Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Giftiger Streit um Pestizide
Ravensburger CDU stellt sich gegen Antrag der Grünen und kritisiert BUND-Projekt
RAVENSBURG - Mehr als 460 Städte und Gemeinden in Deutschland nennen sich inzwischen „Pestizidfreie Kommune“und verzichten laut einer Erklärung bei der Pflege ihrer Grünflächen auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln. Ravensburg zählt noch nicht dazu, obwohl die Grünen im Gemeinderat den Beitritt zu diesem Projekt des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) bereits im Dezember 2017 beantragt haben. Die CDU hat zuletzt mit einem Gegenantrag einen geplanten Beschluss gestoppt. Jetzt ist ein giftiger Streit entbrannt.
Seit 1. Dezember 2017 dokumentiert der BUND die beteiligten Kommunen in einer interaktiven Karte. Vor einem Jahr wurde diese Karte mit damals 90 Städten und Gemeinden veröffentlicht, jetzt hat sich die Anzahl der pestizidfreien Kommunen verfünffacht. Darunter sind in der Ravensburger Nachbarschaft Friedrichshafen, Bergatreute, Leutkirch und Konstanz.
„Viele Kommunalpolitiker wollen etwas gegen das Insektensterben tun. Sie nehmen ihre große Verantwortung für Mensch und Umwelt ernst und verbieten den Einsatz von Pestiziden auf ihren Flächen”, sagt Corinna Hölzel, Leiterin des Projekts „Pestizidfreie Kommune”. Oftmals werde diese Entscheidung durch insektenfreundliche Aktionen begleitet, zum Beispiel werden Rasenflächen in Blühwiesen umgewandelt. Auch auf landwirtschaftlichen Flächen, die in kommunalem Eigentum sind, tut sich etwas in Richtung Insektenschutz. „Die Gemeinden nehmen Klauseln in die Pachtverträge auf, die den Einsatz von Pestiziden verbieten oder reduzieren“, so Hölzel. Auch in Ravensburg sieht das der Beschlussvorschlag vor.
Chemisch-synthetische Pestizide werden eingesetzt, um Beikräuter oder ungewünschte Insekten zu vernichten. Sie schädigen jedoch laut BUND nicht nur diese, sondern töten auch Bienen, Schmetterlinge und Wildkräuter, die wiederum wichtige Nahrungsquellen für Insekten sind. Das Insektensterben gefährde andere Tierarten, die sich von ihnen ernähren und beeinträchtige letztendlich die Lebensmittelproduktion für Menschen, sagt Hölzel.
Auch Ravensburg soll nach dem Willen der Grünen deshalb konsequent auf chemisch-synthetische Pestizide bei der Pflege seiner Grünflächen verzichten. Ursprünglicher Anlass für den Antrag der Fraktion war 2017 die umstrittene Zustimmung des damaligen Bundeslandwirtschaftsministers Christian Schmidt (CSU) zur Verlängerung der Glyphosat-Nutzung.
Die Verwaltung hat den entsprechenden Antrag dem Gemeinderat zur Zustimmung empfohlen. Ravensburg geht bei der Pflege der öffentlichen Anlagen schon lange in diese Richtung. So wird unter anderem am Hauptfriedhof kein Unkrautvernichtungsmittel eingesetzt. Stattdessen werden unerwünschte Kräuter und Gräser mechanisch, thermisch oder biologisch bekämpft. Die Stadt soll sich nun auch förmlich gegen chemisches Pflanzengift aussprechen und dadurch gleichzeitig ein Vorbild für private Dienstleister und Gartenbesitzer sein, so die Grünen.
„Dargelegte Sachverhalte sind in weiten Teilen unwahr“
Ein entsprechender Beschluss kam aber bislang weder im Gemeinderat noch im zuständigen Ausschuss für Umwelt und Technik zustande. Dort hat die CDU jetzt einen Gegenantrag gestellt, der das BUND-Projekt und den Vorstoß der Grünen massiv kritisiert: „Die dargelegten Sachverhalte sind in weiten Teilen inkonsistent, schlicht unwahr, wissenschaftlich nicht haltbar und eher geeignet, einzelne Berufsgruppen zu diffamieren“, heißt es darin. Und: Ein Projekt müsse nicht Dinge behandeln, die ohnehin verboten seien, so CDU-Stadtrat Manfred Büchele. Auf selbst bewirtschafteten kommunalen Flächen dürften grundsätzlich keine Pflanzenschutzmittel ausgebracht werden. Die CDU spricht von einer „zweifelhaften, als Projekt maskierten PR-Kampagne“und fordert „statt Willensbekundungen konkrete Taten“. Die Fraktion verweist auf ihren Antrag zur Förderung der Biodiversität in Ravensburg. Außerdem will sie zunächst von der Verwaltung detaillierte „Rahmendaten“sehen: Beispielsweise Anzahl, Flächenumfang, Lage von selbst bewirtschafteten Flächen und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf diesen.
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Maria Weithmann hält das für einen reinen „Verhinderungsantrag“. „Wir halten wie andere Städte einen entsprechenden Beschluss für ein sehr wichtiges Zeichen.“Sauer ist Weithmann deshalb auch, dass das Thema immer wieder verzögert wird: „Wir haben den Antrag bereits 2017 gestellt und werden seitdem vertröstet.“