Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schneebruch oder Dachlawine: Wer haftet bei Schaden?
Wangener Rechtsanwalt Axel Sterk bezieht zu einigen wetterbedingten Fallbeispielen Stellung
WANGEN - Der Ast eines schneebedeckten Baums fällt auf ein Auto. Eine Dachlawine verletzt einen Fußgänger. Ein Räumfahrzeug beschädigt ein Fahrzeug. Wer haftet und wie ist die Rechtsprechung? SZ-Redakteur Bernd Treffler hat den Wangener Fachanwalt Axel Sterk hierzu befragt und ihn mit diversen Fallbeispielen konfrontiert.
Wer haftet, wenn ein Ast wegen Schneebruchs auf ein parkendes Auto fällt? Und wie wäre die Sachlage, wenn ein Ast vom Baum auf dem Nachbargrundstück meine Gartenhütte beschädigen würde? Axel Sterk:
Grundsätzlich ist es so, dass bei Bäumen die Verkehrssicherungspflicht beim jeweiligen Grundstücksbesitzer liegt. Dies kann auch die öffentliche Hand (Stadt, Gemeinde) sein. Das bedeutet, dass dieser dafür Sorge zu tragen hat, dass durch diese Bäume keine Gefahren ausgehen. Es ist also notwendig, regelmäßig eine Zustandsprüfung der Bäume durchzuführen. Tut der Eigentümer dies nicht und entsteht dadurch ein Schaden, so wird er für diesen haftbar gemacht. Gleichgültig ist, ob es sich hierbei um einen privaten Grundstücksbesitzer oder um die öffentliche Hand handelt. Stellt beispielsweise der Halter eines Pkws sein Fahrzeug unter einem Baum ab, von welchem ein Ast abstürzt, bei dem keine ausreichende Qualitätskontrolle vorgenommen worden ist, muss der Besitzer des Baums für diesen Schaden aufkommen. Nicht jeder Schaden, der seitens eines Baumes verursacht wird, ist jedoch gleichbedeutend mit einem Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht. Bricht beispielsweise ein gesunder Ast ab und verletzt dadurch einen Menschen oder beschädigt eine Sache, so wird dies seitens der Gerichte als ein naturgegebenes Risiko eingestuft, welches hinzunehmen ist. Schadensersatzansprüche seitens der Geschädigten bestehen somit nicht. So sieht es auch der Bundesgerichtshof: Der Besitzer haftet nicht für Schäden, welche durch natürlichen Astbruch gesunder Bäume entstehen. Dies gilt auch für die zweite Frage, wenn ein Baum von einem Nachbargrundstück auf die Gartenhütte fällt. Es ist immer darauf abzustellen, ob eine ausreichende Kontrolle des Baums stattgefunden hat und ob es sich um einen gesunden Baum gehandelt hat. Bei einem vorgeschädigten Baum sind größere Anforderungen an die Kontrolle zu richten als bei einem gesunden Baum.
Wie verhält es sich, wenn ich auf einem öffentlichen Forstweg spazieren gehe und ein Ast fällt wegen Schneebruchs auf mich?
Das vorhin erwähnte naturgegebene Risiko gilt auch für Verletzungen, die man sich auf einem öffentlichen Forstweg durch den Wald zugezogen hat, wenn ein Ast wegen Schneebruchs auf einen Menschen stürzt. Es handelt sich hierbei um eine selbstverschuldete Gefährdung, da bei einem Spaziergang im Wald damit zu rechnen ist, dass bei vorangehendem, starken Schneefall ein Schneebruch stattfinden kann.
Nächster Fall: Ein Räumfahrzeug hat den Schnee so an ein am Straßenrand stehendes Auto geschoben, dass die Tür eingedellt ist. Wer haftet hier für den Schaden?
Ein Räumfahrzeug darf den Schnee nicht so räumen, dass Rechtsgüter Dritter beschädigt werden. Grundsätzlich muss das Schneeräumen so vorgenommen werden, dass die Gefahr für Schäden Dritter beziehungsweise von Sachen ausgeschlossen wird. Im Zweifel muss auf die Schneeräumung verzichtet werden. Sofern zuvor von demjenigen, der den Schnee zu räumen hat, darauf hingewiesen wurde, dass in einem bestimmten Zeitraum in diesem Bereich der Schnee geräumt wird, kann sich, sofern weiterhin Fahrzeuge in diesem Bereich abgestellt sind, ein Mitverschulden derjenigen ergeben, die dort ihre Fahrzeuge abgestellt haben.
Thema Dachlawinen: Wer haftet hier bei Verletzungen durch abgehenden Schnee?
Hier gilt, dass Hausbesitzer Dritte vor herabfallenden Dachlawinen schützen müssen. Das kann beispielsweise durch das Aufstellen von Warnschildern, die Absperrung von gefährdeten Flächen oder das Anbringen von Schneefanggittern erfolgen. In besonders schneereichen Orten bestehen häufig lokale Vorschriften, nach denen Gebäudeeigentümer Schneefanggitter anbringen müssen. Sind Schneefanggitter in einer Gemeinde allerdings nicht gesetzlich vorgeschrieben und auch sonstige Maßnahmen nicht angezeigt, sind Schäden durch Dachlawinen regelmäßig ein Fall höherer Gewalt, für den der Gebäudeeigentümer nicht haften muss. Etwas anderes gilt beispielsweise bei Eiszapfenbildung. Hier ist die Haftung schärfer geregelt. In den Straßenordnungen vieler Gemeinden gibt es Regelungen, wonach Eiszapfen und Schneeüberhänge zu beseitigen sind, wenn die Gefahr des Herabfallens in den öffentlichen Straßenraum besteht. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt, haftet dann für Schäden wegen Verletzungen eines Rechtsgutes.
Ein Fußgänger rutscht auf einem geräumten/gestreuten, beziehungsweise einem ungeräumten/ ungestreuten Gehweg aus und verletzt sich. Wie verhält es sich hier jeweils mit der Haftung?
Wenn man auf einem geräumten und gestreuten Gehweg ausrutscht, handelt es sich hierbei überwiegend um das allgemeine Risiko beim Benutzen von Gehwegen im Winter. Auf ungeräumten/ungestreuten Gehwegen trifft in der Regel den Verkehrssicherungspflichtigen, den Grundstückseigentümer oder den Träger der öffentlichen Straßenbaulast, die Haftung. Geräumt und gestreut werden muss jedoch nicht ständig. Bei normalem Schneefall ist es ausreichend, den Weg einmal zu räumen und zu streuen. Außergewöhnliche Verhältnisse erfordern außergewöhnliche Sorgfalt, unter Umstand häufigeres Streuen und regelmäßige Überprüfung.