Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ihre Liebe hält seit 75 Jahren
Bernadette und Adolf Spielvogel aus Baienfurt feiern Kronjuwelenhochzeit
Adolf und Bernadette Spielvogel aus Baienfurt feiern Kronjuwelenhochzeit.
BAIENFURT - „Bernadette, bevor ich an die Front komme, heiraten wir!“Mit diesen Worten machte der 18jährige Soldat Adolf Spielvogel seiner Freundin einen Antrag. Es war ein stürmischer Winter, als sie sich am 19. Februar 1944 vermählten. 75 Jahre später sind die beiden immer noch zusammen und feiern ein ganz besonderes Jubiläum: Kronjuwelenhochzeit. Ihre lange Liebesgeschichte ist geprägt von Krieg und Not, aber auch jeder Menge Glück.
Kennengelernt haben sich Bernadette und Adolf Spielvogel 1941 im Alter von 16 Jahren. Damals lebten beide noch bei Mährisch-Schönberg im Sudetenland, dem Gebiet entlang der Grenze der damaligen Tschechoslowakei zu Deutschland. Nach dem Abschluss der Handelsschule musste Bernadette Spielvogel für ein sogenanntes Pflichtjahr im Haushalt einer fremden Familie aushelfen. Das sei im Dritten Reich Pflicht gewesen, erklärt sie. Und so sei sie in das Dorf gekommen, in dem ihr zukünftiger Ehemann lebte. „Es war Schicksal“, sagt Bernadette Spielvogel.
In der Volkstanzgruppe, an der beide teilnahmen, kamen sie sich näher. Er habe sie nach den Tänzen nach Hause begleitet, und so sei langsam „eine wirkliche Liebe entstanden“, erzählt Adolf Spielvogel. Für beide die erste und letzte Liebe zugleich. „Ich war ein hübscher Junge und hätte sicher viele Freundinnen gehabt. Aber ich hatte davor noch kein Interesse“, scherzt er.
Doch das junge Glück wurde schnell auf eine harte Probe gestellt. Adolf Spielvogel wurde 1943 als Soldat eingezogen und sollte in den Krieg ziehen. Weil er gelernter Drogist war, wurde er als Sanitäter ausgebildet. Als solcher versorgte er in Berlin Menschen, die durch die Luftangriffe verletzt wurden.
Bevor er aber selbst an die Front musste, wollte der junge Mann unbedingt seine Freundin Bernadette heiraten. Er schaffte es, seinen Kompaniechef zu überzeugen, und durfte Hochzeitsurlaub nehmen. Noch am Morgen seiner Vermählung musste er bis vier Uhr Kasernenwachdienst halten. Anschließend ging es mit wenig Schlaf zurück in die Heimat. Es lag bergeweise Schnee und stürmte heftig. „Die Leute haben geschaufelt und geschaufelt“, erinnert sich Bernadette Spielvogel. Ihr Vater brachte sie und ihren Bräutigam mit dem Pferdeschlitten zum Standesamt. Nachmittags feierten sie ihre kirchliche Trauung. „Es war eine herrliche Messe“, schwärmt die 93Jährige.
Nach einer Woche Urlaub musste Adolf Spielvogel zurück in den Krieg. Er wurde in Ostpreußen stationiert, wo es bereits schwere Gefechte gegeben hatte. Er kümmerte sich als Kompanie-Nothelfer um viele Verletzte, aber auch um die Toten, die verschüttet im Feld lagen. „Das war grausig“, erinnert er sich. Schon nach wenigen Tagen seien von den 120 Soldaten seiner Kompanie nur noch elf übrig gewesen. Spielvogels großes Glück: Da er als Sanitäter einen weißen Helm mit rotem Kreuz getragen habe, hätten die feindlichen Soldaten nie direkt auf ihn geschossen.
Gefangenschaft und Ungewissheit
Nach dem Krieg geriet Spielvogel in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Briefe, die er an seine Frau schrieb, kamen nicht an. In der Heimat galt er als vermisst. „Das war die schlimmste Zeit meines Lebens“, sagt Bernadette Spielvogel. Auch, weil in der Zwischenzeit der Sohn der beiden zur Welt gekommen sei, der nun ohne Vater leben musste.
Doch dann war wieder das Glück auf der Seite des Ehepaares: Die meisten Briefe aus Deutschland wurden im mittlerweile tschechoslowakischen Sudetenland oft einfach vernichtet. Durch Zufall entdeckte eine Bekannte, die im Rathaus arbeitete, einen Brief von Adolf Spielvogel. Sie fischte ihn aus dem Papierkorb und überbrachte ihn der Adressatin: Bernadette Spielvogel. Das erste Lebenszeichen nach einem Jahr. „Diese Freude kann man nicht beschreiben“, erzählt die Frau. „Ich hab meinen Bub genommen und ihn im Kreis gedreht. Der Papa lebt, der Papa lebt! Das war das Wichtigste.“
1947, nach drei Jahren, war die kleine Familie endlich wieder vereint. Bernadette lebte mittlerweile bei Backnang in Baden-Württemberg. Mit Most und Zwiebelkuchen habe ihn, den ehemaligen Kriegsgefangenen, eine Bäuerin dort empfangen, erzählt Spielvogel. Das werde er nie vergessen. Im von Armut geplagten Nachkriegsdeutschland richteten sich die Spielvogels ihr neues Leben ein, fingen bei null an. Am Anfang fehlte es an Arbeit und Geld, doch mit der Zeit schlugen sie sich immer besser durch.
Beschauliches Leben in Baienfurt
Ihr zweites Kind, Tochter Margot, kam 1958 zur Welt. Sie war es, die später einen Baienfurter heiratete. Und so kamen auch die Spielvogels nach Oberschwaben: Vor 29 Jahren ging Adolf Spielvogel in Rente und zog mit seiner Frau bei der Tochter ein. Sie hätten sich gegenseitig gebraucht und geholfen, sagt Margot Mandel, die sich gemeinsam mit ihren Eltern an frühere Zeiten erinnert.
Heute, mit über 90 Jahren, geht das Ehepaar noch immer jeden Sonntag in die Kirche. Außerdem kochen die beiden dreimal in der Woche selbst. Am wichtigsten sei für die beiden aber immer noch die Familie. Als vor fünf Jahren ihr Sohn starb, sei das ein schlimmer Schicksalsschlag gewesen, so Bernadette Spielvogel. Beide Jubilare erzählen stolz von ihren elf Enkeln und 19 Urenkeln – von jedem wissen sie den Werdegang genau. Mit möglichst vielen von ihnen wollen sie am Sonntag ihren Kronjuwelentag begehen. Rund 50 Gäste haben sie eingeladen, um ihre über 75 Jahre anhaltende Liebe zu feiern.