Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Frontex-Chef fordert Stärkung der EU-Grenzschützer
Zahl unerwünschter Grenzübertritte in die Europäische Union lag im vergangenen Jahr bei 150 114
BRÜSSEL - Für seine Botschaft hatte sich Frontex-Chef Fabrice Leggeri das richtige Datum ausgesucht. An dem Tag, an dem in Brüssel die Ländervertreter über den Ausbau der Europäischen Grenzschutzagentur debattierten, stellte er ein paar hundert Meter entfernt den Jahresbericht seiner Organisation vor. Fazit: Europas Grenzen sind sicherer geworden, es fehlt aber weiterhin an Ausrüstung und Personal.
Wie unterschiedlich ausgeprägt das öffentliche Interesse bei dem Thema ist, zeigte sich schon an der Zusammensetzung der Journalistenrunde bei Leggeris Pressekonferenz. Überwiegend spanische und italienische Kollegen waren der Einladung gefolgt. Auf der zentralen Mittelmeerroute von Afrikas Nordküste nach Malta und Italien ist die Zahl der Bootsflüchtlinge 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 80 Prozent auf 23 500 Menschen gefallen. Damit setzt sich der Trend von 2017 fort, wo ein Rückgang von 181 000 auf 119 000 Schutzsuchende zu verzeichnen war.
Zuwachs von 160 Prozent
Dafür kommen nun mehr Menschen auf der westlichen Mittelmeerroute von Marokko über die Straße von Gibraltar nach Spanien. Hier beträgt der Zuwachs 160 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau. 57 000 Migranten kamen 2018 auf diesem Weg in Europa an, in der ersten Jahreshälfte hauptsächlich Flüchtlinge aus den Ländern der Subsahara, in der zweiten Jahreshälfte vermehrt Marokkaner. Marokko bleibe aber ein enger Partner, betonte Leggeri – selbst unter dem steigenden Migrationsdruck.
Ob die harsche Rhetorik des italienischen Innenministers Matteo Salvini und der von ihm verhängte Anlandestopp für Flüchtlingsschiffe zu dieser Entwicklung beigetragen hat, wollte sein Landsmann Leggeri am Mittwoch nicht sagen. Die Route nach Spanien ist nach seiner Überzeugung auch deshalb beliebter geworden, weil einige Anrainerstaaten ihre Visapolitik geändert haben und es deshalb leichter ist, legal aus der Subsahara nach Marokko zu gelangen. Ein weiterer Grund ist, dass wegen der menschenunwürdigen Zustände in den dortigen Lagern Libyen von immer mehr Flüchtlingen gemieden wird. Sie weichen nach Tunesien oder eben nach Marokko aus.
Aus der Türkei über das östliche Mittelmeer oder auf dem Landweg über den Balkan haben sich 2018 32 Prozent mehr Menschen nach Europa durchgeschlagen als im Vorjahr. Die absolute Zahl von knapp 56 000 Menschen liegt aber weit unter der Millionengrenze, die 2015 auf dieser Strecke überschritten wurde. Die Zusammenarbeit mit der Türkei und der Flüchtlingspakt funktionierten weiterhin hervorragend, betonte Leggeri. Dennoch seien nur wenige hundert Menschen, die illegal über die Ägäis nach Griechenland gelangt seien, dem Abkommen entsprechend zurückgeschickt worden. Das liege an den schleppenden Asylverfahren auf den griechischen Inseln. Der Frontex-Chef machte deutlich, dass sich die Arbeit seiner Agentur nicht darauf beschränkt, mit Patrouillenbooten Europas Küsten zu schützen und Schiffbrüchige an Bord zu nehmen. Man habe 2018 auch 13 729 Flüchtlinge abgeschoben, 1157 Menschenhändler festgesetzt, 158 Tonnen Drogen und 209 Waffen sowie knapp 5000 gefälschte Dokumente konfisziert. Davon profitierten auch die EU-Staaten, die keine Küsten- oder Landgrenze am Rand der EU schützen müssten. Es fehle aber an Material, deshalb habe Frontex nun begonnen, eigene Ausrüstung zu leasen oder zu kaufen. Die Agentur beschäftige derzeit 643 Mitarbeiter und habe 2018 zusätzlich 11 000 von den Mitgliedsstaaten entsandte Beamte eingesetzt. Sollten sich die Regierungen dazu entschließen, weitere 10 000 Frontex-Stellen zu genehmigen, so sei sein Haus für diese Aufgabe gerüstet.
2027 mehr Stellen
Die Mitgliedsstaaten scheinen diese Bitte erhört zu haben. Am Mittwochnachmittag verständigten sich die EU-Botschafter im Grundsatz darauf, die Stellen bis 2027 zu bewilligen und das Frontex-Mandat auf die Mitgliedsstaaten auszuweiten. Es muss allerdings jeder Einsatz von der zuständigen Regierung genehmigt werden. Schon jetzt beteiligt sich Frontex verstärkt an Abschiebungen. Dadurch könnten Flugzeugkapazitäten besser genutzt und Steuergelder gespart werden, so Leggeri. „150 000 illegale Einreisen pro Jahr zeigen allerdings, dass der Druck hoch bleibt“, warnt der Frontex-Chef, der damit wohl verdeutlichen will, für wie dringend er den Ausbau seiner Behörde hält.
Schützenhilfe erhielt er aus Berlin, wo der CDU-Abgeordnete Armin Schuster Ergebnisse aus dem Werkstattgespräch seiner Partei zum Thema Migration bekanntgab. Danach sollen die 10 000 neuen Grenzschützer bereits im kommenden Jahr eingestellt werden.