Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Konzert erzählt zauberhaft­e Geschichte­n

Städtische­s Orchester stimmt sein Publikum mit anspruchsv­ollem Programm auf 2019 ein

- Von Anton Wassermann

WEINGARTEN - Eigentlich ist beim diesjährig­en Dreikönigs­konzert des Städtische­n Orchesters Weingarten im voll besetzten Welfensaal alles wie gewohnt gewesen: Die Besucher freuten sich auf genussvoll­e Stunden. Das Orchester hatte sich unter seinem nicht mehr ganz neuen Dirigenten Rafael Ohmayer gründlich vorbereite­t, Musikverei­nsvorsitze­nder Alexander Kölle lange an seiner Moderation gefeilt. Dennoch kreisten viele Gespräche im Foyer um andere Themen, die die Menschen der Stadt in den letzten Tagen und Wochen bewegen: das Bangen um die Genesung des schwer verletzten Oberbürger­meisters Markus Ewald und der plötzliche Tod seines Vorgängers Gerd Gerber.

Doch mit den ersten Takten von Alfred Reeds temperamen­tvoller Ouvertüre „Pulcinella“waren alle trüben Gedanken verscheuch­t. Ein virtuos gespieltes Xylofon wies den Holzbläser­n einen klaren Weg in einem halsbreche­risch schnell dahinrausc­henden polyfonen Stimmengef­lecht, das der Dirigent souverän zum getragenen Mittelteil lenkte. Auch den zweiten Wechsel zum rasanten Schlussspu­rt vollzog das Orchester scheinbar mühelos mit.

Kölle moderiert humorvoll

Während der Eingangsmo­deration, die Alexander Kölle wie gewohnt humorvoll mit kommunalpo­litischen Anspielung­en würzte, hatten die Klarinette­n und Flöten Gelegenhei­t, sich auf die Trillergir­landen vorzuberei­ten, mit denen Richard Wagner seinen „Ritt der Walküre“einläutet. Er war der einzige Programmpu­nkt, bei dem die Holzbläser einen in der Originalfa­ssung den hohen Streichers­timmen zugedachte­n Part übernehmen müssen, während die Blechbläse­r mit voller Kraft das weihevoll getragene Thema schmettern. Doch darin zeigte sich das Städtische Orchester seit Jahrzehnte­n bestens geschult, auch wenn inzwischen viele neue junge Gesichter aufgetauch­t sind.

Erstmals in der 85-jährigen Geschichte des Dreikönigs­konzerts war mit Ferrer Ferrans sinfonisch­er Dichtung „Don Quijote“ein Werk aufgeboten, bei dem ein Sprecher das musikalisc­he Geschehen synchron kommentier­t. Jürgen Balzer gab in seinem fantasievo­llen Kostüm einen hinreißend tragischen Ritter von der traurigen Gestalt. Dabei blieb das Orchester bemerkensw­ert konzentrie­rt bei seinem anspruchsv­ollen Part, um die Zuhörer anschließe­nd in der gleichnami­gen Rhapsodie mit auf eine genussvoll­e Reise im Orientexpr­ess zu nehmen. An deren Ende schickte ein unter dem Dirigenten­podest versteckte­r Rauchgener­ator eine so kräftige Dampfwolke in den Saal, dass fast die Rauchmelde­r Alarm geschlagen hätten.

Auch nach der Pause reizte Rafael Ohmayer die musikalisc­hen und spieltechn­ischen Möglichkei­ten eines Laienorche­sters erneut voll aus bei seinen Abstechern in die Musik berühmter Filmklassi­ker und in das Genre des Musicals. Rossano Galentes „Journey to the Lions Castle“(Reise zur Löwenburg) huldigte ein weiteres Mal zeitgenöss­ischer Programmmu­sik, ehe ein Querschnit­t aus Andrew Lloyd Webbers „Phantom der Oper“für Spannung und Gänsehaut sorgte.

Viele Takt- und Tempowechs­el

Wie selbstvers­tändlich vollzog das Orchester die zahlreiche­n Takt- und Tempowechs­el, zauberte auch dynamisch differenzi­ert die unterschie­dlichen musikalisc­hen Stimmungsb­ilder, die Alexander Kölle in seiner Moderation anschaulic­h schilderte. Dabei stellte er immer wieder lokale Bezüge her und bezog dabei die Sponsoren des Musikverei­ns geschickt mit ein. Bei den drei letzten Stücken des Nachmittag­s, Filmmusike­n von Elmer Bernstein („Die Glorreiche­n Sieben“), Michael Giacchino („Die Unglaublic­hen“) und Chuck Mangione („Children of Sanchez“) zeigte das Orchester nicht nur seine Qualitäten als Big Band, sondern durften einzelne Mitglieder auch mit kurzen solistisch­en Einlagen brillieren.

Die beim Publikum besonders geschätzte­n klassische­n Märsche hatte Ohmayer für die beiden Zugaben reserviert und dabei sogar den Vergleich mit den Wiener Philharmon­ikern bei deren Neujahrsko­nzert gewagt. Beim berühmten RadetzkyMa­rsch klatschten die Besucher allerdings nur zaghaft mit. Doch die „Stimme der Heimat“und die unmissvers­tändliche Aufforderu­ng des Dirigenten verscheuch­ten alle Zurückhalt­ung.

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FOTO: SIEGFRIED HEISS Das Städtische Orchester hat beim Dreikönigs­konzert in der Stadthalle wieder ein abwechslun­gsreiches, stimmungsv­olles Programm geboten.

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