Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Widerstand gegen den Klimaplan
In der Union stößt die Umweltministerin Schulze mit ihrem Entwurf auf Unverständnis
BERLIN - Svenja Schulze macht Ernst. Lange wurde die SPD-Bundesumweltministerin dafür kritisiert, zu wenig auf den Weg zu bringen – jetzt hat sie einen Entwurf für ein Klimaschutzgesetz vorgelegt. Das Gesetz ist das wichti gste Vorhaben ihres Ministeriums in dieser Legislaturperiode, und der Entwurf ist ambitionierter, als viele erwartet hatten. Politiker aus Union und FDP empören sich bereits.
Kern des Gesetzentwurfs ist, dass der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2050 um mindestens 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt wird. Bislang strebte die Koalition 80 bis 95 Prozent an. Was Deutschland im Jahr 2050 trotzdem noch ausstößt, soll komplett der Atmosphäre entzogen werden. Das Land wäre damit klimaneutral. Für die einzelnen Sektoren werden für die Jahre bis 2030 verbindliche Emissionshöchstmengen festgelegt. So soll beispielsweise die Emission im Verkehrsbereich von derzeit 170 Millionen auf 95 Millionen Tonnen sinken. Entsprechende Vorgaben gibt es auch für Energiewirtschaft, Industrie, Gebäude, Landwirtschaft und Abfallwirtschaft.
Umstrittene Zuordnung
Besonders umstritten ist, dass Sektoren Ministerien zugeordnet werden. Ihnen drohen Einschnitte in den Budgets, wenn die Vorgaben nicht eingehalten werden, weil sie die entsprechenden Kompensationszahlungen im Rahmen der EU-Verpflichtungen leisten müssen. „Nichthandeln wird teuer“, droht das Umweltministerium. Wie sie die Ziele erreichen, schreibt der Gesetzentwurf den Ministerien nicht vor. Stattdessen sollen die Fachminister selbst entsprechende Programme vorlegen. Überschreitet ein Sektor die vorgesehene Höchstmenge, dann „beschließt die Bundesregierung innerhalb von sechs Monaten nach Veröffentlichung der Emissionsdaten ein Sofortprogramm“, heißt es in dem 62-Seiten-Papier.
Auch bei der Bundesverwaltung will Ministerin Schulze ansetzen. Bis 2030 soll diese klimaneutral organisiert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen spätestens im kommenden Jahr entsprechende Maßnahmen beschlossen werden. Welche das sind, sollen die einzelnen Ministerien beschließen.
Unionspolitiker reagierten wütend auf die Vorschläge von Schulze. CSU-Politiker Georg Nüßlein warnte in der „Süddeutschen Zeitung“vor Planwirtschaft. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses Gesetz die Ressortabstimmung übersteht“, sagte er. Anja Weißgerber (CSU), Klimaschutzbeauftragte der Unionsfraktion, nannte den Entwurf eine „leere Hülle“. „So wie der Entwurf vorgelegt wurde, spart er kein Gramm CO2 ein, weil er keine konkreten Maßnahmen enthält“, kritisierte sie und forderte, dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) einen Gesetzentwurf für die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung vorlegt.
Die Abgeordneten der SPD stellten sich hinter die Umweltministerin. Der umweltpolitische Sprecher der Fraktion, Carsten Träger, erinnerte daran, dass Deutschland bereits jetzt die Klimaziele 2020 nicht mehr erreichen könne. „Es ist klar, dass wir jetzt große Schritte gehen müssen, um die Lücke zu schließen. Wir müssen die europäischen Ziele 2030 schaffen“, sagte er der „Schwäbischen Zeitung“und warnte davor, dass Deutschland andernfalls Strafzahlungen in Milliardenhöhe an die Europäische Union zahlen müsse. „Das Geld sollte man besser in klimapolitische Maßnahmen stecken.“
SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch erinnerte: „Das Klimaschutzgesetz ist glasklar im Koalitionsvertrag vereinbart und zwar mit dem festen Datum 2019.“Es sei unerlässlich, dass – wie von Schulze vorgesehen – alle maßgeblichen Ministerien in die Verantwortung genommen werden. „Wer dagegen etwas hat, muss schon sagen, was er will.“
Merkel in der Pflicht
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte zurückhaltend auf den Vorstoß. Regierungssprecher Steffen Seibert wollte den Entwurf am Freitag inhaltlich nicht kommentieren. Er sagte lediglich, dass es sich dabei um ein „sehr komplexes“und „facettenreiches“Thema handle.
Greenpeace nahm die Kanzlerin unterdessen in die Pflicht. „Angela Merkel muss das Klimaschutzgesetz jetzt zur Chefsache machen, damit das Gesetz überhaupt noch in diesem Jahr in Kraft treten kann“, sagte Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. Schulzes Vorstoß nannte er „dringend notwendig, um mit dem klimapolitischen Stillstand der letzten Jahre endlich Schluss zu machen“.