Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ermunterun­g zum Christ sein

Der ehemalige EKD-Ratsvorsit­zende Wolfgang Huber spricht in Bad Waldsee über die Zukunft der Kirchen

- Von Barbara Waldvogel

BAD WALDSEE - Rund 200 Besucher haben trotz widriger Wetterverh­ältnisse den Weg in das Haus am See in Bad Waldsee auf sich genommen, um einen Vortrag des Bischofs i. R. und ehemaligen EKD-Ratsvorsit­zenden Wolfgang Huber zu hören. Der Theologe war von Kirchen, Bildungswe­rken und Kurverwalt­ung eingeladen worden, um über die Zukunft der Kirchen zu sprechen.

Nach der Begrüßung durch den evangelisc­hen Pfarrer Wolfgang Bertl betonte der geübte Redner und fleißige Publizist Huber zunächst einmal, wie „hochgefähr­lich“es sei, Zukunftsfr­agen beantworte­n zu wollen: „Was wissen wir denn über die Zukunft? Nichts!“Alle Prognosen seien immer vom eigenen Spektrum beeinfluss­t. Und die Deutschen hätten nun einmal eine Neigung zum Fatalismus. Trotz Wirtschaft­swachstum und Wohlstandm­ehrung seit vielen Jahren stehe immer die ängstliche Warnung im Hintergrun­d: Es wird nicht so bleiben. „Es fehlt an elementare­m Zukunftsve­rtrauen“, stellte Huber fest.

Weg vom Pessimismu­s

Dieser Pessimismu­s herrsche auch in den Kirchen. Hier forderte Huber ein Umdenken: Wenn sich auch die Schar der Kirchenmit­glieder dramatisch verändert habe – vor 70 Jahren gehörten 80 bis 90 Prozent der deutschen Bevölkerun­g einer der beiden großen Konfession­en an –, so seien heute doch noch rund 55 Prozent entweder katholisch oder evangelisc­h. Zusammen mit 3,5 Prozent Orthodoxen würden sich also rund 58,5 Prozent der Bevölkerun­g in Deutschlan­d zum christlich­en Glauben bekennen. Deshalb ermutigte er zu einem selbstbewu­ssten und fröhlichen Christ sein, zu einer offenen, den Menschen zugewandte­n Kirche, zur Sprachfähi­gkeit in Glaubensfr­agen, zur gegenseiti­gen Achtung, zur Nächstenli­ebe. Das Wichtigste sei dabei immer, als Christ erkennbar zu sein.

Dem Bild des unaufhalts­amen Prozesses der Entkirchli­chung in Deutschlan­d hielt der frühere Bischof Zahlen der konträren weltweiten Entwicklun­g entgegen. So nehme die Zahl der religiös gebundenen Menschen, auch der Christen, rund um den Globus zu, während der Anteil der Nichtrelig­iösen abnehme. Huber sieht darin aber auch ein Problem: Die Verbindung von Religion und Gewalt dürfe nicht verharmlos­t werden. Wobei auch das Christentu­m eine gewalttäti­ge Vergangenh­eit habe. Und vom Islam in Deutschlan­d – bei uns leben fünf Millionen Muslime – müsse man erwarten, dass er sich zur Gewaltfrei­heit bekenne. Wer den Einsatz von tödlicher Gewalt predige, habe keinen Platz unter dem Dach der Freiheit.

Der 77-jährige Theologe ermahnte aber auch seine Kirchenleu­te, sich zu den Sünden der Vergangenh­eit zu bekennen. Das finstere Kapitel des Missbrauch­s von Kindern in evangelisc­hen Einrichtun­gen bekam bei der anschließe­nden Diskussion unter der Moderation von Ludger Möllers, Redakteur der „Schwäbisch­en Zeitung“Ulm, durch die Anmerkunge­n einer persönlich Betroffene­n bedrückend­e Authentizi­tät.

Irene Klingler klagte darüber, kaum Verantwort­ungsbewuss­tsein und Verständni­s zu finden, wenn es um ihre Gewalterfa­hrungen in Heim und Volksschul­e im Landkreis Ravensburg von 1956 bis 1963 gehe. Sie hatte ihr Buch „Vom Schlafen auf kalten Fliesen bis zum Fußtritt ins Gesicht“für den Referenten mitgebrach­t. Huber: „Nichts hat unsere christlich­e Botschaft so sehr verdunkelt wie die Missbrauch­sfälle.“

Doch gemeinsame­s Abendmahl?

Pfarrer Bertl hatte zu Beginn der Veranstalt­ung davon gesprochen, durch das Reformatio­nsjubiläum habe auch die Ökumene einen Auftrieb bekommen. Hier gab Huber seiner Hoffnung auf ein gemeinsame­s Abendmahl Ausdruck: „Gebe Gott, dass es gelingt“. Er hoffe nicht, dass der Ökumenisch­e Kirchentag 2021 in Frankfurt von diesem Thema überschatt­et werde, wie dies in Berlin 2003 der Fall gewesen war.

Die Veranstalt­ung wurde getragen von der evangelisc­hen und der katholisch­en Kirche Bad Waldsee, den evangelisc­hen und katholisch­en Bildungswe­rken in Oberschwab­en, der Kurverwalt­ung und der Schwäbisch­en Bauernschu­le in Bad Waldsee.

 ?? FOTO: BAWA ?? Nach dem Vortrag wurde der ehemalige EKD-Ratsvorsit­zende Wolfgang Huber umringt von Besuchern, die ein Buch von ihm signiert haben wollten.
FOTO: BAWA Nach dem Vortrag wurde der ehemalige EKD-Ratsvorsit­zende Wolfgang Huber umringt von Besuchern, die ein Buch von ihm signiert haben wollten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany