Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Stadt Ravensburg sucht händeringend nach Wohnungen für Flüchtlinge
Schätzung: 600 Wohnungen stehen trotz der Not auf dem Markt leer
RAVENSBURG (vin/bua) - Für den Bau und die Betreuung von Flüchtlingsunterkünften in Weißenau, Bavendorf und Schmalegg hat die Stadt Ravensburg in den vergangenen Jahren 4,35 Millionen Euro ausgegeben. In Weißenau wurden in Modulbauweise drei Häuser mit 20 Wohnungen errichtet, in Bavendorf und Schmalegg je ein Haus mit vier Wohnungen.
Gerade das Projekt an der Florianstraße mit eigenen Photovoltaikanlagen wurde in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats hoch gelobt. Der dort erzeugte Strom dient dem Eigenverbrauch. Ein weiterer Vorteil: Die Holzmodule können ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Denn die Flüchtlingsunterkunft liegt genau an der Stelle, wo eines schönen Tages die Ausfahrt des Molldietetunnels liegen wird.
Margarete Eger (CDU) findet, dass die Wohnanlage sehr schön aussehe und für Familien gut geeignet sei. Das wirke sich positiv auf die Gesellschaft aus: „Wir sehen, dass wir keine größeren Probleme mit Flüchtlingen haben.“Nora Volmer-Berthele (Grüne) lobte die Stadt, dass sie Bedürftige nicht gegeneinander ausspiele. In der Florianstraße sind nämlich auch obdachlose Deutsche untergebracht. Gisela Müller (SPD) freute sich, dass das Modellprojekt, in dem Soziales und Ökologie so gut miteinander verbunden werde, es sogar ins überregionale Fernsehen geschafft habe.
Oberbürgermeister Daniel Rapp schüttete aber auch Wasser in den Wein. „Wir suchen händeringend Wohnungen. Nicht nur für Geflüchtete, sondern auch für andere Bedürftige“, richtete er einen dringenden Appell an Vermieter, die leer stehende Wohnungen hätten, diese aus Angst vor Mietnomaden oder ausfallenden Zahlungen aber nicht belegen wollten. „Die Stadt mietet diese Wohnungen an und übernimmt die Garantie.“Denn auf Dauer sei die Unterbringung auf engem Raum in den Wohnmodulen eben doch belastend für die Bewohner. „Sie gehen ja ganz normal zur Arbeit und zahlen Miete.“Da hätten sie sich am Abend und am Wochenende auch Ruhe verdient.
„In der Wohnungsmarkt-Kette ganz unten“
„Wir haben in Ravensburg kolossal aufzuholen, was die Integration von Geflüchteten in den Wohnungsmarkt betrifft“, sagte Ravensburgs Erster Bürgermeister Simon Blümcke am Dienstagabend im Beirat für Integrationsfragen. Die Zahl der Flüchtlinge in der Türmestadt nimmt derzeit praktisch nicht mehr zu, dennoch sind die Gemeinschaftsunterkünfte proppenvoll. Das Problem laut Blümcke: Im extrem angespannten Wohnungsmarkt in Ravensburg stehen Geflüchtete „in der WohnungsmarktKette ganz unten“. Mit anderen Worten: Es ist ohnehin schon schwierig, in der Stadt eine Bleibe zu finden; Flüchtlinge als Klientel tun sich in da am allerschwersten.
Der Erste Bürgermeister: „Wir müssen daher leider weiterhin auf Gemeinschaftsunterkünfte setzen.“Und das, obwohl bekannt sei, dass eine eigene Wohnung neben dem eigenen Job am besten zur Integration beitragen. Nicht zuletzt, weil durch den Auszug aus Gemeinschaftsunterkünften eine dezentrale Verteilung der Geflüchteten im Stadtgebiet stattfinde.
Blümcke appellierte daher im Beirat für Integrationsfragen an alle, Wohnungsangebote zu melden: „Wir brauchen jedes Zimmer.“Auch Häuser, die vielleicht nur vorübergehend bewohnbar seien, weil zum Beispiel in naher Zukunft ihr Abbruch geplant sei, seien interessant. Die Stadt bietet seit geraumer Zeit an, selbst als Mieter aufzutreten und Räumlichkeiten an Flüchtlinge unterzuvermieten, damit Vermieter sicher sein können, dass sie regelmäßig ihr Geld bekommen und zudem jemand parat steht, sollten Probleme auftreten. Der Erfolg dieses Projekts ist gering. Nach Aussage von Simon Blümcke können über diesen Weg bisher nur acht Wohnungen vermietet werden. Ähnlich schwach ist die Resonanz auf ein ähnliches Programm der Caritas. Über das Projekt „Herein“, Ende 2017 gestartet, sind derzeit lediglich drei Wohnungen auf den Markt gekommen.
Nach Schätzungen der Stadtverwaltung stehen in Ravensburg derzeit bis zu 600 Wohnungen leer.