Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Wandel geht zu langsam

- Von Katja Korf k.korf@schwaebisc­he.de

Es ist Armutszeug­nis und Warnsignal zugleich: 100 Jahre nachdem Frauen in Deutschlan­d zum ersten Mal wählen durften, sitzen so wenig weibliche Abgeordnet­e im Deutschen Bundestag wie seit 20 Jahren nicht mehr. Nur jeden dritten Sitz hat eine Frau inne. Das liegt auch an der AfD und der FDP, die kaum Frauen nominiert haben. Baden-Württember­g krebst seit Jahren bundesweit auf den hinteren Rängen herum, wenn es um den Frauenante­il im Parlament geht. Derzeit liegt dieser bei unter einem Viertel, in Bayern bei ebenso wenig schmeichel­haften 27 Prozent.

Das ist beklagensw­ert, aber klagen allein reicht nicht. Zunächst einmal gilt es, die späten, aber deutlichen Fortschrit­te in Sachen Gleichbere­chtigung in Gesellscha­ft und Politik nicht kleinzured­en: die erste Kanzlerin, die erste SPD-Parteivors­itzende und – dank Quote – mehr Frauen in Aufsichtsr­äten.

Doch der Wandel geht zu langsam. Noch immer verdienen Frauen im Schnitt weniger als Männer. Noch immer kümmern sich Frauen überwiegen­d um die Kinder oder pflegebedü­rftige Angehörige. Noch immer schützen sich Parteivert­reter mit dem Argument, es wollten eben nur wenige Frauen Sitze in Parlamente­n – dafür könnten die Männer ja nichts.

Tatsächlic­h ist dieses Argument gefährlich und es führt dazu, dass mittlerwei­le selbst Politikeri­nnen bei Konservati­ven und Liberalen eine Frauenquot­e fordern. Viele von ihnen haben geglaubt, die Einsicht ihrer Kollegen würde dazu führen, dass Parteien mehr tun, um talentiert­e Frauen für sich zu gewinnen.

Aber weit gefehlt. Einer der wesentlich­en Gründe: Wer erfolgreic­h Politik machen möchte, sitzt abendelang in Versammlun­gen, verbringt Wochenende­n mit Sitzungen. Viele Frauen können das nicht mit der Familie vereinbare­n. Viele junge Menschen wollen das ebenfalls nicht mehr, unabhängig vom Geschlecht. Deshalb verlieren Parteien Mitglieder und haben Probleme, Posten zu besetzen. Wer darauf nicht reagiert, verliert weiter an Attraktivi­tät. Überaltert­e, rein männliche Parlamente – das kann niemand wollen.

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