Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wem die Stunde schlägt
Viele Wissenschaftler haben erkannt, dass wir Menschen permanent gegen unsere innere Uhr ankämpfen. Der Blick in morgendlich mit Leuten bestückte Busse und Bahnen untermauert den Wahrheitsgehalt dieser These unschwer. Haltegriffe, Haltestangen und andere Busbenutzer sind nicht nur zum Festhalten im öffentlichen Nahverkehr installiert, sondern auch, um im Stehen Schlafende möglichst vor dem Umfallen zu bewahren.
Morgenstund hat also nicht für alle Zeitgenossen Gold im Mund. Umso unverständlicher ist es, dass in früheren Zeiten, als Duelle noch eine weitverbreitete Art der persönlichen Auseinandersetzung waren, diese Gefechte gerne im Morgengrauen abgehalten wurden. In den Wintermonaten bedeutet das naturgemäß bessere Überlebenschancen für die Duellanten. Denn wer nichts sieht, trifft meistens auch nichts. Vom schwachen Licht einmal abgesehen, trägt eine ausgeprägte Schlaftrunkenheit wegen zu frühen Aufstehens natürlich auch nicht zur Treffsicherheit bei. In diesem Zusammenhang geht der Schuss also gleich in mehrfacher Hinsicht nach hinten los.
Dass die innere Uhr und das Ankämpfen gegen selbige letztendlich dafür gesorgt haben, dass sich die Menschen nicht mehr ständig duellieren, ist eine ziemlich gewagte These. Aber alles in die frühen Morgenstunden zu verlegen, um es letztendlich abzuschaffen, klingt romantisch – ist jedoch unrealistisch. Andererseits wird es schon seinen Grund haben, warum es den Begriff des Morgengrauens gibt. Von einem Abendgrauen hat jedenfalls noch nie jemand was gehört. (nyf )