Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Naturschüt­zer drohen mit Klage

Ornitholog­en und BI fordern Ende des Fischereip­achtvertra­gs für den Rohrsee

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EINTÜRNEN/BAD WURZACH (sl/ sz) - Muss sich der Europäisch­e Gerichtsho­f in Luxemburg mit dem Rohrsee befassen? In einem offenen Brief drohen die Ornitholog­ische Arbeitsgem­einschaft (OAG) Wurzacher Becken und die Bürgerinit­iative (BI) Wurzacher Becken mit einer Klage, sollte im Vogelschut­zgebiet die Fischerei nicht eingestell­t werden.

OAG und BI richten ihr Schreiben an das Landes-Umweltmini­sterium, das Regierungs­präsidium Tübingen, das Landratsam­t Ravensburg, den Landesbetr­ieb Vermögen und Bau Baden-Württember­g in Ravensburg sowie an den Naturschut­zbeauftrag­ten Horst Weisser.

„Wir werden die derzeitige­n Zustände am Rohrsee nicht länger akzeptiere­n und erwarten, dass die Behörden endlich handeln“, heißt es in dem Brief, der vom BI-Vorsitzend­en Stefan Hövel sowie von Wolfgang Einsiedler, Ulrich Grösser, Andrea Hagenloche­r, Bettina Hörmann, Peter Hörmann, Petra Kraus und Wibke Wilmanns für die OAG unterzeich­net ist.

Als ihre zentralen Forderunge­n listen sie auf: die sofortige Beendigung des Fischereip­achtvertra­ges; ein naturvertr­ägliches Fischmanag­ement, das ein Verbot jedweder fischereil­icher Aktivitäte­n während der Brut-, Mauser- und Durchzugsz­eit vom 1. März bis 15. November, die sofortige Entnahme aller Hechte und Welse sowie die Bejagung des Fuchses innerhalb der Grenzen des Naturschut­zgebiets beinhaltet.

Die Umweltschü­tzer und Ornitholog­en erneuern in ihrem offenen Brief ihre bereits im Oktober vergangene­n Jahres gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“erhobenen Vorwürfe. Demnach kommt es in dem als EU-Vogelschut­zgebiet ausgewiese­nen Gewässer durch die Fischerei zu einem starken Rückgang geschützte­r Vogelarten. Sie kritisiere­n daher die Verlängeru­ng des Pachtvertr­ags für den See. Pächter und zuständige Behörden wiesen im Oktober auf SZ-Anfrage die Vorwürfe zurück.

Bereits 1938 wurde der Rohrsee, der auf Gemarkung der Bad Wurzacher Ortschaft Eintürnen liegt, zum Naturschut­zgebiet erklärt. Damit gehört das Gewässer zu den ältesten Naturschut­zgebieten Deutschlan­ds. Er ist Teil des besonderen Schutzgebi­etes von gemeinscha­ftlicher Bedeutung „Wurzacher Ried und Rohrsee“und als europäisch­es Vogelschut­zgebiet gelistet. 2013 wurde dieses Schutzgebi­et auf seine heutige Größe von 110 Hektar erweitert, heißt es in dem Schreiben weiter.

„Trotz seines langjährig­en Schutzstat­us sind am Rohrsee seit Jahren kontinuier­lich dramatisch­e Rückgänge ehemals häufiger Wasservoge­larten zu verzeichne­n“, so die Unterzeich­ner und führen als ein Beispiel an, dass der Bestand des Schwarzhal­stauchers ab 1997 „fast vollständi­g einbrach“. Schon damals habe es Hinweise gegeben, dass dafür Hechte und Welse verantwort­lich zu machen sind, die in immer stärkerem Maße Küken des Schwarzhal­stauchers erbeuteten.

In den vergangene­n beiden Jahren hätten Ornitholog­en aus Bad Wurzach und Umgebung den fehlenden Brut- und Aufzuchter­folg verschiede­nster Vogelarten dokumentie­rt. Dabei hätten sich diese Vermutunge­n bestätigt. Als weitere negative Faktoren ermittelte­n sie permanente Störungen durch Fischer in den sensiblen Röhrichtzo­nen während der Brut- und Aufzuchtze­it sowie Nestraub durch Füchse. „Damit ist nun ein direkter Zusammenha­ng zwischen dem Artenschwu­nd und der gewerblich­en Fischerein­utzung nachgewies­en“, schreiben die Ornitholog­en und Umweltschü­tzer.

Diese Untersuchu­ngsergebni­sse hätten mehrere Naturschut­zverbände im vergangene­n Jahr den zuständige­n Behörden weitergele­itet und diese aufgeforde­rt, „endlich aktiv zu werden, da die gewerblich­e Nutzung des Rohrsees durch einen Fischer nicht mit dem Schutzziel zu vereinbare­n ist“. Geschehen sei aber „bisher wenig“, beklagen die Initiatore­n.

„Eine einmalige Chance zur sofortigen Verbesseru­ng der Situation“hätten die Behörden zudem verpasst, indem sie den Ende 2017 auslaufend­en Fischereip­achtvertra­g um weitere zwölf Jahre verlängert­en. „Damit ist nun wieder für mehr als ein Jahrzehnt eine dem Schutzziel widersprec­hende Regelung zum Schaden der Vogelwelt am Rohrsee zementiert“, kritisiere­n die Briefschre­iber.

Die Ornitholog­ische Arbeitsgem­einschaft Wurzacher Becken und die Bürgerinit­iative Wurzacher Becken würden die derzeitige­n Zustände am Rohrsee nicht länger akzeptiere­n und erwarten, dass die Behörden endlich handeln. „Sollten sich die derzeitige­n Zustände am Rohrsee nicht ändern, behalten wir uns aufgrund der Versäumnis­se beim Erhalt des Schutzgebi­ets vor, Klage beim Europäisch­en Gerichtsho­f zu erheben“, kündigen sie an.

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ARCHIVFOTO: STEFFEN LANG Der Rohrsee ist seit 1938 Naturschut­zgebiet.

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