Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

In Schutt und Asche gelegt

Vor 75 Jahren, am 15. Februar 1944, begann die Schlacht von Montecassi­no – Nur ein Torbogen mit der Aufschrift „Frieden“blieb damals erhalten

- Von Johannes Schidelko

ROM (KNA) - Mit der „Gustavlini­e“quer durch Mittelital­ien hatten die deutschen Truppen Ende 1943 eine Sperrlinie aufgebaut. Die rund 140 Kilometer südlich von Rom gelegene Grenze sollte die bereits in Italien gelandeten alliierten Truppen aufhalten – vergeblich. An einer Schlüssels­telle dieser Verteidigu­ngslinie lag das Kloster Montecassi­no. Vor 75 Jahren, am 15. Feburar 1944, wurde es bei einer Bombardier­ung in Schutt und Asche gelegt.

Die Schlacht um Montecassi­no dauerte vier Monate: Vom 17. Januar bis zum 18. Mai 1944 fielen auf deutscher Seite 20 000 Soldaten, auf der der Alliierten 55 000, nicht mitgerechn­et die toten Zivilisten. Zu den letztlich sinnlosest­en Aktionen zählte die Bombardier­ung des Klosters Montecassi­no durch alliierte Luftverbän­de. Eine der bedeutends­ten Stätten der abendländi­schen Kultur war danach ein Trümmerhau­fen.

Seit dem 17. Januar 1944 rannten britische, amerikanis­che und neuseeländ­ische Verbände von Süden her gegen die deutschen Verteidigu­ngsstellun­gen an. Die Gegenwehr war heftig, die Kämpfe verlustrei­ch. An der westlichen Küste versuchten die Alliierten, die Linien aufzubrech­en und den Berg von Cassino zu umgehen. Dort dominierte in 516 Meter Höhe das vom Mönchsvate­r Benedikt um das Jahr 529 gegründete Kloster. Es kontrollie­rte an strategisc­her Stelle gleichsam den Weg durch das Liri-Tal in Richtung Rom.

Die Alliierten vermuteten in dem festungsar­tigen Bauwerk, in dem Benedikt seine Ordensrege­l geschriebe­n hatte, militärisc­he Stellungen oder zumindest Beobachtun­gsposten der Deutschen. Jedoch hatte Generalfel­dmarschall Albert Kesselring ausdrückli­ch eine mehrere Hunderte Meter breite Schutzzone um die Abtei bestimmt, die kein Soldat betreten durfte. Auch der Abt des Klosters und der Vatikan dementiert­en eine deutsche Präsenz im Kloster und rangen den Kampfparte­ien zunächst das Verspreche­n ab, das Kulturerbe zu schonen.

Doch insbesonde­re der neuseeländ­ische General Bernard Freyberg drängte die zögernden Amerikaner zum Schlag gegen Montecassi­no. Am Vortag warfen sie über dem Gelände Flugblätte­r ab; forderten Mönche und Flüchtling­e zum Verlassen des Klosters auf. Noch im letzten Moment versuchte Papst Pius XII. auf diplomatis­chem Weg das Inferno zu verhindern – jedoch war bereits alles zu spät: Mit rund 500 Tonnen Bomben zerstörten alliierte Geschwader in mehrstündi­gen Angriffswe­llen das komplette Kloster und die Abteikirch­e.

Es war der schwerste Angriff der Kriegsgesc­hichte auf ein einzelnes Gebäude. Und er pulverisie­rte eines der ältesten Heiligtüme­r der Christenhe­it und tötete Hunderte Flüchtling­e, die sich dort sicher wähnten. Nur ein Torbogen mit der Aufschrift Pax (Frieden) blieb erhalten.

Als Abt Gregorio Diamare mit seinen Mönchen wenige Tage nach dem Angriff in der römischen Benediktin­erabtei Sant'Anselmo auf dem Aventin-Hügel Zuflucht suchte, fragten ihn die Mitbrüder, wie viele Deutsche sich im Kloster verschanzt hätten. Seine Antwort: „Kein einziger“.

Schon vorher hatten in einer der vielleicht spektakulä­rsten Rettungsak­tionen deutsche Militär-LKWs die Bibliothek, liturgisch­e Geräte und Gewänder, Handschrif­ten und Gemälde nach Rom geschafft. Zu den Organisato­ren gehörte der deutsche Benediktin­er und spätere Kurienkard­inal Paul Augustin Mayer (19112010).

Schon bald nach dem Krieg begann der maßstabsge­treue Wiederaufb­au des Klosters – mit italienisc­her und internatio­naler Unterstütz­ung. Zugleich wurden rund um die Klosteranl­age Friedhöfe für die zigtausend gefallenen Soldaten angelegt. 20 Jahre nach der Zerstörung weihte Papst Paul VI. 1964 bei einem Konzilsbes­uch das wiedererst­andene Kloster und die Basilika erneut.

Zum 65. Jahrestag stattete 2009 auch Benedikt XVI. dem Kloster einen Besuch ab. Der deutsche Papst, der sich den Namen des Mönchsvate­rs als Papstnamen gewählt hatte, gedachte aller Gefallenen des Zweiten Weltkriegs. Er nutzt den Aufenthalt für einen eindringli­chen Friedensap­pell in Europa und in der Welt. Das Kloster müsse ein Symbol für den Sieg des Friedens über den Krieg sein.

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FOTO: PRIVAT Jährlich pilgern viele Reisende – hier die Teilnehmer der Mittelbuch­er Romfahrt – zur Benediktin­erabtei.
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FOTO: IMAGO Das Kloster wurde vor 75 Jahren komplett zerstört.

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