Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Faible für Hebel
Heute wird es hier ausnahmsweise etwas persönlicher. Mit mir sei bei der letzten wohl der Südbadener durchgegangen, bemerkte ein Freund lachend. In der Tat hatte es sich da um typisch südbadische Laute gedreht, unter anderem in Johann Peter Hebels „Alemannischen Gedichten“. Und bei Hebel kommen Südschwarzwälder gerne ins Schwärmen. Was sich aber begründen lässt.
Nun hat der Name des 1760 geborenen Schriftstellers und Theologen Hebel aus dem Wiesental auch in schwäbischen Landen einen sehr guten Klang. Nicht umsonst nannte die Unsere Sprache ist immer im Fluss. Wörter kommen, Wörter gehen, Bedeutungen und Schreibweisen verändern sich. Jeden Freitag greifen wir hier solche Fragen auf.
Stadt Tuttlingen ihren Ehrenpreis
Kannitverstan. Damit erinnert sie an jene Kalendergeschichte um einen Tuttlinger Handwerksburschen, der in Amsterdam auf seine deutschen Fragen immer mit einem holländischen Kannitverstan beschieden wird – und das gründlich missversteht. Die mit Augenzwinkern erzählte Parabel über die Vergänglichkeit alles Irdischen hat bis heute nichts von ihrem Charme verloren. Ministerpräsident Kretschmann war das Thema Dialekt unlängst eine Tagung wert. Hebel aber, einst der erste Prälat der Lutherischen Landeskirche Badens, gilt als Garant für eine tiefere Dimension des Dialektes.
Dafür gibt es einen ganz besonderen Gewährsmann: Goethe. Der Dichterfürst – ansonsten eher für eine gewisse Überheblichkeit gegenüber Kollegen bekannt – war voll des Lobes über Hebels „Alemannische Gedichte“, weil er dessen Talent für das Verbinden von Volkstümlichem mit Geistvollem erkannt hatte. Er verfasste sogar eine Rezension dieser Sammlung. Darin stand: „Hebel hat auf die naivste, anmutigste Weise durchaus das Universum verbauert.“Und dieses
war überhaupt nicht abwertend gemeint. Bei einem Treffen mit Hebel im Oktober 1825 ließ sich der Herr Geheimrat aus den „Alemannischen Gedichten“vortragen und urteilte später über ihn, er sei „ein ganz trefflicher Mann“. Goethe wehrte sich auch gegen Bestrebungen, Hebels Gedichte zu übersetzen: „Einen solchen Dichter muss man im Original lesen!“Und wenn man das nicht könne, dann müsse man halt diese Sprache lernen. Was Hebel natürlich in höchstem Maß erfreute. Er fühle einen unbändigen Stolz, so schrieb er, dass es ihm gelungen sei, „unsere sonst so verachtete und lächerlich gemachte Sprache classisch zu machen, und ihr eine solche Celebrität zu ersingen“. Also gab es damals schon Spötter – aber auch Verteidiger des Dialekts. Daraus resultiert für uns Heutige eine Erkenntnis: Der Dialekt ist all unsere Sympathie wert – gerade weil er in der Defensive steckt.
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r.waldvogel@schwaebische.de