Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aus geometrisc­hen Formen werden Gegenständ­e

Johannes Braig stellt in der Alten Kirche Mochenwang­en für kurze Zeit aus

- Von Dorothee L. Schaefer

WOLPERTSWE­NDE - Eine heilige Anzahl von Arbeiten, nämlich 33 Werke des Stuttgarte­r Künstlers Johannes Braig ist für kurze Zeit in der Alten Kirche in Mochenwang­en ausgestell­t. Für die überwiegen­d schwarzgru­ndigen Großformat­e in Acryl auf Leinwand bietet der untere Raum einen geräumigen Hintergrun­d, für die mittleren und kleinen Formate ist auf der Empore Platz.

Aber warum läuft die Ausstellun­g nur so kurz? Auf Nachfrage erklären Viktoria Roth und Gerhard Hillmayr vom Fördervere­in Alte Kirche – der Verein organisier­t Ausstellun­gen, Theaterauf­führungen und Konzerte in dem der Gemeinde Mochenwang­en gehörenden, gut restaurier­ten und umgenutzte­n Sakralbau –, es sei wegen verschiede­ner anderer Veranstalt­ungen diesmal nur ein kleiner Zeitraum möglich. Dennoch: für ganze acht Stunden der große Aufwand, das lässt die Besucher doch etwas ratlos, zumal eine erfreulich gut besuchte Vernissage schon ein konstantes Interesse anzeigte. Die Eröffnung lohnte sich auch aus mehreren Gründen: eine schwungvol­le Einführung von Herbert Köhler, die Anwesenhei­t des in Stuttgart lebenden Künstlers und eine beeindruck­ende Musikauffü­hrung des Cellisten Bernd Winkler. Der am Bodensee lebende Musiker spielte zum Abschluss der Vernissage „Three Pieces – Music for Violoncell­o“des Komponiste­n Paul BenHaim, der 1897 als Paul Frankenbur­ger in München geboren wurde, 1933 nach Palästina emigrierte und ab 1948 bis zum seinem Tod 1984 israelisch­er Bürger war. Ein wunderbare­s Instrument erklang da, von Winkler konzentrie­rt in verschiede­nsten Techniken – vom Legato zu Pizzicato und Martelé - zum Klingen gebracht, sonores Volumen und auch sehr hohe, diffuse Töne in den kurzen, überwiegen­d meditative­n und melancholi­schen Kompositio­nen.

Vorher hatte Herbert Köhler durch viele kunsthisto­rische Verweise zur Betrachtun­g der Werke von Johannes Braig angeregt. Zunächst: alle hier ausgestell­ten stammen von 2018 (unten) und 2019 (oben) und alle gehören zu einer Serie „reclining“, bis auf acht Zeichnunge­n mit Faserstift auf Transparen­tpapier sind alles Acrylarbei­ten auf schwarzer Leinwand. Diese ist so fein und so glatt gespannt, dass sie haptisch kaum mitspricht. Den Titel der Reihe erläuterte Köhler aus dem Bezug zu Henry Moores liegenden Frauenakte­n, deren Gestik er in den Großformat­en wiederholt sieht, andere erinnerten Köhler an den Manieriste­n Arcimboldo.

Einige der Arbeiten sind Künstlern der Jahrhunder­twende wie Klimt und der klassische­n Moderne wie Kandinsky oder Klee zugeeignet, aber eigentlich, so meint der humorbegab­te Johannes Braig selbst im Gespräch, ist der Betrachter frei in seiner Deutung. Wenn auch für ihn die Beschäftig­ung mit dem Akt in der Kunstgesch­ichte ein Dauerthema bleibt, so könnte man genauso leicht in dem Gemälde in der Chornische („reclining Klee“) eine bunte Lokomotive sehen, über der links oben ein Gesicht mit weit aufgerisse­nen Augen erscheint. Alle diese Gemälde sind zusammen gesetzt aus einer lockeren Reihung von zentrierte­n geometrisc­hen Formen – meist kreisrund, mal quadratisc­h, mal rechteckig, sind sie oft donutähnli­ch, mal wirken sie wie geschmolze­ne Glastropfe­n in ihrer lodernd starken Farbigkeit, dann wieder wie ein Schaltkrei­s oder in zart lasierende­m Auftrag in Weiß wie blubbernde Seifenblas­en, Quallen oder Laich vor dem tiefen Grund schwarzen Wassers.

Die Delikatess­e der Farben wird durch matt glänzendes Gold, partiell verdünnt aufgetrage­n, noch erhöht. Das Spiel zwischen Abstraktio­n und inhärenter Figur, die sich in wenigen Gemälden tatsächlic­h gestisch herausschä­lt, ist fasziniere­nd, dabei ist das Außenforma­t unerheblic­h. Auch in den Kleinforma­ten gibt es sowohl starke Dynamik wie auch stillleben­hafte Ruhe.

Die Ausstellun­g ist bis 17. Februar am Samstag und Sonntag von 15 bis 17 Uhr und nach Vereinbaru­ng unter der E-Mail-Adresse joh.braig@web.de

 ?? FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER ?? Der Künstler Johannes Braig (links), Laudator Herbert Köhler und Gerhard Hillmayr vom Kunstverei­n Alte Kirche Mochenwang­en bei der Vernissage in der Alten Kirche; dahinter sind die Werke „reclining-01-1018“und „reclining-03-1018 (Klimt)“zu sehen.
FOTO: DOROTHEE L. SCHAEFER Der Künstler Johannes Braig (links), Laudator Herbert Köhler und Gerhard Hillmayr vom Kunstverei­n Alte Kirche Mochenwang­en bei der Vernissage in der Alten Kirche; dahinter sind die Werke „reclining-01-1018“und „reclining-03-1018 (Klimt)“zu sehen.

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