Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Platz für den Schnee geht aus
Eine Fahrt durch den östlichen Landkreis: Räumdienste im Dauereinsatz und rutschige Straßen
KREIS RAVENSBURG - Wenn es gut läuft, sind die Straßen nur nass und an manchen Stellen glatt. Wenn es schlecht läuft, dann ist die Fahrbahn voll mit Schneematsch und auf kleinen Nebenstraßen gar nicht geräumt. In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag hat es wieder so viel geschneit, dass selbst in den Schussentalgemeinden Baienfurt und Baindt der Schnee liegen geblieben ist. Dort liegt nämlich eher wenig Schnee im Winter.
Doch wer die Straßen in Richtung Allgäu nimmt, der merkt, wie Höhenmeter für Höhenmeter mehr Zentimeter Schnee liegen. Dort unten im Schussental kann man es aufgrund der verspäteten Busse nur erahnen, was da oben los ist. Auf dem Weg von Ravensburg nach Schlier merkt der Autofahrer schon ab dem Hirschgehege, dass der Winter auf dieser Höhe ein bisschen anders abläuft. Die Fahrbahnen werden enger, weil sich der Schnee an den Rändern türmt, oft ist die weiße Fahrbahnmarkierung nicht mehr zu erkennen, weil Schneematsch sie verdeckt.
In den frühen Morgenstunden ist es etwas schlimmer als am Nachmittag, wenn alle Räumdienste zumindest die Hauptverbindungsstraßen mehrmals geräumt haben. Obwohl es den ganzen Donnerstag durchgeschneit hat, sind die Straßenverhältnisse in Anbetracht der Witterungsverhältnisse relativ gut. Trotzdem trauen sich viele nicht mit ihrem Auto auf die Straße. Die Busse transportieren am Donnerstag viele Fahrgäste zwischen den Dörfern und den Städten, die normalerweise das Auto nehmen. So wie Diana Gomez, die an der Schlierer Bushaltestelle beim Gasthaus Krone wartet. Rund 20 Minuten Verspätung hat die Buslinie 7535. „Ich habe einen Führerschein, aber es ist mein erstes Mal in Deutschland mit richtig viel Schnee, da habe ich mich nicht getraut, das Auto zu nehmen“, sagt Gomez, die ursprünglich aus Mexiko kommt. Und auch Melinda Pravdic aus Alttann nimmt lieber den Bus. „Im Vergleich zu Alttann ist das hier in Schlier harmlos“, sagt sie.
Räumfahrzeug fällt aus
Ein paar Kilometer weiter ist der neue Kreisverkehr an der Kalksteige gut geräumt, besser als die Straßen, die zu ihm führen. Auf dem Rondell aber türmt sich der Schnee. In Vogt dagegen kann man ahnen, was Melinda Pravdic mit „harmlos“gemeint hat. Dort zeigt sich der Winter deutlich. Wie in allen Gemeinden ist der Räumdienst hier im Dauereinsatz. Wenn besonders viel Schnee fällt, arbeitet der Bauhof auch mit privaten Räumdiensten zusammen. „Am Wochenende, als es ganz heftig war, ist dem Bauhof auch noch ein Fahrzeug ausgefallen. Das ist jetzt aber wieder in Betrieb“, berichtet Vogts Bürgermeister Peter Smigoc.
Die Fahrbahn wird immer enger
Das große Problem, das nicht nur Vogt hat: So langsam geht der Platz für die Schneemassen aus. Die Straßenränder sind voll. Und auch auf den Parkplätzen wird es eng. „Ich bin froh, dass wir zurzeit keine Veranstaltungen wie Narrensprünge haben. Das würde kritisch sein. Die Neuravensburger Narren haben ihren Umzug am Wochenende abgesagt. „Man muss ja immer auch Rettungswege frei halten und so langsam wird es eng“, so Smigoc. „Wir sind am Bromigen Freitag daran, bis dahin hat es sich hoffentlich gelöst.“
Das übliche Bild, das dieser Tage in den Dörfern und Städten dominiert, sind Männer und Frauen mit Schneeschaufeln und Schneefräsen. Autos werden frei geschaufelt. „Es ist eine Katastrophe, alles ist voll. Auf den Straßen geht es teilweise lebensgefährlich zu“, weiß Viola Hawkeswood zu berichten, die als Postbotin oft in den Morgenstunden unterwegs ist und in der Gemeinde Waldburg Briefe verteilt. An diesem Tag hat sie frei. „Den Einzigen, den das Wetter freut, ist der Hund“, sagt sie und lacht. In Waldburg sei sie mit Schneeketten unterwegs, um nicht stecken zu bleiben. Sie sagt, sie erlebe, dass die Räumdienste wegen des vielen Schnees oft nicht hinterherkommen und die Straßen voll mit Schnee sind.
Loipe in Waldburg nicht gespurt
Tatsächlich wäre der viele Schnee für die Wintersportler ein Grund zur Freude, doch ausgerechnet zu dieser Zeit ist dem ASV Waldburg das Loipenspurgerät kaputtgegangen, wie es auf der Homepage des Vereins steht. Es wird auf das Loipen- und Flutlichtstadion nach Vogt verwiesen. Die direkte Zufahrt zum Langlaufund Flutlichtstadion in Vogt ist aber wegen der massiven Schneefälle und Schneebruchgefahr vorübergehend gesperrt. „Parken Sie bitte außerhalb“, schreiben die Vogter.
Im 672 Meter hoch gelegenen Wolfegg zeigt sich ein ähnliches Bild wie in Vogt – nur noch ein kleines bisschen extremer. Überall türmt sich der Schnee. Wer auf den Gehwegen durch die Gemeinde stapft, der wird durch eine Wand aufgetürmten Schnees vor dem spritzenden Schneematsch der vorbeischleichenden Autos geschützt. Das Wolfegger Schloss und die Pfarrkirche mit ihren weißen Hauben auf den Dächern passen perfekt in einen Märchenfilm. Schneeflocken rieseln unaufhörlich vom Himmel herab. Dort, wo sonst durch den Ort spaziert wird, blockieren Schneemassen den Weg. Wie in Vogt scheint dem Räumdienst, der mit Schneeketten unterwegs ist, der Platz auszugehen.
Gäste sagen plötzlich ab
„Es ist halt Winter. Mit Schnee muss man rechnen“, sagt der Wirt vom Gasthaus am Schlossberg in Wassers, Daniel Herter-Madera. Doch wegen des Schnees seien einige Gäste nicht gekommen, Reservierungen seien abgesagt beziehungsweise aufgeschoben worden. „Manchen aus der Stadt wollten wegen der Straßenverhältnisse doch nicht kommen“, sagt er. Doch tatsächlich sind die an diesem Donnerstagnachmitag besser, als man glaubt. Auch die Höllsteige in Alttann lässt sich ohne Probleme befahren.
Frau beschimpft Räumdienst
Ohne Schwierigkeiten gestaltet sich auch die Fahrt nach Bergatreute, auch wenn es immer wieder rutschig ist. Dort musste die Freiwillige Feuerwehr am Mittwoch das Dach der Gemeindehalle vom Schnee befreien. Auch das Schuldach steht noch auf dem Programm. Zurzeit ist das Technische Hilfswerk aus Weingarten im Landkreis unterwegs, um Schneelastmessungen auf den Dächern durchzuführen. „Bei uns sind alle am Schippen, auch die, die eigentlich freihaben“, sagt Bergatreutes Bürgermeister Helmfried Schäfer. Deshalb ärgert es ihn, dass eine Passantin die Arbeiter als „faule Hunde“beschimpft hat. „Aber es gibt auch Lob“, freut sich Schäfer: „Ein Mann hat sich bedankt.“
Für die nächsten Tage ist wieder Schnee für die höheren Lagen angesagt. In Wolfegg wird es laut Wettervorhersage am Freitagmorgen sogar -10 Grad kalt. Der Platz für das Weiß wird noch kleiner.