Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schnuller, der auch Eltern beruhigen könnte
Biberacher Studenten entwickeln einen Hightech-Schnuller – und gewinnen Wettbewerb
BIBERACH - In diesem Schnuller steckt jede Menge Technik: Vier Studenten der Hochschule Biberach haben einen Schnuller entwickelt, der Stresshormone, Glukose und die Temperatur von Babys messen kann. Mit ihrer Erfindung überzeugte die Gruppe bei einem Wettbewerb des Bayer-Konzerns. Auf die Idee, die Eltern, Ärzte und Kinderpfleger im Alltag entlasten könnte, brachte sie ein Kinderfilm.
In erster Linie dient ein Schnuller dazu, das Saugbedürfnis von Kleinkindern zu stillen. Er hilft ihnen beim Einschlafen, beruhigt und tröstet sie. Und wenn es nach den Biberacher Studenten Timo Jensen, Chantal Allgöwer, Joao Alexandre de Oliveira und Lorena-Chantal Gülsdorf geht, könnte er bald auch die Gesundheit der Sprösslinge ständig im Blick behalten. Ein Beispiel: Bislang müssen Kinder in den Finger gepikst werden, um den Wert des Blutzuckers zu ermitteln. Künftig könnte es ausreichen, dem Kind den HightechSchnuller in den Mund zu stecken.
Messung über Speichel
Über den Speichel misst dieser dann den Glukose-Anteil und übermittelt die Daten via Bluetooth aufs Smartphone der Eltern. Falls gewünscht, könnte auch der behandelnde Arzt die Werte bekommen. „Wir könnten auch Hormone, die Temperatur, den pH-Wert, Antikörper, Bakterien oder Viren messen“, erläutert die 23-jährige Chantal Allgöwer aus Ulm. Wobei es bereits Schnuller auf dem Markt gebe, der die Körpertemperatur ermitteln kann. Ziel sei es, Klinikpersonal oder Eltern chronisch kranker Kinder zu entlasten. Noch ist all das Zukunftsmusik, den Schnuller mit dem technischen Innenleben gibt es bislang nur auf Papier. Dementsprechend können sie auch nicht beziffern, wie viel so ein Schnuller am Ende kosten würde.
Jedoch hat die Gruppe ein 3-DModell angefertigt, das zeigt, aus welchen Bestandteilen der Schnuller eines Tages bestehen könnte. Für Kinder sei der Schnuller „völlig unschädlich“, denn die Technik sitzt nicht im Sauger, sondern in der Plastikscheibe, die das Baby nicht in den Mund nimmt, erläutert Timo Jensen. Der 23-Jährige studiert wie seine Kommilitonen Pharmazeutische Biotechnologie auf Master, den die Hochschule Biberach in Kooperation mit der Universität Ulm anbietet.
„Wir haben Grundlagen wie die Funktionsweise der Biosensortechnologie aus dem Studium angewendet“, schildert Lorena-Chantal Gülsdorf aus Schwäbisch Gmünd. Dies habe den Einstieg in die Thematik erleichtert, mehr aber auch nicht. Denn die Gruppe hat das Projekt neben dem eigentlichen Studium selbst erarbeitet. Drei Tage hatten sie dafür Zeit. Den Stein ins Rollen brachte Professorin Chrystelle Mavoungou, die die Studenten mit ihrem Ulmer Kollegen Professor Dr. Uwe Knippschild begleitete. Sie suchte nach Freiwilligen, die bei dem Bayer-Wettbewerb mitmachen wollten. Ursprünglich hatten sich 300 Teams aus 60 Ländern beteiligt. 200 hatten am Ende konkrete Ideen eingereicht.
Im Finale in Leverkausen präsentierte die Biberacher Gruppe ihr Projekt vor einer Jury. „Dort mussten wir dann in zehn Minuten unseren Schnuller vorstellen und anschließend gab es eine fünfminütige Fragerunde“, berichtet Chantal Allgöwer. Andere entwickelten zum Beispiel ein Tattoo auf der Haut, das mit dem Smartphone abgescannt werden kann, um Aussagen über das gesundheitliche Befinden zu treffen. „Ich persönlich war sehr nervös. Es war eine völlig neue Erfahrung“, sagt Timo Jensen.
Nach einem Voting standen die Biberacher Studenten schließlich als Sieger fest, womit keiner von ihnen gerechnet hatte. „Es gab so viele andere gute Vorschläge“, so der 26-jährige Joao Alexandre de Oliveira, „wir waren wirklich überrascht, zu gewinnen und es ist einfach toll, so ein fantastisches Ergebnis zu erzielen.“Wie es mit dem Forschungsprojekt weitergehen soll, wissen sie derzeit noch nicht. Aber: „Wir sind nicht abgeneigt, daran weiterzuarbeiten“, sagt Lorena-Chantal Gülsdorf. Für ihren Sieg haben die Studenten eine Reise nach Barcelona erhalten.
Inspiration für den Schnuller war übrigens der Disney-Animationsfilm „Baymax“, den Timo Jensen ins Spiel brachte. „In dem Film gibt es einen Roboter, der immer dann aktiviert wird, wenn ein Kind schreit oder ,Aua‘ sagt“, so der Flensburger. Daraufhin komme der Roboter, um das Kind zu behandeln: „Der Schnuller ist quasi die realistische Variante davon.“Und sicherlich etwas lebensnäher als ein Roboter mit Superkräften.
Wer wissen will, wie der Schnuller aussieht und wie er funktioniert, kann sich online einen Videobeitrag unter www.schwäbische.de/ schnuller-hbc ansehen.