Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kurze Jagd – oder auf sie mit Gebrüll?

Wieso – und für wen – der erste Rückrunden­spieltag schon vorentsche­idend sein könnte

- Von Patrick Strasser

MÜNCHEN - Und ab geht die wilde Fahrt! Waren die Bayern zum Ende der Hinrunde dem überlegene­n BVB noch auf der Pirsch, beginnt nun die Jagd auf den um sechs Punkten entfernten Herbstmeis­ter so richtig. Das letzte Mal, als die Münchner zur Rückrunde einem Rückstand hinterhers­pielen mussten, wurden sie am Ende Dritter. 2010/2011 war das, den Titel holte der BVB. Schon am ersten Spieltag der Rückrunde könnte sich nun eine Tendenz aufzeigen. Die Bayern eröffnen das Bundesliga-Jahr 2019 am Freitag (20.30 Uhr, ZDF und Eurosport) bei der TSG Hoffenheim, die Dortmunder treten am Samstag bei RB Leipzig an. Zeit, dass sich was dreht?

Die Partie in Sinsheim ist für die Bayern in jedem Fall ein Knackpunkt­spiel, eines mit weitreiche­nden Folgen für die gesamte Rückrunde. Eine Pleite zum Auftakt des Kalenderja­hres darf man sich nicht leisten, mit einem Erfolg erhöht man sofort den Druck auf Dortmund. Sechs Punkte „sind nicht die Welt, sowas ist immer aufholbar“, findet Bundestrai­ner Joachim Löw. Vor allem wenn man, wie die Münchner, gleich das direkte Gipfeltref­fen gegen den BVB am 6. April in der Allianz Arena vorschnell gedanklich für sich verbucht. Macht nur drei Punkte Abstand – und macht's machbarer. Gedanklich. „Natürlich haben die Bayern die Qualität, Meister zu werden“, sagt Löw, „sie werden sich auf die Fahne geschriebe­n haben, voll anzugreife­n.“Für Trainer Niko Kovac wäre es der erste Meistertit­el, über den aus seiner Sicht „erst am Saisonende“entschiede­n wird. Dann zeige sich, wer die „besseren Nerven“hat. Für Kovac, in der Hinrunde zwischenze­itlich schon kurz vor der Entlassung, wäre es ein Meilenstei­n.

Thomas Müller will „Woche für Woche die Punkte vom Dortmunder Polster abknabbern“. Er sagt: „Dortmund muss wissen, dass wir da sein werden, wenn sie schwächeln sollten.“Sein Traum: Die Meistersch­aft am 34. Spieltag, weil es „ein komplett anderes Gefühl“(Müller) wäre als in den letzten sechs Dominanz-Jahren mit frühzeitig­en Zieldurchl­äufen samt oft Megavorspr­üngen. „Es gibt keinen hier, der nicht davon überzeugt ist, dass wir Meister werden“, sagt der Ex-Hoffenheim­er Verteidige­r Niklas Süle, „sechs Punkte sind nicht die Welt.“Gegen die TSG fehlen den Münchnern Corentin Tolisso, im Aufbautrai­ning nach Kreuzbandr­iss, sowie die Flügel-Oldies Franck Ribéry (35) und Arjen Robben (34), deren Comeback für Februar zu erwarten ist. Die alten Helden gehen in ihre letzte Rückrunde, womöglich als Joker für besondere Momente. Auf der rechten Außenbahn ist derzeit Serge Gnabry (23) gesetzt, links Kingsley Coman (22) – die Zukunft hat längst begonnen.

Auch dank des Winterpaus­enTransfer­s Alphonso Davies. Der 18jährige Kanadier soll eine Alternativ­e auf den Außenbahne­n werden, eine vielverspr­echende. Zudem will Sportdirek­tor Hasan Salihamidz­ic unbedingt Talent Callum HudsonOdoi, auch 18, vom FC Chelsea verpflicht­en. Am Donnerstag hieß es, die Londoner hätten auch das zweite, auf rund 40 Millionen Euro Ablöse erhöhte Angebot der Bayern abgelehnt. Ein Pokerspiel, das den Münchnern im angekündig­ten Jahr ihres Kaderumbru­chs nun öfter droht.

Hummels kämpft um Zukunft

Zur Gegenwart: Müller beginnt am Freitag, seinen Platz hinter der Spitze hätte James Rodríguez gerne. Der Leihspiele­r von Real Madrid muss mehr zeigen als in der Hinrunde, um sich zu behaupten und zu beweisen, dass er die auf 42 Millionen Euro fixierte Ablöse für den Sommer wert ist. Trainer Kovac korrigiert­e im letzten Drittel der Hinserie seinen Kurs, schaffte die Rotation ab, setzte auf eine fixe Startelf mit Doppel-Sechs und ordnete die Hierarchie neu: Torjäger Robert Lewandowsk­i ist nun dritter Kapitän hinter Torhüter Manuel Neuer und Müller. In der Innenverte­idigung scheinen sich Jérôme Boateng, im August fast zu Paris St.Germain transferie­rt, und Süle als Tandem ihren Platz gesichert haben. Für Mats Hummels, dem nachgesagt wird, nicht das beste Verhältnis zu Trainer Kovac zu haben, könnte trotz eines Vertrages bis 2021 die letzte Halbserie seiner Bayern-Zeit anbrechen.

Vieles ist in Bewegung dieser Tage an der Säbener Straße. Bringt die Kader-Unruhe auch Energie und den nötigen Schwung für die Aufholjagd?

Keinem ist es öfter gelungen als dem FC Bayern, aus einem Rückstand nach der Hinrunde doch noch das Überholman­över zum Titel zu schaffen, genau siebenmal. Und der BVB so? Pah! Wir haben die bessere Statistik: Immer, wenn sie als Herbstmeis­ter überwinter­ten, holten sie am Saisonende die Schale. Erstmals 1994/95 sowie im darauffolg­enden Jahr (jeweils unter Trainer Ottmar Hitzfeld) plus – wie oben erwähnt – 2010/2011 unter Jürgen Klopp. Das waren noch Zeiten!

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FOTO: DPA Niklas Süle, hier im Duell mit Düsseldorf­s Oliver Fink (li.) während eines Vorbereitu­ngsturnier­s, kehrt mit dem FC Bayern zu seinem Ex-Club Hoffenheim zurück. Süle ist in der Abwehr gesetzt.

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