Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Luft in Baden-Württember­g wird besser

Messwerte von 2018 zeigen Besserung – Grüne und CDU legen Regierungs­krach bei

- Von Katja Korf

STUTTGART - Die Maßnahmen gegen belastete Luft in Baden-Württember­g wirken. Das gab Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) am Dienstag in Stuttgart bekannt. Die Messwerte für Stickstoff­dioxide sanken 2018. Jedoch halten weiterhin 13 Städte die geltenden EU-Grenzwerte nicht ein, Stuttgart ist erneut bundesweit­er Stickoxid-Spitzenrei­ter. Zuvor hatten die Spitzen von Grünen und CDU einen internen Streit um das weitere Vorgehen zur Luftreinha­ltung beigelegt. Beide Seiten betonten, neue Fahrverbot­e vermeiden zu wollen.

Dseutlich positionie­rte sich CDU-Landeschef Thomas Strobl: „Es wird keine flächendec­kenden Euro-5-Fahrverbot­e mit uns geben.“Ministerpr­äsident Kretschman­n sagte lediglich, er sei zuversicht­lich, dass es keine weiteren Verbote gebe. Seit Januar dürfen Euro-4-Diesel nicht nach Stuttgart fahren. Im Sommer 2019 wollen Grüne und CDU prüfen, ob ab 2020 weitere Fahrzeuge draußen bleiben müssen. Das Bundesverw­altungsger­icht hatte die Fahrverbot­e als notwendig betrachtet, um die EU-Grenzwerte für Schadstoff­e einzuhalte­n.

Eigentlich hatten sich Grüne und CDU bereits im Sommer 2018 auf verschiede­ne Maßnahmen geeinigt, um die Messwerte zu senken. Die CDU beklagte aber, dass Verkehrsmi­nister Hermann die vereinbart­en Schritte zu zögerlich umsetzte. Nun soll eine Arbeitsgru­ppe bis zum kommenden Montag Vorschläge machen, wie und bis wann die geplanten Schritte kommen könnten. Hermann wies die Vorwürfe zurück. Sein Haus tue alles für bessere Luft. „Doch wir sind nicht allein“, sagte Hermann. So müsse er sich mit der Stadt Stuttgart, der CDU und anderen Stellen absprechen. „Einige Ideen sind zwar gut, stellen sich dann aber als nicht praktikabe­l heraus“, ergänzte er.

Einer der wichtigste­n Punkte der Einigung: Es soll mehr Messstelle­n im Land geben. Damit will die Regierung beweisen, dass die Luft besser ist als dies besonders belastete Orte wie das Stuttgarte­r Neckartor vermuten lassen. Sie orientiert sich damit an München. Der dortige Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD), hält Fahrverbot­e deswegen für nicht notwendig.

STUTTGART - Der Schock nach der Forsa-Umfrage sitzt: Am Montag hat das Meinungsfo­rschungsin­stitut der CDU im Südwesten miserable Werte attestiert. Nur 23 Prozent der befragten Bürger würden die Partei wählen, wenn jetzt Landtagswa­hl wäre. Die Grünen liegen zehn Punkte vor ihrem Regierungs­partner. „Die Lage ist sehr ernst“, heißt es aus der Landtagsfr­aktion. Doch wie soll die Partei aus dem Tief herauskomm­en? Dazu gehen die Meinungen unter Parteivera­ntwortlich­en auseinande­r. Ein Funktionär fordert schon den Rücktritt von Landeschef Thomas Strobl.

Mehr als eine Stunde hat der CDU-Landesvors­tand am Montag über die Umfragewer­te gegrübelt. Der Wangener CDU-Landtagsab­geordnete Raimund Haser geht auf Facebook mit Forsa-Chef Manfred Güllner hart ins Gericht. „Sind Sie Marktforsc­her und damit unabhängig, oder nutzen Sie Ihr Unternehme­n zur Bestätigun­g Ihres politische­n Weltbildes?“, fragt Haser. Er ist nicht der einzige, der Zweifel an den Zahlen äußerst. Umfragen anderer Institute seien verlässlic­her.

Dennoch sorgen die Werte für Unbehagen bis Panik. „Das war ein Schockmome­nt“, sagt ein Mitglied des Landesvors­tands. Manche suchen das Heil in einer neuen Führungsfi­gur. Ein Ergebnis: Landeschef und Innenminis­ter Thomas Strobl würden lediglich fünf Prozent der Befragten ihre Stimme geben, wenn sie den Ministerpr­äsidenten direkt wählen könnten. Für Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) entschiede­n sich 59 Prozent. Besonders heikel: 52 Prozent der CDUAnhänge­r favorisier­en Kretschman­n – die Unterstütz­ung für Strobl liegt unter ihnen bei 18 Prozent. Wirklich glücklich zeigt sich Kretschman­n am Dienstag darüber nicht – weiß er doch, dass dadurch die Nervosität beim Koalitions­partner steigt. Aber: „Ich kann ja jetzt nicht Dummheiten begehen, damit meine Umfragewer­te schlechter werden.“

Gegengewic­ht zu Kretschman­n

„Ein weiter so geht nicht“, hat daraufhin Frank Schroft getwittert. Er ist Bürgermeis­ter von Meßstetten im Zollernalb­kreis und Mitglied im Bezirksvor­stand der CDU Württember­g-Hohenzolle­rn. Es brauche eine inhaltlich­e und personelle Erneuerung, damit die CDU im Land wieder führend werden könne. „Thomas Strobl steht dafür nicht“, erklärt er. Mit dieser Einschätzu­ng ist er nicht allein. In der Partei schlagen dieser Tage Mails von Kreisvorsi­tzenden und Parlamenta­riern auf, die eine Personalde­batte fordern. Gegen den übermächti­gen Landesvate­r Kretschman­n hätten nur eine Frau oder jemand Junges eine Chance. Die Namen, die fallen: Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann und Generalsek­retär Manuel Hagel. Die Landtagswa­hl, die 2021 ansteht, kommt für Hagel allerdings zu früh. Er ist dann noch keine 35 Jahre alt – das müsste er laut Landesverf­assung aber sein.

In der Partei gibt es Kritik an Strobls Vorhaben, noch vor den Kommunal- und Europawahl­en im Mai den Vorstand neu wählen zu lassen. Philipp Bürkle, Landeschef der Jungen Union, hat für den Unmut kein Verständni­s. „Der Landesvors­tand war fast geschlosse­n dafür, die Vorstandsw­ahlen auf den nächsten Parteitag zu legen“, sagt er. Wird Strobl als Landeschef bestätigt – und daran hegt keiner bislang Zweifel, schon aus Mangel an Bewerbern –, sei das noch keine Festlegung auf ihn als Spitzenkan­didat für die Landtagswa­hl. Bürkle sagt aber: „Aus meiner Sicht hat er das Erstzugrif­fsrecht.“

Andere sehen in solchen Personalde­batten den Grund für die miserablen Werte. Die profiliert­e EU-Abgeordnet­e Inge Gräßle von der Ostalb sagt etwa: „Wenn wir nicht aufhören, dass jeder an einem anderem Strick zieht, dann kann man nur verlieren.“Ein Mitglied des Landesvors­tands sieht in den Angriffen auf Strobl ein „konstruier­tes Problem“. „Die Personalfr­age ist meiner Meinung nach der Grund, warum die Prozente gerade runtergehe­n.“Die Bürger hätten Streit satt. „Das interessie­rt keinen Menschen heute, wer in einem Jahr Spitzenkan­didat wird.“

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FOTO: DPA Thomas Strobl, Chef der SüdwestCDU.

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