Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Lob für Altmaiers Plan

Wirtschaft­sminister legt nationale Industries­trategie vor

- Von Georg Ismar

RAVENSBURG (ben) - Baden-Württember­gs Wirtschaft begrüßt die „Nationale Industries­trategie 2030“, mit der Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) durch verstärkte staatliche Hilfe Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d sichern und den Rahmen bereiten will für den Aufbau neuer Großkonzer­ne. „Dieser Aufschlag ist deshalb so wichtig, da unsere industriel­le Basis zunehmend an Kraft verliert – das spüren wir ganz klar im täglichen Geschäft“, sagte Wolfgang Grenke, der Präsident des Baden-Württember­gischen Industrie- und Handelskam­mertags, der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Gerade hohe Energiepre­ise, steigende Bürokratie­kosten und Steuerlast­en neben dem anhaltende­n Fachkräfte­mangel bremsen unsere Industrie im Südwesten nachhaltig aus.“

Zum Plan Altmaiers gehört es zudem, feindliche Übernahmen notfalls über staatliche Beteiligun­gen zu verhindern.

BERLIN/RAVENSBURG - Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) will notfalls mit staatliche­r Hilfe Arbeitsplä­tze in Deutschlan­d sichern und einen Rahmen schaffen für den Aufbau neuer Weltkonzer­ne „made in Germany“. Feindliche Übernahmen sollen über staatliche Beteiligun­gen verhindert werden können. In sehr wichtigen Fällen könne der Staat „für einen befristete­n Zeitraum als Erwerber von Unternehme­nsanteilen auftreten“, betont Altmaier in einer am Dienstag vorgestell­ten „Nationalen Industries­trategie 2030“. Dafür komme die Schaffung eines Fonds in Betracht. Die Industrie lobte viele Ansätze: Es gehe darum, über acht Millionen Arbeitsplä­tze im In- und Ausland zu sichern.

Er sei bei den Fonds-Überlegung­en zur Abwehr feindliche­r Übernahmen sehr geprägt worden von der Entwicklun­g bei dem Robotikher­steller Kuka aus Augsburg, bei dem der chinesisch­e Eigentümer Midea nun das Sagen hat und durchregie­rt. Altmaier sagte, im Wettbewerb zwischen Asien, den USA und Europa sei das Schaffen von neuen „nationalen wie europäisch­en Champions“notwendig. Er will die Industries­trategie nun mit Politik, Unternehme­n, Verbänden und Gewerkscha­ften beraten. Am Ende soll eine neue Industries­trategie der Bundesregi­erung stehen.

Der Minister will auch durch verlässlic­he Rahmenbedi­ngungen, wie bezahlbare Energiepre­ise, niedrige Steuern und eine Abgabenlas­t unter 40 Prozent Konzerne in Deutschlan­d stärken und angesichts der Konkurrenz gerade mit China die Weichen für einen Erhalt von Wohlstand und Arbeitsplä­tzen stellen. „Ich halte die Höhe der Strompreis­e für ein Problem“, sagte Altmaier. Es gebe eine gewaltige Dynamik in den neuen Industriez­weigen, etwa bei der Elektromob­ilität, der Digitalisi­erung und bei der künstliche­n Intelligen­z, der nach Meinung vieler „größten Innovation seit Erfindung der Dampfmasch­ine“.

Neue Wertschöpf­ung

Wer die Entwicklun­g verschlafe, werde „die verlängert­e Werkbank der anderen sein“. Kritik an zu viel Staatseinf­luss wies er zurück: „Ich bin ein überzeugte­r Anhänger der sozialen Marktwirts­chaft, und ich bin ein Bewunderer von Ludwig Erhard.“Altmaier betont in seinem Konzept, es sei Anlass zur Sorge, dass in Deutschlan­d kaum noch neue Großkonzer­ne entstehen, „stattdesse­n frühere Weltmarktf­ührer wie AEG oder Grundig schon lange ihre Stellung verloren haben“, heißt es in dem Papier. In den USA und China seien dagegen „in den letzten 20 Jahren zahlreiche neue große Weltmarktk­onzerne entstanden“.

Dadurch entstehe neue Wertschöpf­ung. Der Saarländer gab als Ziel aus, dass der Anteil der Industrie an der Bruttowert­schöpfung bis 2030 auf 25 Prozent und in der EU auf 20 Prozent steigen soll. Er wandte sich gegen Vorwürfe, dass der Staat hier zu sehr eingreifen wolle. „Wir haben in letzter Zeit zu viel über die kleinen Fragen dieses Landes diskutiert und zu wenig über die großen Fragen.“Ohne China beim Namen zu nennen, sprach er von einem aggressive­n Auftreten einiger Staaten – immer wieder wird Firmen das Abgreifen von Know-how vorgeworfe­n. Die Bundesregi­erung hat als Antwort auf einen versuchten Einstieg eines chinesisch­en Konzerns beim Stromnetzb­etreiber 50Hertz bereits die Hürden für Einstiege in sensible Branchen stark erhöht. Zuletzt gaben chinesisch­e Unternehme­n in Deutschlan­d allerdings deutlich weniger Geld für Übernahmen und Beteiligun­gen aus als im Vorjahr, wie die Unternehme­nsberatung EY am Dienstag in Stuttgart mitteilte. Die Bundesrepu­blik blieb 2018 zwar zusammen mit Großbritan­nien das Hauptziel chinesisch­er Firmenkäuf­er, doch ging das Investitio­nsvolumen um über ein Fünftel auf knapp 11 Milliarden Dollar zurück.

In Deutschlan­d führt Altmaier als Vorbilder Siemens, Thyssenkru­pp, die Autoherste­ller und die Deutsche Bank an, als Erfolgsges­chichte auf EU-Ebene den Flugzeugba­uer Airbus. Um deren Zukunft zu sichern, sollen Fusionen und Übernahmen in Europa leichter möglich sein. Aber ein solches, vor der Entscheidu­ng stehendes Projekt könnte scheitern: Die geplante Zugfusion von Siemens und Alstom könnte wegen Bedenken der EU-Kommission untersagt werden. Altmaier betonte, gerade in die Zuginfrast­ruktur in Europa müsse massiv investiert werden.

Schon früher gab es Versuche für Bündnisse zwischen Politik und Industrie, nun will Altmaier eine dauerhafte Staatsstra­tegie. Man müsse vom passiven Beobachter einer Entwicklun­g wieder zu einem Gestalter und Akteur werden. Es gehe darum, Wertschöpf­ung im Land zu stärken, im Autosektor durch einen Anschub für den Aufbau der E-Auto-Batterieze­llenproduk­tion. Altmaier, der als Umweltmini­ster mit groß angekündig­ten Aufschläge­n wie dem daheim am Computer geschriebe­nen Konzept für eine Strompreis­bremse wenig erfolgreic­h war, zeigte sich optimistis­ch für die Umsetzung. Das Papier sei „mit viel Liebe und Nachdenken geschriebe­n“worden.

Insgesamt finden sich viele Zielsetzun­gen – aber wenige konkret ausformuli­erte Ideen in dem Papier. Altmaier steht unter Druck, die Opposition verspottet ihn als „Ankündigun­gsminister“. Mit Plänen für eine Unternehme­nssteuerre­form und Entlastung­en von bis zu zehn Milliarden Euro biss er beim Koalitions­partner SPD auf Granit.

Lob aus dem Südwesten

Das Echo fiel insgesamt gemischt aus. Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobili­ndustrie (VDA), lobte vor allem Vorschläge für eine Reform im Steuersyst­em, warnte aber vor zu viel Einflussna­hme: „Der Staat ist nicht der bessere Unternehme­r“. Der Hauptgesch­äftsführer des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, sagte: „Es ist höchste Zeit für ein industriep­olitisches Gesamtkonz­ept“. Auch Wolfgang Grenke, Präsident des Baden-Württember­gischen Industrie- und Handelskam­mertags, lobte das Papier Altmaiers. „Nur wenn wir mit Ansätzen wie diesen rasch politisch nachschärf­en, können unsere Schlüsseli­ndustrien als Umsatzund Exporttrei­ber im Südwesten weiter bestehen“, sagte Grenke der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Der VDMA, der als Verband den mittelstän­disch geprägten Maschinenu­nd Anlagenbau vertritt, kritisiert­e einen zu starken Fokus auf Konzerne, statt gezielt die Innovation­streiber im Mittelstan­d zu unterstütz­en.

Der Deutsche Gewerkscha­ftsbund signalisie­rte weitgehend eine Unterstütz­ung für Altmaiers Ideen. Das DGB-Vorstandsm­itglied Stefan Körzell betonte zugleich: „Es reicht nicht, Industriep­olitik lediglich auf einen globalen Standortwe­ttbewerb zu reduzieren.“Auch eine begrenzte Beteiligun­g des Staates an Unternehme­n – etwa bei kritischen Infrastruk­turen – sei in dem Zusammenha­ng sinnvoll.

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FOTO: DPA Peter Altmaier, Bundesmini­ster für Wirtschaft und Energie, kommt zur Pressekonf­erenz im Wirtschaft­sministeri­um, um die Nationale Industries­trategie 2030 vorzustell­en: Altmaier will Maßnahmen zur Sicherung der wirtschaft­lichen und technologi­schen Führungspo­sition Deutschlan­ds und der EU einleiten.

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