Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Konzert erzählt zauberhafte Geschichten
Städtisches Orchester stimmt sein Publikum mit anspruchsvollem Programm auf 2019 ein
WEINGARTEN - Eigentlich ist beim diesjährigen Dreikönigskonzert des Städtischen Orchesters Weingarten im voll besetzten Welfensaal alles wie gewohnt gewesen: Die Besucher freuten sich auf genussvolle Stunden. Das Orchester hatte sich unter seinem nicht mehr ganz neuen Dirigenten Rafael Ohmayer gründlich vorbereitet, Musikvereinsvorsitzender Alexander Kölle lange an seiner Moderation gefeilt. Dennoch kreisten viele Gespräche im Foyer um andere Themen, die die Menschen der Stadt in den letzten Tagen und Wochen bewegen: das Bangen um die Genesung des schwer verletzten Oberbürgermeisters Markus Ewald und der plötzliche Tod seines Vorgängers Gerd Gerber.
Doch mit den ersten Takten von Alfred Reeds temperamentvoller Ouvertüre „Pulcinella“waren alle trüben Gedanken verscheucht. Ein virtuos gespieltes Xylofon wies den Holzbläsern einen klaren Weg in einem halsbrecherisch schnell dahinrauschenden polyfonen Stimmengeflecht, das der Dirigent souverän zum getragenen Mittelteil lenkte. Auch den zweiten Wechsel zum rasanten Schlussspurt vollzog das Orchester scheinbar mühelos mit.
Kölle moderiert humorvoll
Während der Eingangsmoderation, die Alexander Kölle wie gewohnt humorvoll mit kommunalpolitischen Anspielungen würzte, hatten die Klarinetten und Flöten Gelegenheit, sich auf die Trillergirlanden vorzubereiten, mit denen Richard Wagner seinen „Ritt der Walküre“einläutet. Er war der einzige Programmpunkt, bei dem die Holzbläser einen in der Originalfassung den hohen Streicherstimmen zugedachten Part übernehmen müssen, während die Blechbläser mit voller Kraft das weihevoll getragene Thema schmettern. Doch darin zeigte sich das Städtische Orchester seit Jahrzehnten bestens geschult, auch wenn inzwischen viele neue junge Gesichter aufgetaucht sind.
Erstmals in der 85-jährigen Geschichte des Dreikönigskonzerts war mit Ferrer Ferrans sinfonischer Dichtung „Don Quijote“ein Werk aufgeboten, bei dem ein Sprecher das musikalische Geschehen synchron kommentiert. Jürgen Balzer gab in seinem fantasievollen Kostüm einen hinreißend tragischen Ritter von der traurigen Gestalt. Dabei blieb das Orchester bemerkenswert konzentriert bei seinem anspruchsvollen Part, um die Zuhörer anschließend in der gleichnamigen Rhapsodie mit auf eine genussvolle Reise im Orientexpress zu nehmen. An deren Ende schickte ein unter dem Dirigentenpodest versteckter Rauchgenerator eine so kräftige Dampfwolke in den Saal, dass fast die Rauchmelder Alarm geschlagen hätten.
Auch nach der Pause reizte Rafael Ohmayer die musikalischen und spieltechnischen Möglichkeiten eines Laienorchesters erneut voll aus bei seinen Abstechern in die Musik berühmter Filmklassiker und in das Genre des Musicals. Rossano Galentes „Journey to the Lions Castle“(Reise zur Löwenburg) huldigte ein weiteres Mal zeitgenössischer Programmmusik, ehe ein Querschnitt aus Andrew Lloyd Webbers „Phantom der Oper“für Spannung und Gänsehaut sorgte.
Viele Takt- und Tempowechsel
Wie selbstverständlich vollzog das Orchester die zahlreichen Takt- und Tempowechsel, zauberte auch dynamisch differenziert die unterschiedlichen musikalischen Stimmungsbilder, die Alexander Kölle in seiner Moderation anschaulich schilderte. Dabei stellte er immer wieder lokale Bezüge her und bezog dabei die Sponsoren des Musikvereins geschickt mit ein. Bei den drei letzten Stücken des Nachmittags, Filmmusiken von Elmer Bernstein („Die Glorreichen Sieben“), Michael Giacchino („Die Unglaublichen“) und Chuck Mangione („Children of Sanchez“) zeigte das Orchester nicht nur seine Qualitäten als Big Band, sondern durften einzelne Mitglieder auch mit kurzen solistischen Einlagen brillieren.
Die beim Publikum besonders geschätzten klassischen Märsche hatte Ohmayer für die beiden Zugaben reserviert und dabei sogar den Vergleich mit den Wiener Philharmonikern bei deren Neujahrskonzert gewagt. Beim berühmten RadetzkyMarsch klatschten die Besucher allerdings nur zaghaft mit. Doch die „Stimme der Heimat“und die unmissverständliche Aufforderung des Dirigenten verscheuchten alle Zurückhaltung.