Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Germania stellt Betrieb ein
Auch der Flughafen Friedrichshafen massiv betroffen
BERLIN (AFP/sz) - Zuletzt hatte sich die angeschlagene Fluggesellschaft Germania noch zuversichtlich gezeigt, am Dienstag hat die Airline Insolvenz angemeldet. Der Flugbetrieb wurde mit sofortiger Wirkung eingestellt. Anders als bei der Pleite von Air Berlin im Sommer 2017 gibt es keine Hilfsmaßnahmen des Bundes. Germania-Chef Karsten Balke teilte mit, dass es nicht gelungen sei, die Finanzierungsbemühungen zum Abschluss zu bringen.
Die Berliner Airline beförderte bislang jährlich rund vier Millionen Passagiere und flog mehr als 60 Ziele an. Auch der Flughafen Friedrichshafen ist betroffen. Laut eigenen Angaben sind im vergangenen Jahr 175 000 Passagiere von Friedrichshafen aus mit der Fluglinie Germania geflogen – unter anderem auf die Balearen, nach Griechenland und in die Türkei. Das entspricht ungefähr einem Drittel des gesamten Fluggastaufkommens.
BERLIN/FRANKFURT - Ein gutes Jahr nach der Pleite von Air Berlin hat es nun auch die kleinere Fluggesellschaft Germania erwischt. Die Insolvenz der viertgrößten deutschen Airline löst allerdings nicht annähernd vergleichbare Schockwellen aus. „Lufthansa will die Germania nicht übernehmen“, verlautet der Marktführer in Frankfurt knapp. Das Hauen und Stechen zwischen den Fluggesellschaften um Unternehmensteile und Verkehrsrechte bleibt wohl aus, dafür müssen aber die Beschäftigten und die betroffenen Flughäfen große Probleme bewältigen.
„Wir haben immer noch einen brutalen Preiskampf“, nennt der Luftfahrtexperte Gerald Wissel von der Beratungsgesellschaft Airborne den wichtigsten Grund für die Insolvenz. „Die Preise sind am untersten Rand und die Kleinen können kaum noch mithalten.“Der Druck komme von oben und unten. Neben den großen Anbietern wie Ryanair und Easyjet sind auch zahlreiche Chartergesellschaften aus Südosteuropa und Nordafrika als Preisbrecher unterwegs.
Strategie: Nische und Urlaub
Dabei hatte Germania versucht, Nischen zu füllen. So war die Airline bei vielen Touristen wegen ihrer Ferienflüge in den Mittelmeerraum bekannt. Die Fluggesellschaft setzte aber auch auf exotischere Ziele wie den Irak und Iran. Das galt in der Branche als ein Alleinstellungsmerkmal. Nach Unternehmensangaben beförderte Germania mehr als vier Millionen Passagiere jährlich. Zu den großen Zielländern zählten Spanien, Griechenland, Türkei und Ägypten.
Germania mit mehr als 1000 Mitarbeitern wurde 1986 gegründet. Es handelt sich nach Branchenangaben um die viertgrößte deutsche Fluggesellschaft nach der Lufthansa Gruppe, Condor und Tuifly. Zu den Abflughäfen mit vergleichsweise vielen Passagiersitzen zählen die Standorte Berlin, Nürnberg, Bremen, Düsseldorf und Dresden. Germania ist auch auf kleineren Flughäfen präsent, wie Bremen, Dresden, Erfurt-Weimar, Münster-Osnabrück oder Friedrichshafen, bei denen jetzt durch die Insolvenz große Lücken drohen, weil dort Germania häufig einer der großen Anbieter war.
Direktbucher ohne Ansprüche
Vor allem aber sind die Passagiere betroffen. Diejenigen, die über einen Pauschalreiseveranstalter einen Germania-Flug gebucht haben, sind abgesichert: Denn da muss der Veranstalter für Ersatzflüge sorgen, erklärt Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg: „Da kann es natürlich auch einmal sein, dass der Abflug von einem anderen Flughafen als vereinbart stattfinden muss oder dass die Reise vielleicht ein, zwei Tage später angetreten werden muss, wenn man so schnell nicht einen Ersatz findet.“
Wer aber direkt bei Germania gebucht hat, ist in einer schlechteren Lage. Diese Fluggäste haben weder Anspruch auf einen Ersatzflug noch auf Entschädigung, ein Unding, mahnen Verbraucherschützer seit Jahren. „Die Bundesregierung sollte eine Insolvenzsicherungspflicht einführen wie für Pauschalreise-Veranstalter, damit nicht noch weitere Fluggäste ihr Geld verlieren. So geht es nach unserer Auffassung nicht weiter“, sagt Sabine Fischer-Volk.
Konditionen für Gestrandete
Immerhin aber bieten die deutschen Fluggesellschaften – also die der Lufthansa-Gruppe (Austrian Airlines, Eurowings, Lufthansa, Swiss) als auch Condor und Tuifly – den im Ausland gestrandeten Passagieren Flüge zu Sonderkonditionen an. Dass die Bundesregierung jetzt – anders als bei der Pleite Air Berlins – nicht mit einem staatlichen Überbrückungskredit einspringt, dürfte wohl daran liegen, dass die Zahl der gestrandeten Passagiere recht gering sei, meint Stefan Schöppner, Analyst der Commerzbank. Außerdem stünden auch nicht Bundestagswahlen an wie damals im September 2017.
Personal ohne Tarifverträge
Düster sieht es für Teile des Germania-Personals aus, das bislang schon nicht auf Rosen gebettet war. Nach Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters hat Germania in den drei von der Pleite betroffenen Unternehmensteilen 1678 Beschäftigte. Laut Verdi gab es bei Germania keine Tarifverträge und auch keine Betriebsratsstrukturen, so dass man im Insolvenzverfahren nicht involviert sei.
Etliche Crews sollen sich bereits bei Ryanair beworben haben, berichtete deren Chef Michael O'Leary. Das deckt sich mit den Erwartungen von Berater Wissel: „Die Crews werden sicher bei anderen Airlines Beschäftigung finden.“Doch für das technische Personal sei es schon bei Air Berlin schwierig gewesen.
Fehler des Managements
Germania hat sich nach Ansicht von Experten auch schlicht verhoben. Noch Mitte 2016 hatte GermaniaChef Karsten Balke auf der Luftfahrtmesse im britischen Farnborough zum Flugzeug-Großeinkauf geblasen. Damals – gut ein Jahr vor der Pleite von Air Berlin – orderte er 25 Exemplare des modernisierten Mittelstreckenjets Airbus A320neo – samt Kaufoptionen für weitere 15 Maschinen. Zusammen mit der Schweizer Germania Flugbetrieb AG und der Bulgarian Eagle betrieb Germania zuletzt 37 Flugzeuge. Ab 2020 sollten die neuen Jets mit ihrem geringeren Spritverbrauch Germania zukunftsfähig machen. Allein die Festbestellung summierte sich laut Preisliste auf rund 2,6 Milliarden USDollar, abzüglich Rabatten.
Viel Geld für eine Fluggesellschaft, die laut Handelsregister bereits in diesen Jahren rote Zahlen schrieb. So brachte die schon 2018 begonnene Umstellung auf eine reine Airbus-Flotte mit ihren Vorlaufkosten die Germania ins Trudeln. Um den Jahreswechsel drohte schließlich das Geld auszugehen. „Die Gesellschaft ist nicht zu retten“, sagte ein Kenner der Zahlen bereits im Januar.
Weitere Konsolidierung in Europa
Mit der Insolvenz des Ferienfliegers dürfte die Marktbereinigung in Deutschland zunächst abgeschlossen