Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Bundesarbeitsgericht setzt kirchlichen Arbeitgebern Grenzen
Kündigung eines katholischen Chefarztes wegen Wiederheirat ist unwirksam
ERFURT (KNA) - Das Bundesarbeitsgericht hat die Kündigung eines Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus wegen dessen Scheidung und Wiederheirat für unwirksam erklärt. Es habe keine kündigungsrelevante Dienstverletzung vorgelegen, erklärte das Gericht am Mittwoch in Erfurt.
In dem Fall ging es um einen Chefarzt an einem kirchlichen Krankenhaus in Düsseldorf. Dessen Arbeitgeber hatte ihm 2009 unter Verweis auf das katholische Verständnis von der Unauflöslichkeit der Ehe gekündigt. Dagegen hatte der Mediziner geklagt und vorgebracht, dass der Krankenhausträger an nichtkatholische Ärzte in gleicher Funktion solche Anforderungen an die Lebensführung nicht stelle. Dieser Auffassung folgte nun auch das Bundesarbeitsgericht.
Das Erzbistum Köln kündigte in einer ersten Reaktion eine intensive Prüfung des Urteils an. Pressesprecher Christoph Heckeley erklärte in Köln, die Kirche habe ihr Arbeitsrecht inzwischen liberalisiert. „Der Kündigungssachverhalt wäre nach heute geltendem Kirchenrecht anders zu beurteilen.“
Der Bonner Rechtswissenschaftler Gregor Thüsing, der das Verfahren für das Erzbistum juristisch begleitet, erklärte in Berlin, es sei zu prüfen, ob die Entscheidung „das letzte Wort“sei. Grundsätzlich gehe es um den Freiraum, den die Kirchen nach Europarecht bei der Gestaltung ihres verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts hätten. Mit der BAG-Entscheidung sei dies „ein Stück weit klarer geworden“.
Der Vertreter des Krankenhausträgers hatte in der Verhandlung vorgebracht, bestimmte Tätigkeiten auch eines Chefarztes wie die Begleitung krebskranker Patienten seien mit dem Ethos der Kirche verbunden. Deshalb sei die Kirche berechtigt, Mitarbeiter arbeitsrechtlich auf ihr Selbstverständnis zu verpflichten.
Dagegen betonte der Vertreter des Chefarztes, auch die nichtkatholischen Kollegen des Arztes seien verpflichtet gewesen, eine solche Begleitung angemessen zu leisten. Das Urteil sei ein Ansporn, kirchliche Anforderungen „individueller und konkreter zu begründen“.
Nach mehreren Vorinstanzen und dem Bundesverfassungsgericht war der Fall auch zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegangen, der ihn an das Bundesarbeitsgericht zurückverwies. Dabei waren das im Grundgesetz verankerte besondere Arbeitsrecht der Kirchen und der europarechtlich geforderte Schutz vor Diskriminierung abzuwägen.
Der EuGH hatte entschieden, die Auflage, dass ein katholischer Chefarzt den nach kirchlichem Verständnis „heiligen und unauflöslichen Charakter“der Ehe beachte, erscheine nicht als „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“. Zwar dürfe eine Kirche grundsätzlich an ihre leitenden Angestellten – je nach Konfession oder Konfessionslosigkeit – „unterschiedliche Anforderungen“stellen. Nationale Gerichte müssten jedoch überprüfen können, ob die Religion bei der konkreten Tätigkeit ein wesentliches Erfordernis sei.