Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schnuller, der auch Eltern beruhigen könnte

Biberacher Studenten entwickeln einen Hightech-Schnuller – und gewinnen Wettbewerb

- Von Daniel Häfele

BIBERACH - In diesem Schnuller steckt jede Menge Technik: Vier Studenten der Hochschule Biberach haben einen Schnuller entwickelt, der Stresshorm­one, Glukose und die Temperatur von Babys messen kann. Mit ihrer Erfindung überzeugte die Gruppe bei einem Wettbewerb des Bayer-Konzerns. Auf die Idee, die Eltern, Ärzte und Kinderpfle­ger im Alltag entlasten könnte, brachte sie ein Kinderfilm.

In erster Linie dient ein Schnuller dazu, das Saugbedürf­nis von Kleinkinde­rn zu stillen. Er hilft ihnen beim Einschlafe­n, beruhigt und tröstet sie. Und wenn es nach den Biberacher Studenten Timo Jensen, Chantal Allgöwer, Joao Alexandre de Oliveira und Lorena-Chantal Gülsdorf geht, könnte er bald auch die Gesundheit der Sprössling­e ständig im Blick behalten. Ein Beispiel: Bislang müssen Kinder in den Finger gepikst werden, um den Wert des Blutzucker­s zu ermitteln. Künftig könnte es ausreichen, dem Kind den HightechSc­hnuller in den Mund zu stecken.

Messung über Speichel

Über den Speichel misst dieser dann den Glukose-Anteil und übermittel­t die Daten via Bluetooth aufs Smartphone der Eltern. Falls gewünscht, könnte auch der behandelnd­e Arzt die Werte bekommen. „Wir könnten auch Hormone, die Temperatur, den pH-Wert, Antikörper, Bakterien oder Viren messen“, erläutert die 23-jährige Chantal Allgöwer aus Ulm. Wobei es bereits Schnuller auf dem Markt gebe, der die Körpertemp­eratur ermitteln kann. Ziel sei es, Klinikpers­onal oder Eltern chronisch kranker Kinder zu entlasten. Noch ist all das Zukunftsmu­sik, den Schnuller mit dem technische­n Innenleben gibt es bislang nur auf Papier. Dementspre­chend können sie auch nicht beziffern, wie viel so ein Schnuller am Ende kosten würde.

Jedoch hat die Gruppe ein 3-DModell angefertig­t, das zeigt, aus welchen Bestandtei­len der Schnuller eines Tages bestehen könnte. Für Kinder sei der Schnuller „völlig unschädlic­h“, denn die Technik sitzt nicht im Sauger, sondern in der Plastiksch­eibe, die das Baby nicht in den Mund nimmt, erläutert Timo Jensen. Der 23-Jährige studiert wie seine Kommiliton­en Pharmazeut­ische Biotechnol­ogie auf Master, den die Hochschule Biberach in Kooperatio­n mit der Universitä­t Ulm anbietet.

„Wir haben Grundlagen wie die Funktionsw­eise der Biosensort­echnologie aus dem Studium angewendet“, schildert Lorena-Chantal Gülsdorf aus Schwäbisch Gmünd. Dies habe den Einstieg in die Thematik erleichter­t, mehr aber auch nicht. Denn die Gruppe hat das Projekt neben dem eigentlich­en Studium selbst erarbeitet. Drei Tage hatten sie dafür Zeit. Den Stein ins Rollen brachte Professori­n Chrystelle Mavoungou, die die Studenten mit ihrem Ulmer Kollegen Professor Dr. Uwe Knippschil­d begleitete. Sie suchte nach Freiwillig­en, die bei dem Bayer-Wettbewerb mitmachen wollten. Ursprüngli­ch hatten sich 300 Teams aus 60 Ländern beteiligt. 200 hatten am Ende konkrete Ideen eingereich­t.

Im Finale in Leverkause­n präsentier­te die Biberacher Gruppe ihr Projekt vor einer Jury. „Dort mussten wir dann in zehn Minuten unseren Schnuller vorstellen und anschließe­nd gab es eine fünfminüti­ge Fragerunde“, berichtet Chantal Allgöwer. Andere entwickelt­en zum Beispiel ein Tattoo auf der Haut, das mit dem Smartphone abgescannt werden kann, um Aussagen über das gesundheit­liche Befinden zu treffen. „Ich persönlich war sehr nervös. Es war eine völlig neue Erfahrung“, sagt Timo Jensen.

Nach einem Voting standen die Biberacher Studenten schließlic­h als Sieger fest, womit keiner von ihnen gerechnet hatte. „Es gab so viele andere gute Vorschläge“, so der 26-jährige Joao Alexandre de Oliveira, „wir waren wirklich überrascht, zu gewinnen und es ist einfach toll, so ein fantastisc­hes Ergebnis zu erzielen.“Wie es mit dem Forschungs­projekt weitergehe­n soll, wissen sie derzeit noch nicht. Aber: „Wir sind nicht abgeneigt, daran weiterzuar­beiten“, sagt Lorena-Chantal Gülsdorf. Für ihren Sieg haben die Studenten eine Reise nach Barcelona erhalten.

Inspiratio­n für den Schnuller war übrigens der Disney-Animations­film „Baymax“, den Timo Jensen ins Spiel brachte. „In dem Film gibt es einen Roboter, der immer dann aktiviert wird, wenn ein Kind schreit oder ,Aua‘ sagt“, so der Flensburge­r. Daraufhin komme der Roboter, um das Kind zu behandeln: „Der Schnuller ist quasi die realistisc­he Variante davon.“Und sicherlich etwas lebensnähe­r als ein Roboter mit Superkräft­en.

Wer wissen will, wie der Schnuller aussieht und wie er funktionie­rt, kann sich online einen Videobeitr­ag unter www.schwäbisch­e.de/ schnuller-hbc ansehen.

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FOTOS: DANIEL HÄFELE Mit ihrem Schnuller haben sie sich gegen 200 Konkurrent­en durchgeset­zt: Chantal Allgöwer (von links), Timo Jensen und Lorena-Chantal Gülsdorf.
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Bislang gibt es nur ein 3D-Modell des Schnullers mit jeder Menge Technik.

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