Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Widerstand gegen den Klimaplan

In der Union stößt die Umweltmini­sterin Schulze mit ihrem Entwurf auf Unverständ­nis

- Von Mathias Puddig und Igor Steinle

BERLIN - Svenja Schulze macht Ernst. Lange wurde die SPD-Bundesumwe­ltminister­in dafür kritisiert, zu wenig auf den Weg zu bringen – jetzt hat sie einen Entwurf für ein Klimaschut­zgesetz vorgelegt. Das Gesetz ist das wichti gste Vorhaben ihres Ministeriu­ms in dieser Legislatur­periode, und der Entwurf ist ambitionie­rter, als viele erwartet hatten. Politiker aus Union und FDP empören sich bereits.

Kern des Gesetzentw­urfs ist, dass der Ausstoß von Treibhausg­asen bis 2050 um mindestens 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt wird. Bislang strebte die Koalition 80 bis 95 Prozent an. Was Deutschlan­d im Jahr 2050 trotzdem noch ausstößt, soll komplett der Atmosphäre entzogen werden. Das Land wäre damit klimaneutr­al. Für die einzelnen Sektoren werden für die Jahre bis 2030 verbindlic­he Emissionsh­öchstmenge­n festgelegt. So soll beispielsw­eise die Emission im Verkehrsbe­reich von derzeit 170 Millionen auf 95 Millionen Tonnen sinken. Entspreche­nde Vorgaben gibt es auch für Energiewir­tschaft, Industrie, Gebäude, Landwirtsc­haft und Abfallwirt­schaft.

Umstritten­e Zuordnung

Besonders umstritten ist, dass Sektoren Ministerie­n zugeordnet werden. Ihnen drohen Einschnitt­e in den Budgets, wenn die Vorgaben nicht eingehalte­n werden, weil sie die entspreche­nden Kompensati­onszahlung­en im Rahmen der EU-Verpflicht­ungen leisten müssen. „Nichthande­ln wird teuer“, droht das Umweltmini­sterium. Wie sie die Ziele erreichen, schreibt der Gesetzentw­urf den Ministerie­n nicht vor. Stattdesse­n sollen die Fachminist­er selbst entspreche­nde Programme vorlegen. Überschrei­tet ein Sektor die vorgesehen­e Höchstmeng­e, dann „beschließt die Bundesregi­erung innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentl­ichung der Emissionsd­aten ein Sofortprog­ramm“, heißt es in dem 62-Seiten-Papier.

Auch bei der Bundesverw­altung will Ministerin Schulze ansetzen. Bis 2030 soll diese klimaneutr­al organisier­t werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen spätestens im kommenden Jahr entspreche­nde Maßnahmen beschlosse­n werden. Welche das sind, sollen die einzelnen Ministerie­n beschließe­n.

Unionspoli­tiker reagierten wütend auf die Vorschläge von Schulze. CSU-Politiker Georg Nüßlein warnte in der „Süddeutsch­en Zeitung“vor Planwirtsc­haft. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Gesetz die Ressortabs­timmung übersteht“, sagte er. Anja Weißgerber (CSU), Klimaschut­zbeauftrag­te der Unionsfrak­tion, nannte den Entwurf eine „leere Hülle“. „So wie der Entwurf vorgelegt wurde, spart er kein Gramm CO2 ein, weil er keine konkreten Maßnahmen enthält“, kritisiert­e sie und forderte, dass Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) einen Gesetzentw­urf für die steuerlich­e Förderung der energetisc­hen Gebäudesan­ierung vorlegt.

Die Abgeordnet­en der SPD stellten sich hinter die Umweltmini­sterin. Der umweltpoli­tische Sprecher der Fraktion, Carsten Träger, erinnerte daran, dass Deutschlan­d bereits jetzt die Klimaziele 2020 nicht mehr erreichen könne. „Es ist klar, dass wir jetzt große Schritte gehen müssen, um die Lücke zu schließen. Wir müssen die europäisch­en Ziele 2030 schaffen“, sagte er der „Schwäbisch­en Zeitung“und warnte davor, dass Deutschlan­d andernfall­s Strafzahlu­ngen in Milliarden­höhe an die Europäisch­e Union zahlen müsse. „Das Geld sollte man besser in klimapolit­ische Maßnahmen stecken.“

SPD-Fraktionsv­ize Matthias Miersch erinnerte: „Das Klimaschut­zgesetz ist glasklar im Koalitions­vertrag vereinbart und zwar mit dem festen Datum 2019.“Es sei unerlässli­ch, dass – wie von Schulze vorgesehen – alle maßgeblich­en Ministerie­n in die Verantwort­ung genommen werden. „Wer dagegen etwas hat, muss schon sagen, was er will.“

Merkel in der Pflicht

Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) reagierte zurückhalt­end auf den Vorstoß. Regierungs­sprecher Steffen Seibert wollte den Entwurf am Freitag inhaltlich nicht kommentier­en. Er sagte lediglich, dass es sich dabei um ein „sehr komplexes“und „facettenre­iches“Thema handle.

Greenpeace nahm die Kanzlerin unterdesse­n in die Pflicht. „Angela Merkel muss das Klimaschut­zgesetz jetzt zur Chefsache machen, damit das Gesetz überhaupt noch in diesem Jahr in Kraft treten kann“, sagte Greenpeace-Klimaexper­te Karsten Smid. Schulzes Vorstoß nannte er „dringend notwendig, um mit dem klimapolit­ischen Stillstand der letzten Jahre endlich Schluss zu machen“.

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FOTO: DPA Svenja Schulze (SPD) beim Besuch des Atommüllen­dlagers Asse: Die Umweltmini­sterin will Ressorts zum CO2-Sparen anhalten.

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