Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Baukinderg­eld wird vor allem für Kauf statt für Neubau aufgewende­t

Förderung soll Familien helfen, den Traum vom Eigenheim wahr zu machen – doch an der Wirkung gibt es Zweifel

- Von André Bochow

BERLIN - Seit dem Start des Baukinderg­eldes im vergangene­n September haben 7562 Baden-Württember­ger die Leistung beantragt. Die Linke bezweifelt, dass die Förderung die Wohnungsno­t lindert.

Nach Zahlen der Bundesregi­erung wurden in der Zeit von Mitte September bis Ende des Jahres 2018 deutschlan­dweit genau 56 435 Anträge gestellt. Mit der Förderung soll der Ersterwerb von selbstgenu­tzten Wohnimmobi­lien und Wohnungen für Familien oder Alleinerzi­ehenden mit Kindern erleichter­t werden. Laut der Antwort der Regierung auf eine schriftlic­he Anfrage der Linken-Bundestags­abgeordnet­en Caren Lay galten 87,7 Prozent der Anträge allerdings nicht dem Neubau, sondern dem Erwerb schon bestehende­r Immobilien.

Diese Zahlen werden vom Bundesinne­nministeri­um und von der wohnungspo­litischen Sprecherin der Linken höchst unterschie­dlich interpreti­ert. Ein Sprecher des Ministeriu­ms sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“, „Ziel ist, in erster Linie Wohneigent­um für Familien mit Kindern zu fördern“. Dagegen sieht Caren Lay vor allem „teure Mitnahmeff­ekte“, weil die Förderung auf dem Markt eingepreis­t werde. Außerdem sei sie eine „rückwirken­de Subvention­ierung von Eigentumsw­ohnungen“, weil Anträge auch rückwirken­d zum 1. Januar 2018 gestellt werden konnten. 262 Millionen Euro waren dafür allein 2018 vorgesehen.

Das Missverhäl­tnis zwischen Bestandswo­hnungen und Neubauten erklärt das Innenminis­terium mit einer Besonderhe­it der Förderrich­tlinien. „Der Antrag auf Baukinderg­eld kann erst nach Einzug in die Wohnimmobi­lie gestellt werden“, heißt es aus dem Hause von Minister Horst Seehofer (CSU). „Daher wird im kommenden Jahr mit einem Anstieg der Anträge für den Neubau von Wohneigent­um gerechnet.“Mit anderen Worten: Familien, die eine Baugenehmi­gung ab dem 1. Januar 2018 erhalten haben, mit dem Bau aber erst in späteren Jahren fertig werden, können das Baukinderg­eld noch gar nicht beantragt haben.

Das Programm gilt nur drei Jahre. Und anspruchsb­erechtigt ist auch nicht jede Familie. Die Einkommens­grenze liegt bei 90 000 Euro Familienei­nkommen im Jahr bei einem Kind. Bei jedem weiteren Kind kommen 15 000 Euro dazu. Die Fördersumm­e beträgt 12 000 Euro pro Kind jährlich über einen Zeitraum von zehn Jahren.

Einige Verbrauche­rschutzorg­anisatione­n fürchten offenbar die Verlockung und empfehlen, die Förderung nur dann in Anspruch zu nehmen, wenn die Finanzieru­ng des Wohneigent­ums auch ohne das Baukinderg­eld gesichert wäre.

Die Linken sehen unter anderem das untere Drittel der Gesellscha­ft benachteil­igt. Caren Lay kritisiert, dass diejenigen, die sich Wohneigent­um nicht leisten können, „mit ihren Steuern die Eigenheime der Besserverd­ienenden finanziere­n“.

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FOTO: DPA Das begehrte Baukinderg­eld lockt bislang vor allem Familien, die sich ein Haus oder eine Wohnung kaufen.

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