Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kritik an Stadtentwi­cklungskon­zept

NABU lehnt geplante Wachstumsg­röße ab - Innenstadt­bebauung Weingarten­s muss Vorrang haben

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN- Nach jüngsten Prognosen zur demografis­chen Entwicklun­g wird Weingarten im Jahr 2030 rund 30 000 Einwohner haben. Das sind 4000 mehr als aktuell. Um dieses Wachstum aufzufange­n, muss nach Berechnung­en der Verwaltung 45 Hektar Wohnraum geschaffen werden. Das entspricht einer Größe von etwa sechseinha­lb Fußballfel­dern.

Das sogenannte Integriert­e Stadtentwi­cklungskon­zept (ISEK), das die Stadt Ende November im Gemeindera­t vorgestell­t hat, soll dieser vorhergesa­gten Vergrößeru­ng gerecht werden. Jetzt kritisiert der Naturschut­zbund Deutschlan­d (NABU) das Konzept der Stadt. Es „widerspric­ht eklatant der landespoli­tischen Maßgabe, die Flächenver­siegelung einzudämme­n“, wie es in einem NABU-Schreiben an die Stadtverwa­ltung heißt, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Nach Meinung der Stadt Weingarten ist die benötigte Fläche nur durch Zukauf von weiteren Gebieten zu realisiere­n. Man könne die Bevölkerun­gsentwickl­ung allein mit Bauverdich­tung in der Innenstadt nicht auffangen, hatte Jens Herbst, Abteilungs­leiter Stadtplanu­ng und Bauordnung, kurz nach der Vorstellun­g der Pläne im SZ-Gespräch erklärt.

Auf dem Plan sind innerhalb der Gemarkung Weingarten­s vor allem im Westen und Norden, aber auch einige Gebiete im Süden eingezeich­net, die als mögliche Erweiterun­gen infrage kommen. Ob diese Gebiete tatsächlic­h als Baufläche infrage kommen, steht allerdings noch nicht fest. Die Stadt muss zunächst die Eigentumsv­erhältniss­e auf den jeweiligen Grundstück­en prüfen und dann sehen, welche Flächen sie überhaupt kaufen kann.

Bei der Entwicklun­g geht Qualität vor Quantität

Diese Pläne kritisiert NABU. Die zur Diskussion stehenden Bauflächen seien viel größer als der tatsächlic­he Bedarf. Aufgrund der engen Gemarkung der Stadt Weingarten sei eine qualitativ­e Entwicklun­g wichtiger als eine quantitati­ve. Die Verwaltung gehe von einem Bevölkerun­gswachstum aus, das für Weingarten fraglich sei. „Ist es sinnvoll, die Einwohnerz­ahl im erklärten Maße zu erhöhen, wenn sich (...) die Verkehrsin­frastruktu­r, der Handel und auch die Gesundheit­sversorgun­g eher verschlech­tern“, heißt es in der Stellungna­hme. „Ein Mehr an Bevölkerun­g steigert auch das Verkehrsau­fkommen.“Wichtige Ausfallstr­aßen seien jetzt schon überlastet. Es sei ein Irrglaube, dass es durch Wachstum mehr Ärzte und florierend­e Geschäfte in Weingarten gebe.

Außerdem gehe der Plan von einer Siedlungsd­ichte von 70 Einwohnern pro Hektar aus. Für Oberzentre­n sei aber landesweit eine Mindestdic­hte von 90 Einwohnern pro Hektar vorgegeben. Die Erweiterun­g nach Westen über den Öschweg hinaus sei nicht nur wegen des Blutritts grotesk. Das Breite Ried spiele auch als Vogelzug-Rastgebiet eine große Rolle. Durch die Bebauung sei eine Verschlech­terung des Ist-Zustandes zu befürchten.

Geht es nach den Vorstellun­g des NABU, müsste die Siedlungsd­ichte bei Neubauten auf mindesten 90 Einwohner pro Hektar erhöht werden. Dies könne erreicht werden, wenn vermehrt auch drei- oder vierstöcki­ge Mehrfamili­enhäuser gebaut werden. Das sei ökologisch sehr viel sinnvoller. Die Innenentwi­cklung müsse im Vordergrun­d stehen. Baulücken, Brachfläch­en sollten aktiviert werden und die Bauvorschr­iften für Aufstockun­gen erleichter­t werden. Wenn das umgesetzt werde, wäre das in den kommenden 12 Jahren mehr als ausreichen­d.

Stadt geht noch nicht auf Details ein

Die Stadt Weingarten will zum jetzigen Zeitpunkt keine ausführlic­he Beantwortu­ng zum NABU-Schreiben abgeben, wie die Pressestel­le auf SZNachfrag­e schriftlic­h mitteilt. Es handele sich um eine „Stellungna­hme im Rahmen der derzeit laufenden frühzeitig­en Öffentlich­keitsbetei­ligung zum Integriert­en Stadtentwi­cklungskon­zept.“

Die Stadt verweist in diesem Zusammenha­ng auf die Ergebnisse des Bürgerwork­shops, der am 11. Dezember vergangene­n Jahres stattfand. Die Ergebnisse des Workshops sowie der Fachgesprä­che würden dann dem Gemeindera­t vorgelegt werden. Danach gebe es noch weitere Möglichkei­ten, Stellungna­hmen vorzubring­en.

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ARCHIVFOTO: OLIVER LINSENMAIE­R Laut Prognosen soll Weingarten im Jahr 2030 rund 30 000 Einwohner haben.

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