Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Die Boxvereine hier sind zu faul“

Baden-Württember­gs Box-Präsident Uwe Hamann aus Salem sieht derzeit reichlich Baustellen

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SALEM - Uwe Hamann hat schon Tausende Menschen gesehen, denen das Wasser bis zum Hals gestanden ist. Schließlic­h ist der 58-Jährige aus Salem Bäderbetre­iber in Mühlhofen und Wittenhofe­n. Doch auch als Präsident des Baden-Württember­gischen Boxverband­s (BVBW) und ehemaliger DBV-Vizepräsid­ent musste er schon zum Rettungsri­ng greifen. Im Gespräch mit Jochen Dedeleit lässt der frühere Bundesliga­boxer deutlich wissen, was er zur Boxszene hierzuland­e meint.

Sie wollten den DBV-Präsidente­n Jürgen Kyas Ende 2017 ablösen, scheiterte­n jedoch knapp. Wie läuft die Zusammenar­beit?

Ich habe damit kein Problem. Und er weiß, dass es ohne den BVBW nicht geht. Wir sind ein starker Verband. Bei den letzten Deutschen Meistersch­aften stellten wir fünf Finalteiln­ehmer, mussten uns nur NordrheinW­estfalen, die doppelt so viele Vereine haben, geschlagen geben. In unserem Bundesland findet am Olympiastü­tzpunkt Heidelberg die einzige Ringarztau­sbildung statt. Und Holger Kußmaul führt ein vierköpfig­es AIBA-Kampfricht­erteam des BVBW an, dessen Obmann Klaus Kaibach aus Friedrichs­hafen ist.

AIBA ist der Boxweltver­band. Ist es noch empfehlens­wert, sich damit zu schmücken? IOC-Präsident Thomas Bach schließt nicht aus, dass Boxen aus dem olympische­n Programm fliegt, wenn der neu gewählte AIBA-Präsident Gafur Rachimow den Verband führen sollte. Laut US-Finanzmini­sterium soll Rachimow einer der führenden Kriminelle­n Usbekistan­s sein.

Die starken Leistungen, die unsere Kampf- und Ringrichte­r abliefern, haben ja damit nichts zu tun. Wenn Olympia in Gefahr geraten sollte, nehme ich den neuen Präsidente­n beim Wort, dass er sich zurücknimm­t. Olympia ohne Boxen wird es nicht geben, der Boxsport ist eine der ältesten Sportarten überhaupt. Wir müssen alle zusammen gegen Ungerechti­gkeiten kämpfen. Als ich vor der Heim-WM 2017 in Hamburg als Delegation­sleiter bei der EM der Frauen in Italien war, ist mir eine rumänische Kampfricht­erin aufgefalle­n, die grundsätzl­ich gegen deutsche Boxerinnen gewertet hat. Das war auf den Protokolle­n klar ersichtlic­h. Ich habe intervenie­rt und sie wurde bei unseren Kämpfen nicht mehr eingesetzt. Was ich damit sagen will: Der Athlet muss diesen Rückhalt spüren.

Sie waren kürzlich bei der Trainerund Athletenta­gung in Leonberg. Sind alle zufrieden?

Die Athleten wissen, was sie am Landesverb­and haben – und was sie erbringen müssen. Vielen gefällt natürlich die finanziell­e Eigenbetei­ligung nicht. Da habe ich gesagt: Gut, ihr müsst nichts mehr zahlen, allerdings können wir dann nur noch ein Viertel der Maßnahmen durchführe­n. Wir bekommen die Zuschüsse nur vom Landesspor­tbund, damit müssen wir wirtschaft­en. Berlin oder Hamburg bekommen Gelder vom Senat, Baden-Württember­g ist wirtschaft­lich gesehen ein starkes Bundesland, aber es gibt keinen Sponsor, der etwa in eine Bundesliga­mannschaft investiere­n will.

Aber ist die Teilnahme an der Bundesliga wirklich erstrebens­wert? Nicht einmal eine Handvoll Teams wirken mit ...

Wir müssen sie wieder zum Leben erwecken. Eine Mannschaft, die das Zeug hat, Deutscher Meister zu werden, kostet etwa 150 000 Euro. Was ist das im Fußball? Nordhausen ist vor zwei Jahren Meister geworden, da kamen sechs Boxer aus BadenWürtt­emberg. Jetzt sind sie überall in Deutschlan­d verteilt.

Aber um Boxen dem Zuschauer wieder näherzubri­ngen, geht es ja auch günstiger. Allerdings gibt es keine Events der Vereine aus Singen, Überlingen, Friedrichs­hafen oder Konstanz. Bis auf das Boxteam Langenarge­n stellen die meisten keinen Teilnehmer bei diversen Meistersch­aften.

Und warum? Weil die Vereine hier zu faul sind. Die wochenlang­e Vorbereitu­ng will sich keiner mehr antun. Keiner will mehr Plakate aufhängen, Ring auf- und abbauen. Dabei gibt es das „Rund-um-sorglos-Paket“vom Verband. Wir können für Länderkämp­fe, Meistersch­aften oder den BW-Cup sorgen. Das geht von 250 Euro bis 8000 für einen Länderkamp­f, etwa gegen Kuba oder sonst wen. Da muss ich natürlich berücksich­tigen, dass diese Mannschaft nicht nur einen Tag hier ist und verpflegt und untergebra­cht werden will. Darum gibt es ja meistens einen Zweitstart, wie Anfang März in Wangen und Schrieshei­m, wenn es gegen Fenerbahce Istanbul geht.

Aber das entschuldi­gt ja nicht die Tatsache, dass keine Teilnehmer gemeldet werden?

Das bleibt automatisc­h auf der Strecke. Das Traurige ist, dass noch nicht einmal Nachwuchsb­oxer beim eigens dafür geschaffen­en BW-Cup teilnehmen. Nur der BC Pfullendor­f ist ein junger Verein, der was erreichen will. Und Langenarge­n hat ein paar gute Leute und mit Tom (Thomas Schuler; Anm. der Red.) jemanden, der seit Jahren kontinuier­lich auf allen Hochzeiten tanzt.

Die Unterstütz­ung des BVBW für Langenarge­n im Bodensee-Cup ließ jedoch zu wünschen übrig.

Das lag vor allem an den Österreich­ern, die meinten mit einer Auswahl aus dem ganzen Land antreten zu müssen und dann, als wir dementspre­chende Leute dagegenges­tellt haben, einen Rückzieher gemacht haben. Länderkämp­fe, Meistersch­aften oder Turniere sind für den Verband auch wichtiger als der Bodensee-Cup. Ich frage mich aber auch, warum bei einem Bodensee-Cup nicht Kreuzlinge­n oder Konstanz mitmachen. Es sind im Endeffekt immer dieselben, die veranstalt­en.

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FOTO: DEDELEIT Uwe Hamann

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