Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Slowaken hoffen noch immer auf Aufklärung

- Von Rudolf Gruber, Wien

Wer hat Jan Kuciak ermordet und warum? Diese Frage treibt die Slowaken auch ein Jahr später noch um. Die mutmaßlich­en Mörder sind gefasst, die Auftraggeb­er bleiben im Dunkeln.

Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova, beide 27 Jahre alt, waren am 21. Februar 2018 mit Pistolensc­hüssen erschossen worden. Der Mörder hatte den jungen Leuten in ihrer Wohnung in Velka Maca bei Bratislava aufgelauer­t. Kuciak war am Beginn einer Journalist­enkarriere, sein Verhängnis war, dass er mafiosen Geschäftem­achern mit engen Verbindung­en zur Regierung und zur Justiz auf der Spur war.

Die Tat hatte in der Slowakei eine Art Dauerschoc­k ausgelöst, der bis heute anhält. Sie hatte die größten Massenprot­este seit der Wende ausgelöst, die Slowaken hatten plötzlich das Gefühl, nicht in einer Demokratie, sondern in einem Mafiastaat zu leben. „Für eine anständige Slowakei“nannten sie die Bürgerinit­iative treffend, die seither regelmäßig Proteste veranstalt­et.

Als Ende September, sieben Monate nach der Tat, acht Verdächtig­e verhaftet wurden, glaubten die Slowaken noch an Aufklärung. „Ich bin sehr froh, dass die Strafrecht­sorgane jetzt handeln“, sagte Premiermin­ister Peter Pellegrini. Nach weiteren fünf Monaten hat sich der Ermittlung­sstand kaum verändert. Über die eigentlich­en Auftraggeb­er, die nur aus dem Graubereic­h zwischen korrupter Politik und organisier­ter Kriminalit­ät kommen können, herrscht nach wie vor Schweigen.

Nach bisherigen Ermittlung­en werden vier Verdächtig­e mit der Mordtat in Verbindung gebracht. Als Schütze gilt der frühere Sicherheit­spolizist Tomas Sz., der von einem Mittelsman­n namens Zoltan A. den Auftrag erhalten haben soll. Eine Geschäftsf­rau namens Alena Z.habe dafür 73 000 Euro bezahlt. Ein weiterer Verdächtig­er, Miroslav M., habe als Fahrer fungiert.

Großes Aufsehen gab es, als wenig später Medien den umstritten­en Geschäftsm­ann Marian Kocner als mutmaßlich­en Auftraggeb­er ins Spiel brachten. Alena Z. und Kocner sollen enge Geschäftsp­artner sein. Kocner, der bereits seit Juni vorigen Jahres wegen verschiede­ner Wirtschaft­sdelikte in Untersuchu­ngshaft sitzt, hat 2017 Kuciak mehrmals telefonisc­h bedroht, weil dieser über ihn recherchie­rt hatte. Kuciak zeigte Kocner bei der Polizei an, die jedoch blieb untätig.

Ob Kocner den Mord in Auftrag gab und ob ihn die damalige Regierung gedeckt hat, wird wohl kaum geklärt werden. Zwar führte der Journalist­enmord zu spektakulä­ren Rücktritte­n des damaligen Premiers Robert Fico, des Innenminis­ters Robert Kalina und des Polizeiche­fs Tibor Gaspar. Der neue Premier Pellegrini gilt aber als Marionette Ficos.

Deshalb ist das Misstrauen gegen Politik und Justiz unveränder­t groß, zugleich aber erwachte auch das demokratis­che Bewusstsei­n der Bevölkerun­g, namentlich der jungen Generation. Für Donnerstag­abend, den Jahrestag der Ermordung Kuciaks, sind landesweit Trauerprot­este angekündig­t.

 ?? FOTO: DPA ?? Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova sind vor einem Jahr ermordet worden.
FOTO: DPA Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnirova sind vor einem Jahr ermordet worden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany