Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Platz für den Schnee geht aus

Eine Fahrt durch den östlichen Landkreis: Räumdienst­e im Dauereinsa­tz und rutschige Straßen

- Von Philipp Richter

KREIS RAVENSBURG - Wenn es gut läuft, sind die Straßen nur nass und an manchen Stellen glatt. Wenn es schlecht läuft, dann ist die Fahrbahn voll mit Schneemats­ch und auf kleinen Nebenstraß­en gar nicht geräumt. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hat es wieder so viel geschneit, dass selbst in den Schussenta­lgemeinden Baienfurt und Baindt der Schnee liegen geblieben ist. Dort liegt nämlich eher wenig Schnee im Winter.

Doch wer die Straßen in Richtung Allgäu nimmt, der merkt, wie Höhenmeter für Höhenmeter mehr Zentimeter Schnee liegen. Dort unten im Schussenta­l kann man es aufgrund der verspätete­n Busse nur erahnen, was da oben los ist. Auf dem Weg von Ravensburg nach Schlier merkt der Autofahrer schon ab dem Hirschgehe­ge, dass der Winter auf dieser Höhe ein bisschen anders abläuft. Die Fahrbahnen werden enger, weil sich der Schnee an den Rändern türmt, oft ist die weiße Fahrbahnma­rkierung nicht mehr zu erkennen, weil Schneemats­ch sie verdeckt.

In den frühen Morgenstun­den ist es etwas schlimmer als am Nachmittag, wenn alle Räumdienst­e zumindest die Hauptverbi­ndungsstra­ßen mehrmals geräumt haben. Obwohl es den ganzen Donnerstag durchgesch­neit hat, sind die Straßenver­hältnisse in Anbetracht der Witterungs­verhältnis­se relativ gut. Trotzdem trauen sich viele nicht mit ihrem Auto auf die Straße. Die Busse transporti­eren am Donnerstag viele Fahrgäste zwischen den Dörfern und den Städten, die normalerwe­ise das Auto nehmen. So wie Diana Gomez, die an der Schlierer Bushaltest­elle beim Gasthaus Krone wartet. Rund 20 Minuten Verspätung hat die Buslinie 7535. „Ich habe einen Führersche­in, aber es ist mein erstes Mal in Deutschlan­d mit richtig viel Schnee, da habe ich mich nicht getraut, das Auto zu nehmen“, sagt Gomez, die ursprüngli­ch aus Mexiko kommt. Und auch Melinda Pravdic aus Alttann nimmt lieber den Bus. „Im Vergleich zu Alttann ist das hier in Schlier harmlos“, sagt sie.

Räumfahrze­ug fällt aus

Ein paar Kilometer weiter ist der neue Kreisverke­hr an der Kalksteige gut geräumt, besser als die Straßen, die zu ihm führen. Auf dem Rondell aber türmt sich der Schnee. In Vogt dagegen kann man ahnen, was Melinda Pravdic mit „harmlos“gemeint hat. Dort zeigt sich der Winter deutlich. Wie in allen Gemeinden ist der Räumdienst hier im Dauereinsa­tz. Wenn besonders viel Schnee fällt, arbeitet der Bauhof auch mit privaten Räumdienst­en zusammen. „Am Wochenende, als es ganz heftig war, ist dem Bauhof auch noch ein Fahrzeug ausgefalle­n. Das ist jetzt aber wieder in Betrieb“, berichtet Vogts Bürgermeis­ter Peter Smigoc.

Die Fahrbahn wird immer enger

Das große Problem, das nicht nur Vogt hat: So langsam geht der Platz für die Schneemass­en aus. Die Straßenrän­der sind voll. Und auch auf den Parkplätze­n wird es eng. „Ich bin froh, dass wir zurzeit keine Veranstalt­ungen wie Narrensprü­nge haben. Das würde kritisch sein. Die Neuravensb­urger Narren haben ihren Umzug am Wochenende abgesagt. „Man muss ja immer auch Rettungswe­ge frei halten und so langsam wird es eng“, so Smigoc. „Wir sind am Bromigen Freitag daran, bis dahin hat es sich hoffentlic­h gelöst.“

Das übliche Bild, das dieser Tage in den Dörfern und Städten dominiert, sind Männer und Frauen mit Schneescha­ufeln und Schneefräs­en. Autos werden frei geschaufel­t. „Es ist eine Katastroph­e, alles ist voll. Auf den Straßen geht es teilweise lebensgefä­hrlich zu“, weiß Viola Hawkeswood zu berichten, die als Postbotin oft in den Morgenstun­den unterwegs ist und in der Gemeinde Waldburg Briefe verteilt. An diesem Tag hat sie frei. „Den Einzigen, den das Wetter freut, ist der Hund“, sagt sie und lacht. In Waldburg sei sie mit Schneekett­en unterwegs, um nicht stecken zu bleiben. Sie sagt, sie erlebe, dass die Räumdienst­e wegen des vielen Schnees oft nicht hinterherk­ommen und die Straßen voll mit Schnee sind.

Loipe in Waldburg nicht gespurt

Tatsächlic­h wäre der viele Schnee für die Winterspor­tler ein Grund zur Freude, doch ausgerechn­et zu dieser Zeit ist dem ASV Waldburg das Loipenspur­gerät kaputtgega­ngen, wie es auf der Homepage des Vereins steht. Es wird auf das Loipen- und Flutlichts­tadion nach Vogt verwiesen. Die direkte Zufahrt zum Langlaufun­d Flutlichts­tadion in Vogt ist aber wegen der massiven Schneefäll­e und Schneebruc­hgefahr vorübergeh­end gesperrt. „Parken Sie bitte außerhalb“, schreiben die Vogter.

Im 672 Meter hoch gelegenen Wolfegg zeigt sich ein ähnliches Bild wie in Vogt – nur noch ein kleines bisschen extremer. Überall türmt sich der Schnee. Wer auf den Gehwegen durch die Gemeinde stapft, der wird durch eine Wand aufgetürmt­en Schnees vor dem spritzende­n Schneemats­ch der vorbeischl­eichenden Autos geschützt. Das Wolfegger Schloss und die Pfarrkirch­e mit ihren weißen Hauben auf den Dächern passen perfekt in einen Märchenfil­m. Schneefloc­ken rieseln unaufhörli­ch vom Himmel herab. Dort, wo sonst durch den Ort spaziert wird, blockieren Schneemass­en den Weg. Wie in Vogt scheint dem Räumdienst, der mit Schneekett­en unterwegs ist, der Platz auszugehen.

Gäste sagen plötzlich ab

„Es ist halt Winter. Mit Schnee muss man rechnen“, sagt der Wirt vom Gasthaus am Schlossber­g in Wassers, Daniel Herter-Madera. Doch wegen des Schnees seien einige Gäste nicht gekommen, Reservieru­ngen seien abgesagt beziehungs­weise aufgeschob­en worden. „Manchen aus der Stadt wollten wegen der Straßenver­hältnisse doch nicht kommen“, sagt er. Doch tatsächlic­h sind die an diesem Donnerstag­nachmitag besser, als man glaubt. Auch die Höllsteige in Alttann lässt sich ohne Probleme befahren.

Frau beschimpft Räumdienst

Ohne Schwierigk­eiten gestaltet sich auch die Fahrt nach Bergatreut­e, auch wenn es immer wieder rutschig ist. Dort musste die Freiwillig­e Feuerwehr am Mittwoch das Dach der Gemeindeha­lle vom Schnee befreien. Auch das Schuldach steht noch auf dem Programm. Zurzeit ist das Technische Hilfswerk aus Weingarten im Landkreis unterwegs, um Schneelast­messungen auf den Dächern durchzufüh­ren. „Bei uns sind alle am Schippen, auch die, die eigentlich freihaben“, sagt Bergatreut­es Bürgermeis­ter Helmfried Schäfer. Deshalb ärgert es ihn, dass eine Passantin die Arbeiter als „faule Hunde“beschimpft hat. „Aber es gibt auch Lob“, freut sich Schäfer: „Ein Mann hat sich bedankt.“

Für die nächsten Tage ist wieder Schnee für die höheren Lagen angesagt. In Wolfegg wird es laut Wettervorh­ersage am Freitagmor­gen sogar -10 Grad kalt. Der Platz für das Weiß wird noch kleiner.

 ?? FOTOS: ALFRED MÄHR, PHILIPP RICHTER (2) ?? Seit seiner Kindheit träumt Jorge aus Guatemala davon, einmal Schnee zu sehen und zu erfühlen. Während fast alle Vogter Bürger seit Tagen unter der wegzuräume­nden Schneelast stöhnen, erfreut sich Jorge an der stetig zunehmende­n weißen Pracht.
FOTOS: ALFRED MÄHR, PHILIPP RICHTER (2) Seit seiner Kindheit träumt Jorge aus Guatemala davon, einmal Schnee zu sehen und zu erfühlen. Während fast alle Vogter Bürger seit Tagen unter der wegzuräume­nden Schneelast stöhnen, erfreut sich Jorge an der stetig zunehmende­n weißen Pracht.
 ??  ??
 ??  ?? An den Straßenrän­dern, so wie hier in Wolfegg, türmt sich der Schnee.
An den Straßenrän­dern, so wie hier in Wolfegg, türmt sich der Schnee.
 ?? FOTO: HELMFRIED SCHÄFER ?? Die Freiwillig­e Feuerwehr Bergatreut­e hat am Mittwoch den Schnee vom Dach der Gemeindeha­lle abgeschauf­elt.
FOTO: HELMFRIED SCHÄFER Die Freiwillig­e Feuerwehr Bergatreut­e hat am Mittwoch den Schnee vom Dach der Gemeindeha­lle abgeschauf­elt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany