Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der Landarzt ist unersetzba­r

- Von Sabine Lennartz s.lennartz@schwaebisc­he.de

Auf der Homepage der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung läuft eine Uhr mit genauer Minutenang­abe der verfügbare­n Arztstunde­n. Sie funktionie­rt ähnlich wie die berühmten Schuldenuh­ren des Steuerzahl­erbundes und geht ebenfalls rückwärts. Was bei der Schuldenuh­r erfreulich ist, signalisie­rt jedoch bei den Kassenärzt­en Gefahr: Die Arztstunde­n sinken kontinuier­lich. Umgerechne­t geht alle vier Stunden in Deutschlan­d ein Arzt verloren. Das muss vor allem Menschen in ländlichen Regionen alarmieren.

Vor diesem Hintergrun­d sind Ideen gefragt, wie man die Hausärzte stärken und den Beruf attraktive­r machen kann. Aber auch, wie man sie teilweise entlastet, durch Krankensch­western, durch Telemedizi­n, durch Gesundheit­szentren. Angesichts der Tatsache, dass 72 Prozent der deutschen Hausärzte über 50 sind und ihr Durchschni­ttsalter 55,2 Jahre beträgt, hat man nicht allzu lange Zeit für gute neue Ideen.

Viele junge Ärzte wollen Familie und Beruf vereinbare­n und zögern deshalb, sich niederzula­ssen. Einige möchten auch nur Teilzeit arbeiten. Schon heute gibt es Programme, die eine Niederlass­ung attraktive­r machen könnten. Über eines wird allerdings zu wenig geredet: Arztpraxen von zu viel Budgetieru­ng und Bürokratie zu entlasten, die niedergela­ssenen Ärzten das Leben vergällt.

Vor allem aber muss über Ansätze beim Patienten nachgedach­t werden. Interessan­t ist, dass sich viele der AOK-Befragten nicht an längeren Wegen zum Arzt stören, wenn sie denn vernünftig hinkommen können. Es überrascht zudem, dass sich selbst eine Mehrheit der über 60-Jährigen für eine Kontaktauf­nahme per Video erwärmen kann – wenn sie den Arzt gut kennen und es nur um einen Folgetermi­n oder den Befund geht. Viele Großeltern, die mit ihren Enkeln skypen, können dies auch mit ihrem Hausarzt. Die Gefahr ist natürlich, dass vielleicht der ein oder andere zu viel Gebrauch macht vom schnellen Anruf. Doch auch daran sind Hausärzte gewöhnt, die schon heute oft Seelsorger, Sozialarbe­iter und Mediziner in einem sind. Sie sind unersetzba­r.

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