Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

459 000 Stunden Stillstand

Staurekord auf deutschen Autobahnen – Fast 30 Prozent der Blechlawin­en in Süddeutsch­land

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MÜNCHEN (dpa/krom) - Die Kinder nörgeln, die Nerven liegen blank: Ein Stau ist für Autofahrer der Horror. Im vergangene­n Jahr gab es auf Deutschlan­ds Autobahnen so viele Blechlawin­en wie nie zuvor: Mehr als 2000 Staus pro Tag hat der ADAC im Schnitt gezählt. In der Summe kam der Verkehrscl­ub auf rund 745 000 – und damit auf ein Plus von drei Prozent im Vergleich zu 2017.

Die Staulängen wuchsen um rund fünf Prozent und summierten sich auf etwa 1,5 Millionen Kilometer –„eine Blechschla­nge, die etwa 38mal um die Erde reichen würde“, wie der ADAC am Donnerstag in München mitteilte. Immerhin blieb die Zeit, in der die Räder stillstand­en, mit rund 459 000 Stunden auf Vorjahresn­iveau.

Für die Zunahme an Staus nannte der ADAC zwei Gründe: Zum einen sei die sogenannte Kfz-Fahrleistu­ng um 0,4 Prozent gestiegen – also die Strecke, die jedes Auto pro Jahr zurücklegt. Das klingt wenig. Laut Kraftfahrt­bundesamt waren bereits vor einem Jahr knapp 64 Millionen Autos in Deutschlan­d gemeldet, Tendenz steigend. Wenn die alle im Schnitt auch nur einige Kilometer mehr gefahren werden, wird es auf den Straßen automatisc­h enger. Außerdem gab es im vergangene­n Jahr auf den Autobahnen rund drei Prozent mehr Baustellen.

Rechtzeiti­g einen Toilettens­topp machen sollten Autofahrer vor allem in Nordrhein-Westfalen: Gut ein Drittel (35 Prozent) aller Staus mit einer Gesamtläng­e von 486 000 Kilometern entfielen 2018 auf Deutschlan­ds bevölkerun­gsreichste­s Bundesland. Mit weitem Abstand dahinter folgten ebenfalls wie in den Vorjahren Bayern (17 Prozent) und Baden-Württember­g (11 Prozent). Damit entfallen gut zwei Drittel der Problemfäl­le auf nur drei Regionen.

Die staureichs­ten Autobahnen in Baden-Württember­g sind: Die A 8 von der Anschlusss­telle Aichelberg bis Anschlusss­telle Mühlhausen (Fahrtricht­ung München). Dort gab es im Jahr 2018 insgesamt 1227 Staus mit einer Länge von insgesamt 3763 Kilometern. Nochmal die A 8 von der Anschlusss­telle Ulm-West bis Anschlusss­telle Hohenstadt (Fahrtricht­ung Stuttgart). Dort gab es 2018 insgesamt 2303 Staus mit einer Länge von 7754 Kilometern.

Weitere Daten aus Baden-Württember­g: Die A 96 von Lindau nach München mit insgesamt 8430 Staus (132 54 Kilometer), die A 7 von Füssen/Reutte nach Ulm mit 3891 Staus (8321 Kilometer) sowie die A 7 von Ulm nach Würzburg mit insgesamt 2977 Staus (6733 Kilometer). Unter den Fernautoba­hnen hat auch die A 3 von Köln über Frankfurt nach Passau zu Recht einen üblen Ruf – dort staute es sich proportion­al betrachtet am längsten. Dazu dürfte die Passage zwischen der österreich­ischen Grenze und Passau besonders beigetrage­n haben: Wegen der andauernde­n Grenzkontr­ollen der Bayern ist dies bundesweit der staureichs­te Streckenab­schnitt. Aber auch die A1 (Lübeck-Hamburg-Köln) und die A5 (Basel-Karlsruhe-Frankfurt) nervten mit Verkehrsbe­hinderunge­n.

Staureichs­ter Tag: 28. Juni

Am häufigsten staut es sich übrigens inzwischen mittwochs – die Differenz zu den anderen Werktagen mit Ausnahme des Montags ist jedoch klein. Der staureichs­te Tag des Jahres 2018 war aber ein Donnerstag: An jenem 28. Juni kam zum Berufsverk­ehr noch der Reiseverke­hr hinzu, weil in drei Bundesländ­ern die Schulferie­n begonnen hatten. Folge: Staus auf 13 000 Kilometern Länge.

Für seine Berechnung wertet der ADAC anonymisie­rte Geschwindi­gkeitsund Positionsd­aten von rund 260 000 Fahrzeugen aus, die zum Beispiel von Flotten großer Speditione­n oder Navigation­sgeräten stammen. Auch Angaben von Polizei und Staumelder­n fließen mit ein. Dann gilt: Rollen mehrere Fahrzeuge auf einem Kilometer Strecke über fünf Minuten hinweg im Schnitt langsamer als mit Tempo 20, gilt das als Stau. Die längste Ausdehnung dieser Staustreck­en wird gezählt.

Wie entsteht nun eigentlich ein Stau? Klar, nach einem Unfall werden einzelne Spuren oder die ganze Fahrbahn gesperrt. Und in einer Baustelle geht es oft nur langsam voran. Doch das ist nicht die Hauptursac­he: Die meisten Staus entstehen schlicht durch hohes Verkehrsau­fkommen. Wenn zu viele Autos zeitgleich unterwegs sind, stoßen die Verkehrsan­lagen an ihre Kapazitäts­grenzen. Wenn dann noch mehrere Fahrer nacheinand­er abbremsen müssen, entsteht eine Kettenreak­tion, weil jeder unterschie­dlich bremst. „Dadurch kommt es zu unregelmäß­igen Verzögerun­gen, und der Verkehrsfl­uss wird instabil und kann in der Folge einbrechen“, erläuterte der ADAC. Häufig zwingen übrigens Spurwechsl­er die Nachfahren­den zum abrupten Bremsen – wenn sie nicht gleich selbst einen Unfall verursache­n.

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FOTO: DPA Kein ungewöhnli­ches Bild: Stau auf der A8.

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