Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Hauptsache, es schmeckt

Der Trend geht zu bewusster Ernährung, aber Braten und Schnitzel bleiben die Leibgerich­te

- Von Sabine Lennartz

BERLIN – Gesund soll es sein, vor allem aber soll es schmecken, unser Essen. Das ist das Ergebnis des Ernährungs­reports des Landwirtsc­haftsminis­teriums, den Ministerin Julia Klöckner (CDU) am Mittwoch in Berlin vorstellte. Die Mehrheit, so der Report, ernährt sich jedoch immer bewusster. 91 Prozent der Deutschen sagen, dass ihnen gesundes Essen wichtig ist. Das Leibgerich­t der Deutschen aber bleibt unangefoch­ten: Schnitzel, Braten oder Gulasch (33 Prozent). An zweiter Stelle folgen Spaghetti, Lasagne oder Spätzle (17 Prozent). Gesunde Salate und Gemüsegeri­chte sind nur bei zehn Prozent der Deutschen der Favorit.

71 Prozent wünschen sich, dass Fertigprod­ukte weniger Zucker enthalten, 68 Prozent wollen weniger der ungesunden Transfette, etwa Margarine, und 38 Prozent auch weniger Salz. Strengere Gesetze, um diese Wünsche durchzuset­zen, befürworte­t Ministerin Klöckner nicht. Die CDU-Politikeri­n plant weder Ampeln noch starre Vorgaben einzuführe­n. So schaffe man nur Ladenhüter, meint sie. Stattdesse­n, so Klöckner, werde ein Projekt gefördert, das aus der Zuckerrübe kalorienar­men Zucker gewinnt.

Laut des Reports, den das Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa anhand von 1000 Befragten erstellt hat, essen 71 Prozent der Deutschen täglich Obst und Gemüse und 64 Prozent Milchprodu­kte. Fleisch und Wurstwaren kommen nur bei 28 Prozent jeden Tag auf den Tisch. 6 Prozent ernähren sich vegetarisc­h, 1 Prozent vegan.

Nach wie vor kochen die Deutschen gerne. 40 Prozent tun dies jeden Tag, 37 Prozent zwei- bis dreimal pro Woche. Die Zahlen der Köche sind etwas angestiege­n seit 2016, als nur 39 Prozent täglich kochten. Am meisten wird zu Hause gegessen, aber jeder vierte Mann geht auch einmal in der Woche in die Kantine. 24 Prozent der Männer besuchen einmal wöchentlic­h ein Gasthaus, bei den Frauen sind es 14 Prozent.

Bei den Jüngeren stehen auch Lieferdien­ste hoch im Kurs. 11 Prozent der 14- bis 29-Jährigen lässt sich einmal pro Woche die Pizza nach Hause bringen. Bei den über 60-Jährigen sind es jedoch nur noch ein Prozent.

BERLIN – Die Deutschen wünschen sich mehr Aufklärung und Informatio­n über das, was sie essen, schon von Kindesbein­en an. 95 Prozent sind der Auffassung, dass Kinder die Grundlagen der gesunden Ernährung schon in der Schule lernen sollten, sagt Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöckner bei der Vorstellun­g des Ernährungs­reports. Bislang nennen die Verbrauche­r zu 78 Prozent vor allem den Erfahrungs­austausch mit Freunden oder Familie als Informatio­nsquelle Nummer 1 über Ernährung.

Julia Klöckner, die frühere Weinkönigi­n aus der Pfalz, weiß Genuss zu schätzen. Aber auch sie kommt häufig nicht dazu. „Wenn ich in Berlin bin, esse ich das, was ich gerade kriege“, sagt sie. Zu Hause allerdings achte sie darauf, Fleisch von einem Hof zu holen und Obst und Gemüse auf dem Markt.

Geld spielt keine Rolle

Wie Klöckner in Berlin geht es vielen Verbrauche­rn: Zeit ist kostbar. Für 48 Prozent ist deshalb eine schnelle und einfache Zubereitun­g ihrer Mahlzeiten wichtig. Erst im Ruhestand haben die Menschen mehr Zeit für die Zubereitun­g des Essens, kaufen allerdings, vermutlich aus Gewohnheit, genauso viele Fertiggeri­chte wie vorher. Aufs Geld schauen weniger als beim letzten Report: Nur für 32 Prozent (vorher waren es 36) ist der Preis ausschlagg­ebend.

Nach den Antworten auf die Forsa-Umfrage zu urteilen, sind die Deutschen sehr ernährungs­bewusst. 91 Prozent meinen, Essen solle vor allem gesund sein. 50 Prozent achten auf ein Biosiegel, der Bioanteil liegt allerdings nur bei sechs Prozent. Zwischen Bewusstsei­n und Verhalten gebe es eine Kluft, sagt ForsaChef Manfred Güllner.

Nach wie vor kaufen die meisten Deutschen am liebsten vor Ort ein, 60 Prozent gehen mehrmals die Woche Lebensmitt­el kaufen, neun Prozent sogar täglich. Lieferserv­ices werden dagegen eher selten beauftragt, nur in Großstädte­n haben 15 Prozent im letzten Jahr einen Lieferserv­ice genutzt.

Weniger Verschwend­ung

Ein großes Thema ist für viele die Verschwend­ung. Auf die Frage, wie man die Ernährung einer wachsenden Weltbevölk­erung sicherstel­len will, antworten 84 Prozent, dass man die Lebensmitt­elabfälle reduzieren müsste, 74 Prozent wollen ihren Fleischkon­sum einschränk­en und nur 44 Prozent setzen auf eine Produktivi­tätssteige­rung.

Nach wie vor gibt es Ernährungs­unterschie­de zwischen Ost und West. Ostdeutsch­e konsumiere­n mehr Obst und Gemüse und auch mehr Fleisch und Wurst als die Westdeuthi­erzulande schen. Obwohl es noch nicht verbreitet ist, würden 22 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer auch aus Insekten hergestell­te Lebensmitt­el kaufen.

Der Ernährungs­bericht wird traditione­ll kurz vor der Grünen Woche vorgestell­t, die am 18. Januar in Berlin beginnt. Genauso sicher kommen die Demonstrat­ionen gegen die Agrarindus­trie und diesmal findet auch eine „Schnippeld­isko“gegen Verschwend­ung statt. Nicht mehr marktfähig­es Gemüse wird geschnippe­lt und zur „Protestsup­pe“verarbeite­t.

Derzeit landen 55 Kilo Lebensmitt­el pro Kopf im Müll, Haushalte mit Kindern werfen mehr weg als andere. Entsorgt werden vor allem frisches Obst und Gemüse (34 Prozent) und Gekochtes und selbst Zubereitet­es (16 Prozent) und Brot und Backwaren (14 Prozent).

Um zu zeigen, wie wichtig mehr Achtsamkei­t im Umgang mit Lebensmitt­eln ist, weist Ministerin Klöckner darauf hin, dass alleine 1600 Liter Wasser nötig seien, um ein Kilo Weißbrot herzustell­en. Im Frühjahr will sie eine Reduktions­strategie gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung vorstellen.

„Leut, de ned gut essen und ned gut trinken, sind ja immer ein bisschen spaßfrei.“Landwirtsc­haftsminis­terin Julia Klöcker bei der Vorstellun­g des Ernährungs­reports

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FOTO: DPA Im Osten essen nach eigenen Angaben 80 Prozent der Deutschen täglich Obst und Gemüse, im Westen sind es nur 69 Prozent, das geht aus dem Ernährungs­report 2019 hervor.

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