Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Drogenschm­uggler soll sechs Jahre in Haft

Die Verteidigu­ng zweifelt beim Prozess in Kempten an dem entscheide­nden DNA-Test und geht in Revision

- Von Gabriel Bock

LINDAU - Zu sechs Jahren Haft hat das Landgerich­t Kempten einen 29- jährigen Mann verurteilt. Gegen den Schuldspru­ch wegen der illegalen Einfuhr von Betäubungs­mitteln will Verteidige­r Klaus-Dieter Maier nun Revision beantragen. Er zweifelt an dem DNA-Test, der die Tat beweisen soll.

Der Angeklagte ist im März 2018 in Lindau verhaftet worden. Er war mit dem Flixbus von Italien her eingereist. Bei einer Kontrolle an einer Lindauer Tankstelle nahe der A 96 entdeckte die Polizei im Frachtraum des Busses einen Koffer, der zunächst keinem Passagier zu gehören schien. Im Koffer befanden sich fast neun Kilo Kokain und Haschisch in Paketen.

Die Beamten ordneten den Koffer dem Angeklagte­n zu. Doch 29Jährige bleibt auch vor Gericht bei seiner Aussage: Der Koffer gehöre ihm nicht. Für die Polizisten sprachen bei der Verhaftung aber gleich mehrere Indizien für die Schuld des Mannes. Sein Vorstrafen­register liest sich wie ein Reiseführe­r für das Alpengebie­t. In Frankreich, Italien und Österreich ist er bereits verurteilt. Meist wegen irgendwelc­her Drogengesc­hichten. Außerdem fand die Polizei in dem Drogenkoff­er eine Hose, deren Größe dem 29Jährigen passt. Verteidige­r Maier sagt dazu bei der Verhandlun­g: „Die Hose kann vielen gehören, und die Vorstrafen beweisen gar nichts.“

Um den Verdacht gegen den Mann zu bestätigen, befragten die Polizisten vor Ort den italienisc­hen Busfahrer. Das Gespräch ergab: Er ist in Marseille losgefahre­n und in Genua in den Bus nach Lindau umgestiege­n. Das Busunterne­hmen lud den Drogenkoff­er aus dem Bus aus Marseille in den nach Lindau um.

Um herauszufi­nden, wie der Koffer in den Bus kam, baten die Polizisten in Lindau den Busfahrer um Hilfe. Der schickte noch an der Tankstelle ein Bild des Angeklagte­n und des Koffers an seinen Kollegen aus dem Bus von Marseille. Dieser habe über das Telefon bestätigt, dass er den Koffer vom Angeklagte­n erhalten hat. Persönlich sprachen die Beamten nicht mit diesem Zeugen. Maier meinte dazu: „So ein Busfahrer sagt doch alles, damit es schnell weitergehe­n kann. Ein weit entfernter Kollege sowieso.“Diese Aussagen der Ermittlung­sgruppe „Busfahrer“seien kurios, schließlic­h habe sie bis heute niemand verifizier­t. Vor Gericht erscheint der Busfahrer nicht als Zeuge, er legt ein Attest vor.

DNA aus den Drogenpäck­chen passt zum Angeklagte­n

Um die Tat doch noch nachzuweis­en, ließ die Polizei den Koffer auf Spuren untersuche­n. Die Forensiker fanden aber weder am Koffer noch an der Kleidung Fingerabdr­ücke oder DNA vom Angeklagte­n. Jedoch entdeckten sie an der Verpackung der Drogenpäck­chen DNA, die mit der von Abdelhadi B. übereinsti­mmt. Für das Gericht genügt diese Untersuchu­ng, um B. zu sechs Jahren Gefängnis zu verurteile­n. Die anderen Indizien bezeichnet Richter Christoph Schwiebach­er als nicht ausreichen­d. Der Angeklagte lässt den Prozess derweil beinahe ungerührt über sich ergehen. Lediglich als sein Dolmetsche­r ihm die Aussagen der Busfahrer erklärt, grinst er und schüttelt mit dem Kopf.

Verteidige­r Maier bemängelt: „Die Polizei hat sich von vornherein nur auf meinen Mandanten konzentrie­rt.“Während der Verhandlun­gen müssen die Beamten zugeben, dass sie es beispielsw­eise versäumt haben, Videomater­ial von den Busbahnhöf­en zu sichten. Aber auch den entscheide­nden DNA-Test nimmt Maier aufs Korn. Er hält ihn für nicht aussagekrä­ftig. Schon in seinem Plädoyer weist er auf die Problemati­k der Tests hin: Diese vergleiche­n die fraglichen Proben mit denen des Angeklagte­n. Anschließe­nd prüfen die Forensiker, mit welcher Wahrschein­lichkeit eine andere Person genau die gleiche DNA besitzen könnte. Da sieht Maier den Fehler: „Als Referenz für die Tests wird der Genpool von Europa hergenomme­n.“Der Test beweise also nur, dass es unwahrsche­inlich sei, dass irgendein Europäer diese DNA hat. Sein Mandant sei aber Afrikaner. „Das ist, als ob man Äpfel mit Birnen vergleicht“, sagt Maier.

In der Urteilsbeg­ründung antwortet Schwiebach­er. Der Bundesgeri­chtshof habe bestätigt, dass die Tests so gelten, wenn kein Alternativ­täter infrage komme. „Die Polizisten haben die Passagiere in dem kontrollie­rten Bus als bunte Mischung bezeichnet. Wir sehen da keine möglichen Alternativ­täter.“

Deshalb wird Maier nun Revision beantragen. Er meint: „Die Polizei hat sogar bestätigt, dass da Schwarzafr­ikaner dabei waren.“Das erfordere einen Test im Vergleich zu einem afrikanisc­hen Genpool.

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