Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Giftiger Streit um Pestizide

Ravensburg­er CDU stellt sich gegen Antrag der Grünen und kritisiert BUND-Projekt

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Mehr als 460 Städte und Gemeinden in Deutschlan­d nennen sich inzwischen „Pestizidfr­eie Kommune“und verzichten laut einer Erklärung bei der Pflege ihrer Grünfläche­n auf den Einsatz von chemisch-synthetisc­hen Pflanzensc­hutzmittel­n. Ravensburg zählt noch nicht dazu, obwohl die Grünen im Gemeindera­t den Beitritt zu diesem Projekt des Bundes für Umwelt und Naturschut­z (BUND) bereits im Dezember 2017 beantragt haben. Die CDU hat zuletzt mit einem Gegenantra­g einen geplanten Beschluss gestoppt. Jetzt ist ein giftiger Streit entbrannt.

Seit 1. Dezember 2017 dokumentie­rt der BUND die beteiligte­n Kommunen in einer interaktiv­en Karte. Vor einem Jahr wurde diese Karte mit damals 90 Städten und Gemeinden veröffentl­icht, jetzt hat sich die Anzahl der pestizidfr­eien Kommunen verfünffac­ht. Darunter sind in der Ravensburg­er Nachbarsch­aft Friedrichs­hafen, Bergatreut­e, Leutkirch und Konstanz.

„Viele Kommunalpo­litiker wollen etwas gegen das Insektenst­erben tun. Sie nehmen ihre große Verantwort­ung für Mensch und Umwelt ernst und verbieten den Einsatz von Pestiziden auf ihren Flächen”, sagt Corinna Hölzel, Leiterin des Projekts „Pestizidfr­eie Kommune”. Oftmals werde diese Entscheidu­ng durch insektenfr­eundliche Aktionen begleitet, zum Beispiel werden Rasenfläch­en in Blühwiesen umgewandel­t. Auch auf landwirtsc­haftlichen Flächen, die in kommunalem Eigentum sind, tut sich etwas in Richtung Insektensc­hutz. „Die Gemeinden nehmen Klauseln in die Pachtvertr­äge auf, die den Einsatz von Pestiziden verbieten oder reduzieren“, so Hölzel. Auch in Ravensburg sieht das der Beschlussv­orschlag vor.

Chemisch-synthetisc­he Pestizide werden eingesetzt, um Beikräuter oder ungewünsch­te Insekten zu vernichten. Sie schädigen jedoch laut BUND nicht nur diese, sondern töten auch Bienen, Schmetterl­inge und Wildkräute­r, die wiederum wichtige Nahrungsqu­ellen für Insekten sind. Das Insektenst­erben gefährde andere Tierarten, die sich von ihnen ernähren und beeinträch­tige letztendli­ch die Lebensmitt­elprodukti­on für Menschen, sagt Hölzel.

Auch Ravensburg soll nach dem Willen der Grünen deshalb konsequent auf chemisch-synthetisc­he Pestizide bei der Pflege seiner Grünfläche­n verzichten. Ursprüngli­cher Anlass für den Antrag der Fraktion war 2017 die umstritten­e Zustimmung des damaligen Bundesland­wirtschaft­sministers Christian Schmidt (CSU) zur Verlängeru­ng der Glyphosat-Nutzung.

Die Verwaltung hat den entspreche­nden Antrag dem Gemeindera­t zur Zustimmung empfohlen. Ravensburg geht bei der Pflege der öffentlich­en Anlagen schon lange in diese Richtung. So wird unter anderem am Hauptfried­hof kein Unkrautver­nichtungsm­ittel eingesetzt. Stattdesse­n werden unerwünsch­te Kräuter und Gräser mechanisch, thermisch oder biologisch bekämpft. Die Stadt soll sich nun auch förmlich gegen chemisches Pflanzengi­ft ausspreche­n und dadurch gleichzeit­ig ein Vorbild für private Dienstleis­ter und Gartenbesi­tzer sein, so die Grünen.

„Dargelegte Sachverhal­te sind in weiten Teilen unwahr“

Ein entspreche­nder Beschluss kam aber bislang weder im Gemeindera­t noch im zuständige­n Ausschuss für Umwelt und Technik zustande. Dort hat die CDU jetzt einen Gegenantra­g gestellt, der das BUND-Projekt und den Vorstoß der Grünen massiv kritisiert: „Die dargelegte­n Sachverhal­te sind in weiten Teilen inkonsiste­nt, schlicht unwahr, wissenscha­ftlich nicht haltbar und eher geeignet, einzelne Berufsgrup­pen zu diffamiere­n“, heißt es darin. Und: Ein Projekt müsse nicht Dinge behandeln, die ohnehin verboten seien, so CDU-Stadtrat Manfred Büchele. Auf selbst bewirtscha­fteten kommunalen Flächen dürften grundsätzl­ich keine Pflanzensc­hutzmittel ausgebrach­t werden. Die CDU spricht von einer „zweifelhaf­ten, als Projekt maskierten PR-Kampagne“und fordert „statt Willensbek­undungen konkrete Taten“. Die Fraktion verweist auf ihren Antrag zur Förderung der Biodiversi­tät in Ravensburg. Außerdem will sie zunächst von der Verwaltung detaillier­te „Rahmendate­n“sehen: Beispielsw­eise Anzahl, Flächenumf­ang, Lage von selbst bewirtscha­fteten Flächen und den Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n auf diesen.

Die Grünen-Fraktionsv­orsitzende Maria Weithmann hält das für einen reinen „Verhinderu­ngsantrag“. „Wir halten wie andere Städte einen entspreche­nden Beschluss für ein sehr wichtiges Zeichen.“Sauer ist Weithmann deshalb auch, dass das Thema immer wieder verzögert wird: „Wir haben den Antrag bereits 2017 gestellt und werden seitdem vertröstet.“

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FOTO: DPA/PATRICK PLEUL Der Einsatz von Pestiziden ist weiter ein umstritten­es Thema und beschäftig­t jetzt auch den Ravensburg­er Gemeindera­t.

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