Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Im Sumpf der Drogen
„Ben is Back“– Mutter-Sohn-Drama mit einer uneitlen, kämpferischer Julia Roberts
Es ist eine düstere Szene, als Ben zum ersten Mal in Erscheinung tritt. Im dunklen Kapuzenpulli und mit starrem Gesicht taucht der 19-Jährige an Weihnachten plötzlich vor dem Haus seiner Familie auf. Eigentlich ist der Junge in einer Klinik auf Drogenentzug, doch nun kehrt er unerwartet nach Hause zurück.
Seine Mutter Holly (Julia Roberts) kann es kaum fassen. Doch ihre Freude wird von der Angst getrübt, dass ihr Sohn einen Rückfall erleiden könnte. Die nächsten 24 Stunden werde sie ihn keinen Moment aus den Augen lassen, droht sie Ben (Lucas Hedges). Nur unter dieser Bedingung dürfe er Weihnachten zu Hause verbringen. Seine Schwester Ivy ist skeptisch. Auch Bens Stiefvater Neal, mit dem Holly zwei kleine Kinder hat, ist besorgt.
Was als Mutter-Sohn-Drama beginnt, wird immer mehr zum Thriller, der in die düstere Drogenwelt von Opioiden und Heroin führt. Ben wird mit Dealern und Süchtigen aus seiner Vergangenheit konfrontiert. Verzweifelt bleibt ihm Holly auf den Fersen, um ihn zu beschützen. Dabei spielen sich dramatische Szenen ab. „Ich will nur, dass du mir sagst, an welcher Stelle ich dich begraben soll“, bestürmt die verzweifelte Mutter auf einem verschneiten Friedhof ihren Sohn. Vom „Pretty-Woman“Image ist bei Roberts längst keine Spur mehr. Schon in dem Thriller „Vor ihren Augen“(2015) hatte sie als gramerfüllte FBI-Beamtin ihr breites Lächeln völlig abgelegt. Ihr Auftritt als verhärmte Tochter in dem Drama „Im August in Osage County“brachte ihr ein Jahr zuvor eine Oscar-Nominierung für die beste Nebenrolle ein. Auch in „Ben is Back“sind ihr die Sorgenfalten tief in das kantige Gesicht geschrieben.
Julia Roberts Tour de Force als verzweifelte Mutter wird von dem 22-jährigen Nachwuchsstar Lucas Hedges perfekt ergänzt. Er zeigt die ganze Bandbreite von Emotionen eines Süchtigen auf Entzug, zwischen Hoffnung und panischer Verzweiflung. Regieanweisungen erhielt das Duo dabei von Lucas’ Vater Peter Hedges. Doch „Ben is Back“ist nicht nur in dieser Beziehung ein sehr persönlicher Film für Hedges. Seine eigene Kindheit sei von schweren Suchtproblemen seiner Mutter geprägt worden. Erst als er 15 Jahre alt war, habe sie ihren Alkoholismus in den Griff bekommen, sagte Hedges im Interview mit der „San Francisco Chronicle“.
Dennoch ist „Ben is Back“kein tiefgründiges Drogen-Drama, das die Gründe für die wachsende Opioid-Epidemie in den USA hinterfragt. Vor allem im letzten Drittel wird der Film mehr zum Action-Thriller und Holly zur kämpferischen Übermutter, die ihrem Sohn aufopferungsvoll in die finstere Drogen-Unterwelt folgt. (dpa)
Ben is Back. Regie: Peter Hedges. Mit Julia Roberts, Lucas Hedges, Courtney B. Vance. USA 2018. 103 Minuten. FSK ab 12.