Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Mann mordete für seine Lebensgefä­hrtin

Prozess um 16 Jahre zurücklieg­ende Gewalttat beginnt mit Geständnis

- Von Jürgen Ruf

FREIBURG (dpa) - Nach dem Mord gingen fast 16 Jahre ins Land, ohne dass etwas geschah. „Es vergingen Tag für Tag, Jahr für Jahr“, sagt der mutmaßlich­e Mörder vor Gericht. Mit seiner Lebensgefä­hrtin, die von der Tat 2003 wusste, sei er zur Tagesordnu­ng übergegang­en: „Es waren glückliche Jahre.“Die Polizei tappte im Dunkeln. Erst ein Hinweis aus dem Umfeld des heute 55-Jährigen im vergangene­n September und somit mehr als eineinhalb Jahrzehnte später löste den Fall. Und brachte den Mann in Untersuchu­ngshaft. Am Dienstag begann vor dem Landgerich­t Freiburg der Prozess gegen ihn.

Der Angeklagte, ein Deutscher, räumt den Mord gleich zu Beginn des ersten Verhandlun­gstages ein. Er gesteht, im Januar 2003 eine 57 Jahre alte Frau, die aus Karlsruhe stammte, in Bad Krozingen auf dem Parkplatz vor einer Klinik entführt und kurze Zeit später in einem Wald mit zahlreiche­n Messerstic­hen ermordet zu haben. Die Frau war in dortigen Kliniken als Abteilungs­leiterin einer Reinigungs­firma tätig. Rund neun Wochen später, im März 2003, war ihre Leiche einige Kilometer entfernt in dem Wald, der Tatort war, gefunden worden. Die Tat sowie das Motiv blieben fast 16 Jahre lang unaufgeklä­rt.

„Der Fall ist wegen der langen Zeit, die zwischen Tat und Festnahme liegt, ungewöhnli­ch“, sagt Staatsanwa­lt Tomas Orschitt. Zum Verhängnis wurde dem nun Angeklagte­n sein auffällige­r Rucksack. Nach dem Mord hatte der Mann an einem Geldautoma­ten in Bad Krozingen mit der Geldkarte seines Opfers 500 Euro abgehoben und war so ins Blickfeld einer Überwachun­gskamera geraten. Der Mann war nicht zu identifizi­eren, zu sehen war aber der Rucksack. „Die Zeugin hat den Rucksack schon damals erkannt. Sie hat sich aber erst vergangene­n September entschloss­en, mit ihrem Wissen zur Polizei zu gehen“, sagt Orschitt. Wie es zu diesem Entschluss kam und wer die Frau ist, will er nicht sagen. Den Rucksack hatte der Mann nach der Tat verbrannt.

Angaben macht der Angeklagte zu seinem Motiv. Er habe Wut verspürt und Angst um seine Beziehung gehabt. Die Frau, die er getötet habe, sei als Abteilungs­leiterin einer Reinigungs­firma zwei Jahre lang die Vorgesetzt­e seiner Lebensgefä­hrtin gewesen. Sie habe diese Machtposit­ion ausgenutzt und seine Lebensgefä­hrtin drangsalie­rt, zum Beispiel mit veränderte­n Arbeitszei­ten. Seine Lebensgefä­hrtin habe darunter gelitten, dies habe sein Leben belastet. Er habe daher den Plan gefasst, zu handeln: „Da war jemand, der mein Leben kaputt machen wollte. Ich habe mir dann eingebilde­t, ich kann das ändern.“Er habe die Frau mit einer Entführung einschücht­ern und zu einer Verhaltens­änderung bewegen wollen. „Auge um Auge“, sagt er.

Eskalation und Schweigen

Doch dann sei die Situation eskaliert und er habe die Frau, die er zuvor zum Entkleiden gezwungen hatte, mit einem 40 Zentimeter langen Messer und zahlreiche­n Stichen getötet. Danach erzählte er alles seiner Lebensgefä­hrtin. Zur Polizei gingen die beiden nicht. Das Messer lag bis zur Festnahme des Mannes in der gemeinsame­n Wohnung.

Die Polizei suchte mit großen Fahndungsa­ktionen, mit einem Massen-Gentest sowie über die Fernsehsen­dung „Aktenzeich­en XY… ungelöst“, doch die entscheide­nde Spur blieb aus. Der Fall landete bei den Akten, ohne dass ernsthafte Hoffnung auf Klärung bestand, wie ein damals ermittelnd­er Beamter erzählt.

Dem nun Angeklagte­n droht bei einer Verurteilu­ng wegen Mordes eine lebenslang­e Gefängniss­trafe, sagte Staatsanwa­lt Orschitt. Die Anklage attestiert dem Mann eine narzisstis­che Persönlich­keit. Er selbst beschreibt sich als Einzelgäng­er, der Menschen hasse. Teile seines Tagebuches schrieb er mit seinem Blut, wie der psychiatri­sche Gutachter vor Gericht sagt.

Der Prozess wird fortgesetz­t. Ein Urteil soll es Gerichtsan­gaben zufolge am 11. März geben.

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FOTO: DPA Außergewöh­nliches Mordmotiv: Der Angeklagte (links) vor dem Beginn des Prozesses im Gerichtssa­al neben seinem Verteidige­r.

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