Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schlier geht neue Energiewege
Baugebiet in Unterankenreute soll klimaneutral und energieautark werden
SCHLIER - Ganz neue Wege will die Gemeinde Schlier in ihrem geplanten Baugebiet „am Bergle“in Unterankenreute gehen. Das gesamte Areal mit 37 Bauplätzen könnte sich sowohl mit Wärme als auch mit Strom selbst versorgen. Umfangreiche Untersuchungen dazu lagen dem Gemeinderat vor. Ein einstimmiger Beschluss brachte die Planungen zu einem innovativen Quartierskonzept auf den Weg.
Viel Ausdauer musste der Gemeinderat haben. Die detaillierte und umfangreiche Präsentation, die sowohl das Büro Schäffler Sinnogy aus Freiburg als auch das Planungsbüro Roland Reiter aus Weingarten präsentierten, erforderten Konzentration und viel Zeit. Beide Büros hatten im Auftrag der Gemeinde Untersuchungen angestellt, wie man das neue Baugebiet in Unterankenreute, in dem auf 37 Bauplätzen Ein- und Mehrfamilienhäuser entstehen sollen, mit einem neuen Quartierkonzept zur energetischen Versorgung entwickeln kann.
Mehrere Varianten vorgestellt
Vorgestellt wurden zwei Privatmodelle, bei denen der zukünftige Hauseigentümer sich selbst um die Versorgung kümmert, zum einen mit Luft-Wasser-Wärmepumpen, Ladepunken für die E-Mobilität, aber ohne Photovoltaik, zum anderen mit einer Sole-Wasser-Wärmepumpe mit Erdsonden, Ladepunkten und mit Photovoltaik. Diesen Standardlösungen wurden zwei Varianten gegenübergestellt, die für die Versorgung eine Quartierslösung vorschlugen. Hier macht die Kommune alle Vorgaben und ein Energiedienstleister übernimmt die gesamte Versorgung und Betreuung. Dabei sollen flächendeckend Photovoltaikanlagen für die Stromversorgung und ein kaltes Nahwärmenetz mit Erdsondenfeldern eingesetzt werden.
Diese möglichen Konzepte wurden anhand von vier Zielen bewertet. Eine vollständige Wärmeversorgung sollte kostengünstig mit langfristig stabilen Energiepreisen, unabhängig von Gas- und Ölpreis, ohne Verbrennung von fossilen Brennstoffen klimaneutral und mit möglicher Bürgerbeteiligung partizipativ und transparent sein. Die Vorteile dieser Quartierslösung gegenüber Einzelplanungen der Bauherren sind nach den Untersuchungen vielfältig, allerdings kann der Bauherr dann nicht mehr selbst bestimmen, welche energetische Lösung er für sein Eigenheim wählt. Planung, Installation, Versorgung, Überwachung und eventuell auftretende Störungen liegen in einer Hand des beauftragten Energiedienstleisters.
„Ein Nahwärmenetz, so wie es Variante eins und zwei vorsehen, wird voraussichtlich mit bis zu 65 Prozent gefördert und ist damit mit Abstand für die Bewohner am wirtschaftlichsten“, sagte Harald Schäffler. Dieses spezielle Förderprogramm des Bundes bekommen einzelne Bauherren nicht, antragsberechtigt sind nur Unternehmen, kommunale Zweckverbände, Landkreise, Städte und Kommunen. Schäffler wies auch darauf hin, dass sich die Kosten- und Erlösfaktoren im Stromsektor im Hinblick auf die EEG-Vergütung und Umlage, die Steuern und Abgaben in den kommenden Jahren fundamental ändern werden.
„Wir können eigentlich nicht sagen, wie die Förderstruktur 2020 aussieht“, so Schäffler zu den Berechnungen. „Aber wir wollten eine Richtungsentscheidung ermöglichen“, ergänzte er. Untersuchungen des Untergrundes mit Bohrung auf 150 Meter Tiefe haben ebenfalls schon stattgefunden. „Der Boden ist gut für die Erdwärmegewinnung“, erklärte Konrad Hillebrand vom Büro Reiter, der die Ergebnisse präsentierte.
Lob für die Quartierslösung
Schliers Bürgermeisterin Katja Liebmann, die schon zu Beginn der Sitzung auf die Verantwortung hingewiesen hatte, wie wichtig eine nachhaltige und städtebauliche Entwicklung im Hinblick auf den Klimaschutz sei, zeigte sich sehr angetan von der Präsentation und gab ihr Statement für die Quartierslösung ab. „Ein sehr innovativer Ansatz“, lobte auch Gemeinderat Marcus Hörenberg, der sich ebenfalls für die Quartierlösung plus Bürgerbeteiligung aussprach. „Ich möchte die Fördermöglichkeit gesichert wissen“, so Guido Deuringer, der bemerkte, dass man gerne Erfahrungen mit dieser Areallösung zur Kenntnis hätte.
„Wir haben noch gar nicht den sozialen Aspekt erwähnt“, warf Ulrich Jassniger ein. Aktuell denke man nur daran, selber zu bauen. „Aber will ich mich mit 75 noch um die kaputte Wärmepumpe kümmern?“, fragte er. „Wir bekommen mit dieser Lösung Lebensqualität ins Quartier“, meinte er im Hinblick darauf, dass sich bei Problemen in der Versorgung nicht der Hauseigentümer selbst darum kümmern müsse. Einstimmig wurde daraufhin beschlossen, die Planung der Quartierslösung weiterzuverfolgen und die beiden Planungsbüros damit zu beauftragen.