Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Freiwillig eingesperrt
Exit Games liegen im Trend – und sind in Deutschland viel sicherer als in Polen, wo bei einem Brand fünf Mädchen starben
FRIEDRICHSHAFEN - Grollender Donner, verzweifelte Schreie, Dunkelheit. Vor uns: eine dreifach verschlossene Tür, die zur Jagdhütte der angesehenen Jägerfamilie Carter führt. Hinter uns: eine weitere Tür. Doch die ist soeben ins Schloss gefallen. Was wie der Höhepunkt eines schaurigen Romans klingt, ist in Friedrichshafen Realität – gespielte Realität.
Die wird in sogenannten Escape Rooms voll ausgelebt. Solche Exit Games sind Abenteuerspiele, die auf der ganzen Welt beliebt sind, vor allem bei der jüngeren Generation. Dabei lassen sich zwei bis acht Spieler in einer Art Themenraum einsperren. Während die Uhr tickt, müssen die Spieler unterschiedliche Rätsel lösen. Sind nach der vorgegebenen Zeit alle Geheimnisse gelüftet, hat die Gruppe das Spiel gewonnen und kommt frei.
Seit Anfang 2017 bieten die Betreiber des Escape Rooms „Call of Quest“in Friedrichshafen zwei Szenarien in zwei selbstgestalteten Räumen an. Dort enthüllen Spieler ab 16 Jahren als Privatdetektive das pikante Geheimnis eines gewissen Mister Grey. Gruseliger wird’s dann im Nebenraum. Hier steht das schlimme Schicksal der Jägerfamilie Carter im Mittelpunkt der Rätsel, die in der alten Jagdhütte auch nach ihrem Tod noch ihr Unwesen treibt.
Kein Grund zur Sorge?
„Bei uns steckt schon Nervenkitzel dahinter, und das Adrenalin steigt“, sagt Martin Kosch, einer der beiden Betreiber des „Call of Quest“in Friedrichshafen. Doch der Spaß hört spätestens dann auf, wenn die Kulisse zur echten, tödlichen Falle wird wie jüngst in Polen. Dort starben fünf 15-jährige Mädchen in einem Escape Room an einer Rauchgasvergiftung. Während des Spiels brach im Nebenraum ein Feuer aus. Der Besitzer sitzt nun in Untersuchungshaft; wegen Verstößen gegen die Sicherheit und fahrlässiger Tötung drohen dem 28Jährigen bis zu acht Jahre Haft. Das schreckliche Unglück hat weltweit Schlagzeilen gemacht. Doch wie steht es um die Sicherheit dieser Spielstätten in Deutschland?
Dem Fachverband „Live Escape und Adventure Games“(LEAG) zufolge sind die Auflagen in Deutschland sehr hoch. So ist jede EscapeGame-Betriebsstätte genehmigungspflichtig. „Bei der zugehörigen Abnahme werden insbesondere die Brandschutzkriterien überprüft und Nachweise eingefordert“, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands zum Vorfall in Polen. Sichergestellt sei dabei unter anderem, dass Escape Rooms zu jeder Zeit von den Spielern selbstständig verlassen werden können. In Polen war das nicht der Fall.
Louis Laurösch, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Friedrichshafen, findet die Auflagen ausreichend. Auch er beruft sich auf die Kriterien der Bauordnung und des Brandschutzes. So müsse immer sichergestellt sein, dass die Spieler aus einem Raum fliehen können, ohne vorher ein Rätsel lösen zu müssen. Als Mindestanforderung für Escape Rooms in Baden-Württemberg müssen laut Laurösch mindestens zwei Fluchtwege vorhanden sein. Zusätzlich sind passende Kennzeichnungen, Rauchmelder in und um den Spielraum und im Fluchtwegbereich Pflicht. Zudem würden nur geprüfte Geräte verbaut, die nicht brandgefährdet sind.
Eine Tragödie wie die in Polen kann sich der Feuerwehrkommandant in Deutschland nicht vorstellen: „Brennen kann es immer. Und manchmal haben die Leute auch einfach blöde Ideen oder es kann zu einem technischen Defekt kommen. Solange aber die Vorschriften eingehalten werden, dürfte das bei uns nicht passieren.“Auch der LEAGVerband bestätigt, dass der Brandschutz in Deutschland einen sehr hohen Standard und Stellenwert hat und mit der bisherigen Handhabung in Polen nicht vergleichbar sei.
Trotz des Unglücks in Polen haben die hiesigen Escape-Room-Betreiber keine Bange um ihr Geschäft. Die Räume verteilen sich über den gesamten Südwesten: Aulendorf, Mengen, Konstanz, Ravensburg, Ulm, Stuttgart und weitere Städte und Gemeinden. In Ulm hat vor zwei Monaten eine Niederlassung einer bundesweiten Exit-Games-Kette eröffnet, weitere Räume gibt es in Stuttgart, Kaiserslautern, Würzburg, Nürnberg und Berlin. Auch Daniel Finck, Geschäftsführer in Ulm, hält es nicht für möglich, dass so etwas wie in Polen auch in Deutschland passieren kann, wenngleich es – wie in jeder Branche – vereinzelt schwarze Schafe gebe. „Jeder muss selbstständig in der Lage sein, das Gebäude verlassen zu können – auch wenn alle anderen beispielsweise in Ohnmacht fallen würden.“Daher seien immer mindestens zwei Fluchtwege vorgeschrieben, die entsprechend gekennzeichnet sein müssen. Und zwar auch so, dass sie im Brandfall und bei starker Rauchentwicklung gesehen werden können. Die Vorgabe halte er in seinen Escape Rooms überall ein, sagt Finck.
Ähnliches versichert auch Johannes Schiller, der seit 2016 das „Exitgames Ravensburg“betreibt. „In Deutschland gilt das Verbot der Freiheitsberaubung“, sagt Schiller. Deshalb habe er selbst in seinem Raum „Gefängnis“, wo sich sämtliche Rätsel um den Ausbruch aus der Gefangenschaft drehen, zwei Türen, die immer geöffnet sind. „Viele Spieler würden ansonsten auch gar nicht spielen wollen“, erklärt Schiller.
Besonderes Sicherheitskonzept
Angst davor, komplett eingesperrt zu sein, haben auch die Besucher des Escape Rooms in Friedrichshafen. Nach dem Unglück in Polen seien sie schon häufiger auf das Team zugekommen und hätten nach den Sicherheitsbestimmungen gefragt, sagt Kosch. Mit einem Hinweis am Empfang haben sich er und sein Geschäftspartner Alexander Fischer für künftige Anfragen präpariert. Mit dem Hinweis auf ihr besonderes Sicherheitskonzept wollen sie ihren Besuchern die Angst nehmen. Es beinhaltet zum einen die Vollzeitbetreuung ihrer Gruppen. Über WalkieTalkies und Kameras in den Räumen hat das Team einen Überblick über alles, was während des Spiels passiert. „Unsere Brandmeldeanlage ist außerdem direkt mit der Feuerwehr hier verbunden. Wenn etwas passieren sollte, stehen die mit vier Einsatzwagen innerhalb von acht Minuten auf der Matte“, sagt Fischer.
Ein Video zum Sicherheitskonzept von „Escape Rooms“in der Region finden Sie unter www.schwaebische.de/escape-room-ulm