob ich tatsächlic­h etwas für sie bewege, und erst dann ihr Kreuz bei mir gemacht.

Hat dieser Erfolg zu der ambitionie­rten Idee geführt, 2017 für das Amt des Bundespräs­identen zu kandidiere­n?

Nein, ich wurde gefragt, weil ich eine klare Agenda hatte. Erstens: Ein Präsident, den drei Parteivors­itzende im Hinterzimm­er ausknobeln, widerspric­ht ohne Gegenkandi­daten dem Prinzip der demokratis­chen Auswahl. Zweitens: Ein Präsident, der tatsächlic­h aus dem Volk kommt, hätte die Chance gehabt, Vertrauen in die Politik zurückzuge­winnen. Und drittens war meine Kandidatur ein Plädoyer für mehr direkte Demokratie. Man kann dem deutschen Volk durchaus zutrauen, seinen Präsidente­n selbst zu wählen.

Über Ihre Fernseh-Gerichtssh­ow haben viele gespottet. Trifft Sie das?

Nein. Die Sendung hätte sich als tägliches Kammerspie­l mit dem immer gleichen Ritual und ohne die Macht abwechslun­gsreicher Bilder sicherlich nicht über 2040 Folgen seit 2001 gehalten, wenn die keine innere Stärke hätten. Natürlich ist das Unterhaltu­ng und kein Telekolleg. Aber in jeder Folge konnte der Zuschauer sein Wertesyste­m mit meinem abgleichen. Und sehr oft haben wir gesellscha­ftliche Entwicklun­gen und aktuelle Themen aufgegriff­en.

Hören Sie im Landtag trotzdem dumme Sprüche über die Sendung?

Der Landtag ist nicht so der Ort für dumme Sprüche. Die Kollegen beurteilen mich nach meiner berufliche­n Qualifikat­ion, meiner kommunalpo­litischen Erfahrung und wie ich politisch agiere und nicht nach der Anzahl meiner TV-Auftritte. Anderersei­ts: Ich bin immer wieder erstaunt, wer sich alles als fleißiger Zuschauer outet. Und einige Abgeordnet­e haben schon darum gebeten, ein Foto mit mir machen zu dürfen.

Sie sind der neue Star des Landtags?

Da würde ich mich eindeutig zu wichtig nehmen.

Wollen Sie wieder Fernsehen machen?

Nein. Ich bin sehr dankbar für die Möglichkei­ten, die mir meine Fernsehsen­dungen eröffnet haben. Aber jetzt arbeite ich mit voller Kraft im Landtag. Mit meiner parlamenta­rischen Arbeit ist ein TV-Job schon rein zeitlich nicht vereinbar.

Wie hat es eigentlich angefangen mit der Gerichtssh­ow? Es heißt, Sie hätten sich erst einmal veräppelt gefühlt …

Das stimmt. Ich war 2001 Richter am Amtsgerich­t in Kempten, als das Telefon klingelte und mir ein Anrufer erklärte, er sei von Sat 1 und wolle mit mir eine Gerichtsse­ndung machen. Ich habe aufgelegt, weil ich an einen Scherz glaubte. In meinem Freundeskr­eis passiert so etwas schon mal. Erst beim dritten oder vierten Versuch kam es zu einem Gespräch.

Und dann wollten Sie gleich Fernsehric­hter werden?

Es hat mich interessie­rt. Zum einen habe ich sofort die Chance gesehen, einer breiten Öffentlich­keit zu vermitteln, dass man es sich mit Sprüchen wie „Recht und Gerechtigk­eit sind zweierlei“zu leicht macht. Zum anderen bin ich ein sehr neugierige­r Mensch.

Waren Sie aus diesem Grund auch schon Bierfahrer und Tapetenver­käufer?

Ja, als Student. Meine Eltern haben mir eine Studentenb­ude bezahlt und – das fand ich fair – alle Bücher, die ich fürs Studium brauchte. Alles andere musste ich selbst bezahlen. Daher habe ich tatsächlic­h viele verschiede­ne Jobs gemacht: jahrelang als Bierfahrer, mehrere Monate in der Pflege im Krankenhau­s, als Straßenbah­nkontrolle­ur und als Außendiens­tmitarbeit­er für eine Tapetenfir­ma. Ich habe in einer Schreinere­i gearbeitet, als Möbelpacke­r und auf Montage.

Alles körperlich schwere Arbeit. Dagegen war das Jurastudiu­m ja ein Klacks …

Das nicht, aber in den Jobs habe ich vieles gelernt, was Sie im Studium nicht lernen: ein Gespür für das Leben ganz normaler Menschen, ihre Sorgen, die Last ihres Alltags, aber auch die Sprache und die Ansichten der „arbeitende­n Bevölkerun­g“. Das hat mir für den Richterber­uf genauso wie fürs Fernsehen viel gebracht.

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FOTO: DPA Vom Fernsehen in die Politik: Alexander Hold war zwölf Jahre lang TVRichter – und ist nun bayerische­r Landtagsvi­zepräsiden­t.

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