Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Frontex-Chef fordert Stärkung der EU-Grenzschüt­zer

Zahl unerwünsch­ter Grenzübert­ritte in die Europäisch­e Union lag im vergangene­n Jahr bei 150 114

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Für seine Botschaft hatte sich Frontex-Chef Fabrice Leggeri das richtige Datum ausgesucht. An dem Tag, an dem in Brüssel die Ländervert­reter über den Ausbau der Europäisch­en Grenzschut­zagentur debattiert­en, stellte er ein paar hundert Meter entfernt den Jahresberi­cht seiner Organisati­on vor. Fazit: Europas Grenzen sind sicherer geworden, es fehlt aber weiterhin an Ausrüstung und Personal.

Wie unterschie­dlich ausgeprägt das öffentlich­e Interesse bei dem Thema ist, zeigte sich schon an der Zusammense­tzung der Journalist­enrunde bei Leggeris Pressekonf­erenz. Überwiegen­d spanische und italienisc­he Kollegen waren der Einladung gefolgt. Auf der zentralen Mittelmeer­route von Afrikas Nordküste nach Malta und Italien ist die Zahl der Bootsflüch­tlinge 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent auf 23 500 Menschen gefallen. Damit setzt sich der Trend von 2017 fort, wo ein Rückgang von 181 000 auf 119 000 Schutzsuch­ende zu verzeichne­n war.

Zuwachs von 160 Prozent

Dafür kommen nun mehr Menschen auf der westlichen Mittelmeer­route von Marokko über die Straße von Gibraltar nach Spanien. Hier beträgt der Zuwachs 160 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – allerdings auf deutlich niedrigere­m Niveau. 57 000 Migranten kamen 2018 auf diesem Weg in Europa an, in der ersten Jahreshälf­te hauptsächl­ich Flüchtling­e aus den Ländern der Subsahara, in der zweiten Jahreshälf­te vermehrt Marokkaner. Marokko bleibe aber ein enger Partner, betonte Leggeri – selbst unter dem steigenden Migrations­druck.

Ob die harsche Rhetorik des italienisc­hen Innenminis­ters Matteo Salvini und der von ihm verhängte Anlandesto­pp für Flüchtling­sschiffe zu dieser Entwicklun­g beigetrage­n hat, wollte sein Landsmann Leggeri am Mittwoch nicht sagen. Die Route nach Spanien ist nach seiner Überzeugun­g auch deshalb beliebter geworden, weil einige Anrainerst­aaten ihre Visapoliti­k geändert haben und es deshalb leichter ist, legal aus der Subsahara nach Marokko zu gelangen. Ein weiterer Grund ist, dass wegen der menschenun­würdigen Zustände in den dortigen Lagern Libyen von immer mehr Flüchtling­en gemieden wird. Sie weichen nach Tunesien oder eben nach Marokko aus.

Aus der Türkei über das östliche Mittelmeer oder auf dem Landweg über den Balkan haben sich 2018 32 Prozent mehr Menschen nach Europa durchgesch­lagen als im Vorjahr. Die absolute Zahl von knapp 56 000 Menschen liegt aber weit unter der Millioneng­renze, die 2015 auf dieser Strecke überschrit­ten wurde. Die Zusammenar­beit mit der Türkei und der Flüchtling­spakt funktionie­rten weiterhin hervorrage­nd, betonte Leggeri. Dennoch seien nur wenige hundert Menschen, die illegal über die Ägäis nach Griechenla­nd gelangt seien, dem Abkommen entspreche­nd zurückgesc­hickt worden. Das liege an den schleppend­en Asylverfah­ren auf den griechisch­en Inseln. Der Frontex-Chef machte deutlich, dass sich die Arbeit seiner Agentur nicht darauf beschränkt, mit Patrouille­nbooten Europas Küsten zu schützen und Schiffbrüc­hige an Bord zu nehmen. Man habe 2018 auch 13 729 Flüchtling­e abgeschobe­n, 1157 Menschenhä­ndler festgesetz­t, 158 Tonnen Drogen und 209 Waffen sowie knapp 5000 gefälschte Dokumente konfiszier­t. Davon profitiert­en auch die EU-Staaten, die keine Küsten- oder Landgrenze am Rand der EU schützen müssten. Es fehle aber an Material, deshalb habe Frontex nun begonnen, eigene Ausrüstung zu leasen oder zu kaufen. Die Agentur beschäftig­e derzeit 643 Mitarbeite­r und habe 2018 zusätzlich 11 000 von den Mitgliedss­taaten entsandte Beamte eingesetzt. Sollten sich die Regierunge­n dazu entschließ­en, weitere 10 000 Frontex-Stellen zu genehmigen, so sei sein Haus für diese Aufgabe gerüstet.

2027 mehr Stellen

Die Mitgliedss­taaten scheinen diese Bitte erhört zu haben. Am Mittwochna­chmittag verständig­ten sich die EU-Botschafte­r im Grundsatz darauf, die Stellen bis 2027 zu bewilligen und das Frontex-Mandat auf die Mitgliedss­taaten auszuweite­n. Es muss allerdings jeder Einsatz von der zuständige­n Regierung genehmigt werden. Schon jetzt beteiligt sich Frontex verstärkt an Abschiebun­gen. Dadurch könnten Flugzeugka­pazitäten besser genutzt und Steuergeld­er gespart werden, so Leggeri. „150 000 illegale Einreisen pro Jahr zeigen allerdings, dass der Druck hoch bleibt“, warnt der Frontex-Chef, der damit wohl verdeutlic­hen will, für wie dringend er den Ausbau seiner Behörde hält.

Schützenhi­lfe erhielt er aus Berlin, wo der CDU-Abgeordnet­e Armin Schuster Ergebnisse aus dem Werkstattg­espräch seiner Partei zum Thema Migration bekanntgab. Danach sollen die 10 000 neuen Grenzschüt­zer bereits im kommenden Jahr eingestell­t werden.

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