Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Bürger setzen auf billige Bustarife und Sharing-Modelle
Ravensburger tüfteln Verbesserungsvorschläge für Gefahrenstellen in der Stadt aus
RAVENSBURG - Momentan wird intensiv am Verkehrskonzept der Zukunft für das Mittlere Schussental getüftelt. Nachdem Bürger Mitte 2018 auf einer digitalen Karte 500 gefährliche Punkte ausgemacht haben, zerbrachen sie sich in zwei Workshops die Köpfe darüber, was man in Sachen Mobilität besser machen kann. Tenor: Der ÖPNV soll billiger und besser getaktet, der Radverkehr sicherer werden. Bis September will die Stadtverwaltung dem Ravensburger Gemeinderat konkrete Schritte vorschlagen.
Die vier Punkte, die auf der Internet-Plattform am häufigsten kritisiert worden waren, nahm man sich im Workshop Nummer 1 Ende September zur Brust, wie Ravensburgs Verkehrsplaner Timo Nordmann berichtet. So wurde in der Gartenstraße das Thema Öffentlicher Nahverkehr unter die Lupe genommen. Um diesen attraktiver zu machen, können sich die gut zwei Dutzend Teilnehmer beispielsweise eine exklusive Busspur rund um die Stadt, einen Bürgerbus, der auf Abruf kommt, oder einen Schnellbus, der nicht an jeder Milchkanne hält, vorstellen. Außer Frage steht für alle: Wenn mehr Leute auf Bus und Bahn umsteigen sollen, müssen die öffentlichen Verkehrsmittel öfter und preisgünstiger verkehren.
An der Ecke Wassertreter/Schlierer Straße ging’s um die Radler. Die seien, so die einhellige Kritik, an dieser Stelle von drei Seiten von Autos „umzingelt“, die Kreuzung sei zu gefährlich und zu eng. Überhaupt würden zu viele Autos zu schnell durch den Wassertreter, der eigentlich eine Fahrradstraße ist, fahren. Verbesserungsvorschläge: versenkbare Poller, ein Kreisverkehr und ein Tempolimit. Bei Letzterem hat die Stadt allerdings keinen Spielraum, da in Fahrradstraßen gesetzlich Tempo 30 vorgeschrieben ist. Etliche regten auch an, den Zebrastreifen Richtung Fenken sicherer zu gestalten, da viele Autos ziemlich flott die Schlierer Straße runterdüsen.
In der Frauenstraße richtete man den Fokus auf die Fußgänger. Auf der Plattform war häufig moniert worden, dass der dortige Zebrastreifen wegen der aus Richtung Knollengraben kommenden Rechtsabbieger gefährlich für die Schüler sei. Außerdem sorgten Elterntaxis morgens offenbar zu Rückstaus bis zur Wilhelmstraße. Unter anderem wurde daher für eine Unter- beziehungsweise Überführung für Fußgänger und Radler sowie einen Blinker für Rechtsabbieger von der Wilhelmstraße in die Frauenstraße plädiert.
Autoverkehr auf der B 30 war ebenfalls Thema
Schließlich war auch der Autoverkehr und hier insbesondere der auf der B 30 Thema. Das Problem, dass sich an der Rechtsabbiegespur von der Meersburger Straße gen Blaues Haus in der morgendlichen Rushhour häufig lange Rückstaus bilden, könnte nach Meinung der Workshop-Teilnehmer entweder eine verlängerte Abbiegespur oder ein Kreisverkehr lösen.
Ende November folgte ein zweiter Workshop, bei dem sogar 55 Ravensburger mitgemacht haben. Gut die Hälfte rekrutierte sich aus einer Aktion der Stadtverwaltung, die 400 Bürger aus dem Einwohnermelderegister ausgelost und angeschrieben hatte, um ein möglichst breit gefächertes Meinungsbild aus der Bevölkerung zu erhalten. Diesmal ging’s um Visionen. Was glauben Experten und was meinen Laien, wie wir uns im Jahr 2035 fortbewegen werden? Ein eigenes Auto wird da, so war man sich weitgehend einig, längst nicht mehr jeder besitzen. Stattdessen werden Car-Sharing, Bike-Sharing, Car-Pooling, E-Mobilität, Hybridautos, autonom fahrende Busse oder Lastenräder an der Tagesordnung sein – wir teilen uns also Autos und Räder und die gute alte Mitfahrzentrale erlebt als digitale App-Version einen Aufschwung. Die Bezahlung, so wird vermutet, läuft künftig über Abos oder das Smartphone. Auch neue Logistikmodelle werden bereits erprobt: In Nürnberg stellt laut Nordmann etwa ein Lastenradler sämtliche Pakete und Briefe in der Innenstadt zu. Ganz klar: „Die Mobilität von morgen muss kostengünstig, umweltfreundlich, flexibel und zeitlich unabhängig sein“, fasst Nordmann die Überzeugung der Workshop-Teilnehmer zusammen. Bis es so weit ist, dürfte es aber noch ein Weilchen dauern – bislang gibt’s im Kreis Ravensburg grade mal 300 EAutos.
Im letzten Workshop am 28. Januar kann, wer möchte, mit externen Experten und der Ravensburger Stadtverwaltung über konkrete Maßnahmen diskutieren. Die Verwaltungsleute rechnen danach durch, was das alles kostet und fächern auf, was es bringt. Voraussichtlich im September kann der neue Gemeinderat dann über das Mobilitäts-Gesamtpaket für Ravensburg entscheiden. Nordmann macht keinen Hehl daraus, dass ein solch grundlegendes Konzept nicht für einen Appel und ein Ei zu haben sein wird. Sofern einer Kommune etwa wirklich daran gelegen sei, dass richtig viele Menschen vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen, müsse sie dafür auch investieren. Bekanntlich sind die Städte Ravensburg und Weingarten für den Stadtbus verantwortlich. Abgesehen von der Subventionierung der Bustickets werden, wenn der Plan aufgeht, natürlich auch mehr Busse gebraucht werden. Die Kosten für ein solches Mammutprojekt seien noch nicht abschätzbar, sagt Nordmann. Fakt sei aber: Jeder Kilometer, den ein Bus derzeit fährt, schlägt mit vier Euro zu Buche.