Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Wichtig ist: Herr Ewald kommt wieder“
Weingartens Bürgermeister Alexander Geiger im Interview über die Situation im Rathaus nach OB Ewalds Unfall
WEINGARTEN - Der schwere Verkehrsunfall von Weingartens Oberbürgermeister Markus Ewald Mitte Dezember hat alle Menschen in und um Weingarten schockiert. Doch für Bürgermeister Alexander Geiger änderte sich damit von einem auf den anderen Tag auch seine Rolle bei der Stadt Weingarten. Seitdem vertritt er Ewald in allen wichtigen Belangen und leitet interimsweise die Geschicke der Kommune. Im Interview mit Oliver Linsenmaier spricht er über die Fassungslosigkeit im Rathaus nach der Unfallnachricht sowie die große Anteilnahme der Bevölkerung. Außerdem gewährt Geiger Einblicke zu den aktuellen Abläufen im Rathaus und äußert sich zu seiner Rolle in dieser ungewöhnlichen Zeit.
Wie geht es Ihnen?
Im Augenblick noch ganz gut. Eigentlich hätte Herr Ewald bis Ende vergangener Woche Urlaub gehabt. Und dadurch ist nicht gleich alles auf einmal losgebrochen. Wir konnten uns ein bisschen auf das vorbereiten, was kommt.
Aber hat Ihr Arbeitstag nun 15 Stunden und sie bekommen kaum noch Schlaf?
Deutlich mehr sind auf jeden Fall die Abend- und Wochenendtermine geworden. Ich kann zwar nicht alle Termine von Herrn Ewald übernehmen, aber doch den ein oder anderen. Die zeitliche Belastung ist also definitiv höher. Ich hoffe aber nicht, dass ich nachher 15 Stunden unterwegs bin.
Wie funktioniert das nun genau mit der Terminplanung?
Tatsächlich sprechen sich Markus Ewalds und meine Assistentin miteinander ab. Die können auch gut einschätzen, was wichtig ist und was weniger wichtig ist. Da ich aber nicht überall sein kann, helfen mir nun auch die ehrenamtlichen Bürgermeister. Zudem sind ja in der Verwaltung viele Mitarbeiter ohnehin in den Themen drin. Die übernehmen dann auch einige Termine. Tatsächlich hat Herr Ewald ja auch nicht alles alleine gemacht. Aber ich kann natürlich nicht alles übernehmen, was er gemacht hat. Das geht gar nicht. Wir können und wollen Herrn Ewald nicht eins zu eins ersetzen. Das ist unmöglich.
In Ihrem eigenen Bereich, dem Finanzund Bauwesen, wird dann auch etwas gestrichen?
Das ist eher schwierig. Das SchulerAreal ist mit dem Bebauungsplan ja aktuell voll am Laufen. Auch beim integrierten Stadtentwicklungskonzept müssen wir weitermachen. Der Haushalt kommt jetzt, genau wie die Schulentwicklung. Das sind lauter Dinge, die weiterlaufen müssen. Da kann ich keine Abstriche machen.
Demnach wird auch der Haushalt ganz normal eingebracht?
Der Gemeinderat bekommt den Haushalt in der Sitzung am 28. Januar. Da werden wir ihn einbringen. Geplant ist, den dann in der darauffolgenden Sitzung zu verabschieden. Das läuft ganz normal weiter. Nur muss ich eben jetzt alle Sitzungen leiten.
Da kann man froh sein, dass sich der Gemeinderat im Jahr 2014 mit Ihnen wieder einen 1. Beigeordneten geleistet hat. Andernfalls würden die Abläufe nun wohl nicht scheinbar so problemlos laufen.
Wenn wir keinen Beigeordneten hätten, dann könnte der erste ehrenamtliche Stellvertreter des Oberbürgermeisters, Alfred Schick, die Aufgaben nicht eins zu eins so wahrnehmen. Bei Rechtsgeschäften wäre das schwierig. Dann hätten wir wahrscheinlich einen Amtsverweser einsetzen müssen. Das kommt aber auch darauf an, wie lange die Situation seiner Abwesenheit anhält. Wegen drei oder sechs Monaten würde man das nicht machen. Wenn es aber ein längerer Zeitraum wäre, der nicht abgeschätzt werden kann, müsste man es anders regeln.
Es war also gut, dass Ihr Posten als erster Beigeordneter im Jahr 2014 geschaffen wurde.
Rein formal ist es für diese Situation nicht schlecht, dass das Konstrukt nun so ist. Allerdings ist der Herr Ewald am Anfang meiner Zeit 2014/ 2015 ja schon einmal drei Monate ausgefallen. Da habe ich das auch schon, gerade in der gleichen Jahreszeit, gemacht. Daher war es jetzt schon ein bisschen leichter. Der Unterschied war allerdings, dass seine Abwesenheit damals geplant war. Der jetzige Unfall kam ja völlig unvorhergesehen.
Mit welchem Zeitraum rechnen Sie, in dem Sie Herrn Ewald noch vertreten werden?
Für mich war nicht die Zeitschiene das größte Problem, in dem ich den Oberbürgermeister vertreten muss. Für mich war nach der schlimmen Nachricht des Unfalls die Unsicherheit, wie es überhaupt weitergeht, das größte Problem. Die erlösende Nachricht, dass Herr Ewald außer Lebensgefahr ist und aus dem künstlichen Koma erwacht ist, hat einiges erleichtert. Ab diesem Moment konnten wir für eine gewisse Zeit planen. Für uns war klar: Herr Ewald kommt wieder. Das konnten wir viel leichter händeln. Für die Fasnet rechnen wir noch nicht mit dem Oberbürgermeister. Und darüber hinaus müssen wir auf die Fortschritte bei der Genesung warten. Und wenn er früher wiederkommt, ist das überhaupt kein Problem. Ich persönlich wäre natürlich froh, wenn er früher wiederkommt. Wichtig ist: Herr Ewald kommt wieder. Wir müssen nur die Zeit bis dahin überbrücken.
Sind Sie aktuell mit Herrn Ewald in Kontakt?
Es gibt keinen direkten Kontakt zu Herrn Ewald. Es gilt nach wie vor die Informationssperre. Wir stehen im Austausch mit den Angehörigen und werden informiert, sobald es verlässliche Neuigkeiten zum Gesundheitszustand gibt. Und diese Informationen geben wir dann auch offiziell weiter. Und das respektieren wir auch.
Aber irgendwann braucht man auch eine Zeitschiene. So wie man Herrn Ewald kennt, wird er sicher ja auch selbst irgendwann wieder mit den Mitarbeitern, Bürgern und der Öffentlichkeit kommunizieren wollen.
Es ist genau so, wie Sie sagen. Wenn Herr Ewald selber wieder kommunizieren will, dann muss er das sagen. Diese Entscheidung liegt bei ihm. Aber das wird sicherlich irgendwann so sein. Wenn es ihm wieder besser geht, wird er sich melden. Er will sich sicherlich auch für die vielen Genesungswünsche und Grußkarten bedanken. Er hat einen ganzen Karton voller guter Wünsche erhalten.
Wie haben Sie persönlich die Anteilnahme der Bevölkerung wahrgenommen?
Die Anteilnahme war riesig. Da kam viel aus der Bürgerschaft und Bevölkerung, aber auch von den ganzen Leuten, mit denen er in Kontakt ist. Da kamen von überall Genesungswünsche und alle wünschen ihm nur das Beste und hoffen, dass es ihm schnell wieder besser geht. Daran merkt man auch, wie gut der persönliche Bezug von ihm zu den Bürgern ist. Und das nicht nur in Weingarten.
Sie sagten, dass es wirklich schwierig in der Zeit war, in dem über den Gesundheitszustand von Herrn Ewald noch nichts Neues bekannt war. Können Sie uns einen Einblick geben. Wie sah es in Ihnen, wie sah es im Rathaus zwischen dem 14. Dezember und dem 2. Januar aus?
Für alle Mitarbeiter war das erst einmal ein ziemlicher Schock. Es war eine schwierige Situation. Wir mussten uns erst einmal zusammensetzen und überlegen, was wir jetzt machen. Das zu organisieren und zeitgleich mit dieser persönlichen Belastung und Unsicherheit umzugehen, war für alle nicht einfach. Aber so eine Situation muss man im Team regeln. Das kann einer nicht alleine machen. Leichter wurde es dann mit der Nachricht, dass es wieder wird. Da konnte man sich wieder konkret mit den nächsten Schritten auseinandersetzen. Heute ist es für alle wieder einfacher, nicht nur für mich.