Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kritik an Stadtentwicklungskonzept
NABU lehnt geplante Wachstumsgröße ab - Innenstadtbebauung Weingartens muss Vorrang haben
WEINGARTEN- Nach jüngsten Prognosen zur demografischen Entwicklung wird Weingarten im Jahr 2030 rund 30 000 Einwohner haben. Das sind 4000 mehr als aktuell. Um dieses Wachstum aufzufangen, muss nach Berechnungen der Verwaltung 45 Hektar Wohnraum geschaffen werden. Das entspricht einer Größe von etwa sechseinhalb Fußballfeldern.
Das sogenannte Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK), das die Stadt Ende November im Gemeinderat vorgestellt hat, soll dieser vorhergesagten Vergrößerung gerecht werden. Jetzt kritisiert der Naturschutzbund Deutschland (NABU) das Konzept der Stadt. Es „widerspricht eklatant der landespolitischen Maßgabe, die Flächenversiegelung einzudämmen“, wie es in einem NABU-Schreiben an die Stadtverwaltung heißt, das der „Schwäbischen Zeitung“vorliegt.
Nach Meinung der Stadt Weingarten ist die benötigte Fläche nur durch Zukauf von weiteren Gebieten zu realisieren. Man könne die Bevölkerungsentwicklung allein mit Bauverdichtung in der Innenstadt nicht auffangen, hatte Jens Herbst, Abteilungsleiter Stadtplanung und Bauordnung, kurz nach der Vorstellung der Pläne im SZ-Gespräch erklärt.
Auf dem Plan sind innerhalb der Gemarkung Weingartens vor allem im Westen und Norden, aber auch einige Gebiete im Süden eingezeichnet, die als mögliche Erweiterungen infrage kommen. Ob diese Gebiete tatsächlich als Baufläche infrage kommen, steht allerdings noch nicht fest. Die Stadt muss zunächst die Eigentumsverhältnisse auf den jeweiligen Grundstücken prüfen und dann sehen, welche Flächen sie überhaupt kaufen kann.
Bei der Entwicklung geht Qualität vor Quantität
Diese Pläne kritisiert NABU. Die zur Diskussion stehenden Bauflächen seien viel größer als der tatsächliche Bedarf. Aufgrund der engen Gemarkung der Stadt Weingarten sei eine qualitative Entwicklung wichtiger als eine quantitative. Die Verwaltung gehe von einem Bevölkerungswachstum aus, das für Weingarten fraglich sei. „Ist es sinnvoll, die Einwohnerzahl im erklärten Maße zu erhöhen, wenn sich (...) die Verkehrsinfrastruktur, der Handel und auch die Gesundheitsversorgung eher verschlechtern“, heißt es in der Stellungnahme. „Ein Mehr an Bevölkerung steigert auch das Verkehrsaufkommen.“Wichtige Ausfallstraßen seien jetzt schon überlastet. Es sei ein Irrglaube, dass es durch Wachstum mehr Ärzte und florierende Geschäfte in Weingarten gebe.
Außerdem gehe der Plan von einer Siedlungsdichte von 70 Einwohnern pro Hektar aus. Für Oberzentren sei aber landesweit eine Mindestdichte von 90 Einwohnern pro Hektar vorgegeben. Die Erweiterung nach Westen über den Öschweg hinaus sei nicht nur wegen des Blutritts grotesk. Das Breite Ried spiele auch als Vogelzug-Rastgebiet eine große Rolle. Durch die Bebauung sei eine Verschlechterung des Ist-Zustandes zu befürchten.
Geht es nach den Vorstellung des NABU, müsste die Siedlungsdichte bei Neubauten auf mindesten 90 Einwohner pro Hektar erhöht werden. Dies könne erreicht werden, wenn vermehrt auch drei- oder vierstöckige Mehrfamilienhäuser gebaut werden. Das sei ökologisch sehr viel sinnvoller. Die Innenentwicklung müsse im Vordergrund stehen. Baulücken, Brachflächen sollten aktiviert werden und die Bauvorschriften für Aufstockungen erleichtert werden. Wenn das umgesetzt werde, wäre das in den kommenden 12 Jahren mehr als ausreichend.
Stadt geht noch nicht auf Details ein
Die Stadt Weingarten will zum jetzigen Zeitpunkt keine ausführliche Beantwortung zum NABU-Schreiben abgeben, wie die Pressestelle auf SZNachfrage schriftlich mitteilt. Es handele sich um eine „Stellungnahme im Rahmen der derzeit laufenden frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung zum Integrierten Stadtentwicklungskonzept.“
Die Stadt verweist in diesem Zusammenhang auf die Ergebnisse des Bürgerworkshops, der am 11. Dezember vergangenen Jahres stattfand. Die Ergebnisse des Workshops sowie der Fachgespräche würden dann dem Gemeinderat vorgelegt werden. Danach gebe es noch weitere Möglichkeiten, Stellungnahmen vorzubringen.