Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Aktivist mit Pfeil und Bogen

Der neue „Robin-Hood“-Film erzählt einen klassische­n Stoff für ein junges Publikum: frisch und frech

- Von Rüdiger Suchsland

Strumpfhos­en trägt Taron Egerton keine mehr. Als Titelheld von Otto Bathursts Neuverfilm­ung der Robin-Hood-Saga bevorzugt er Lederjacke, und eine echte Kapuze (engl. hood) – noch dazu schiebt er sich bei seinen Raubzügen ein blaues Halstuch vor den Mund, sodass sein Gesicht komplett verdeckt ist, die Figur abstrakter wirkt, gewisserma­ßen entpersönl­icht und zugleich auch bei Massenszen­en und schnellen Actionsequ­enzen leicht identifizi­erbar.

„Vergesst Historisch­es, das ist keine Gute-Nacht-Geschichte“– Bruder Tuck (Tim Minchin), Priester und eine der festen Figuren in der Robin-Hood-Mythologie, leitet den Film als Erzähler ein. Der neue „Robin Hood“soll eindeutig einer für unsere Gegenwart sein. Das bedeutet: Er ist einerseits jugendlich übermütig: Ein dynamische­r, frischer, idealistis­cher Held, der sich zwar für die Armen interessie­rt, ein bisschen mehr aber noch für seine Freundin Marian (Eva Hewson). Anderersei­ts ist er ein politische­r Rebell, und der Film offen politisch gemeint: Als Metapher für sozialen Aufstand gegen Ungerechti­gkeit. Dieser „Robin Hood“ist mehr Outlaw denn je, und erinnert im Kino an „V for Vendetta“, in der Realität an den Demonstrat­ionsführer eines G-20-Protests: „Occupy Nottingham“!

Marian leitet eine Armenküche

Es beginnt mit Robin Loxleys Rückkehr von den Kreuzzügen nach Nottingham. Da er für tot erklärt wurde, ist seine geliebte Marian nun mit dem Minenarbei­ter Will (Jamie Dornan) liiert. Das Nottingham des Films sieht aus wie eine Fabrik aus der Zeit der Frühindust­rialisieru­ng. Es gibt riesige Schmiedeöf­en, und große Massen von Arbeitern werden unter miserablen Bedingunge­n sklavengle­ich gehalten.

Auch die Herrenklas­se wirkt erstaunlic­h modern: Der Sheriff von Nottingham (Ben Mendelsohn) hält demagogisc­he Reden, in denen er gegen Moslems wettert: „Sie hassen unsere Freiheit, unsere Religion, unsere Kultur.“Er trägt Ledermänte­l in Feldgrau. Offenkundi­g soll er als Mischung aus einem Faschisten­führer der 1930er-Jahre und den reaktionär­en Verführern unserer Tage erscheinen.

Das Potenzial für einen Aufstand ist da: Marian leitet eine Armenküche, und brütet mit Will und Tuck an einem Aufstandsp­lan. Was fehlt ist der charismati­sche Anführer. Dies wird Robin – eine Art „Dark Knight“seiner Zeit, ebenso von Rache getrieben, wie von dem Wunsch nach Gerechtigk­eit. Angeleitet wird er darin zunächst nur von einem Araber, der ihm aus Arabien gefolgt ist, und sich jetzt John (Jamie Foxx) nennt – eine innovative Variante des Little John anderer Robin-Hood-Geschichte­n. Auch er will Rache – für die Kreuzzüge und die Hinrichtun­g seines Sohnes.

Die Einführung einer arabischen Figur ist ein guter Drehbuchei­nfall: Damit wird zum Beispiel erklärt, warum Robin als Bogenschüt­ze so viel besser ist, als alle anderen. Es liegt am Vorsprung durch Technik: John gibt Robin einen kleineren arabischen Bogen und unterricht­et ihn im Gebrauch dieser schnellere­n, bewegliche­ren (historisch belegten) Waffe die zudem mit ihrer stärkeren Durchschla­gskraft auch Metallrüst­ungen durchdring­t.

Robins eigentlich­er Gegner ist dabei weder der Sheriff von Nottingham, noch der von F. Murray Abraham gespielte zynische Kardinal, sondern der nun mit Marian liierte Will. Die beiden konkurrier­en nicht nur um die Liebe der Frau, sondern unterschei­den sich auch in ihren Politikent­würfen: Will wird als sozialer Aufsteiger gezeichnet, der Angst um seine mühsam errungenen Positionen hat. Ihm werden ganz offensicht­lich reformisti­sche Argumente in den Mund gelegt: „Proteste führen zu nichts, wir müssen uns arrangiere­n, mit den Mächtigen verhandeln.“Während Robin deklamiert: „Man ist nur machtlos, wenn man sich für machtlos hält.“Am Ende verschwind­en Robin und die Seinen scheinbar siegreich im Sherwood Forrest, der Sozialdemo­krat Will aber wird neuer Sheriff von Nottingham. Mit diesem Cliffhange­r sind alle Voraussetz­ungen für eine Fortsetzun­g gelegt.

Otto Bathursts Film hat seine Stärken im Visuellen: Gedreht in Dubrovnik, Paris und vor großartige­n ungarische­n Naturpanor­amen sieht man hier Wagenrenne­n, Verfolgung­sjagden über die Dächer und durch die Straßen, Demonstrat­ionen und Straßenkäm­pfe im MartialArt­s-Stil; all das schnell geschnitte­n in einem Tempo, das sich im letzten Drittel auch noch steigert. 60 Prozent des Films sind fast wie ein Trailer montiert – mit allen Vor- und Nachteilen.

Damit ist klar: Ein Klassiker wie Michael Curtiz’ Verfilmung von 1938 wird dieser „Robin Hood“nicht werden. Kurzweilig­es Vergnügen mit viel Schauwerte­n ist er allemal. Dieser ernsthafte­n, auf ihre Art liebevolle­n, aber nie beflissene­n Herangehen­sweise gelingt es, einen klassische­n Stoff für ein junges Publikum zu erzählen.

Robin Hood. Regie: Otto Bathurst. Mit Taron Egerton, Jamie Foxx, Ben Mendelsohn, Eve Hewson. Großbritan­nien/USA 2018, 116 Minuten. FSK ab 12 Jahren.

 ?? FOTO: LARRY HORRICKS STUDIOCANA­L GMBH/DPA ?? Robin Hood (Taron Egerton) ist immer noch ein idealistis­cher Held, aber er kämpt heute nicht mehr in Sherwood Forest für Gerechtigk­eit. Er erinnert eher an einen Aktivisten von Attac oder der Occupy-Bewegung.
FOTO: LARRY HORRICKS STUDIOCANA­L GMBH/DPA Robin Hood (Taron Egerton) ist immer noch ein idealistis­cher Held, aber er kämpt heute nicht mehr in Sherwood Forest für Gerechtigk­eit. Er erinnert eher an einen Aktivisten von Attac oder der Occupy-Bewegung.

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