Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nicht sicher für alle
Ruanda gilt als Vorzeigeland in Afrika - Aber Kritiker von Präsident Kagame leben gefährlich
KIGALI - Ruanda ist ein armes Land – und gilt dennoch als wirtschaftliche Erfolgsgeschichte. Präsident Paul Kagame treibt die wirtschaftliche Entwicklung des Kleinstaates voran. Politische Freiheiten haben weniger Gewicht. Für die Bundesregierung ist das Land dennoch ein bevorzugter Entwicklungspartner.
In den Nationalfarben blau, gelb und grün leuchtet das 2016 eröffnete Kigali Convention Centre nachts über Ruandas Hauptstadt. Die spiralförmige Kuppel ist der Bauweise traditioneller Rundhütten nachempfunden, geplant wurde sie von einem Münchner Architekturbüro. Zu dem Projekt gehören auch ein Fünfsternehotel, Bürogebäude und eine Shoppingmall. Kostenpunkt: 250 Millionen Euro.
Nach dem Völkermord
Der Komplex soll ein Aushängeschild sein für Ruanda. Und ein Anziehungspunkt: Die Regierung von Präsident Kagame will Kigali zu einem führenden Standort für internationale Konferenzen ausbauen. Mit Erfolg: Schon 2017 fanden hier nach Angaben des Branchenverbands ICCA 21 Großveranstaltungen statt – damit lag Kigali in Afrika auf dem dritten Platz hinter Kapstadt und Johannesburg. Gleichzeitig wurden die nationale Fluglinie RwandAir ausgebaut; die Regeln zur Erteilung von Visa an Ausländer – in vielen afrikanischen Staaten eine umständliche Prozedur – erleichtert.
Das Beispiel zeigt, wie planvoll Kagame das Land modernisiert, das nach dem Völkermord von 1994 mit bis zu einer Million Toten am Boden zerstört war. Als Rebellenführer hatte Kagame im Juli 1994 mit seiner FPR-Miliz – der heutigen Regierungspartei – die Vorgängerregierung gestürzt und den Völkermord beendet. Seitdem dominiert er die Politik des Landes. Heute hebt sich Ruanda nach Ansicht vieler AfrikaExperten deutlich von anderen Staaten in der Region ab. „Andere Länder haben auch Visionen, aber das Problem ist die Umsetzung“, sagt Fodé Ndiaye, oberster Vertreter der Vereinten Nationen in Kigali. „In Ruanda gibt es eine Vision, und die wird auch umgesetzt.“
Leichter Einstieg für Investoren
Um die Wirtschaft voranzubringen, wird internationalen Investoren der Einstieg so leicht wie möglich gemacht. Davon profitiert etwa der chinesische Textilproduzent „C & H Made in Africa“. „Wir sind 2015 mit einer kleinen Fabrik und 300 Arbeitern gestartet“, sagt die von den Philippinen stammende Managerin Malou Jontilano. Heute arbeiten in den Hallen in einem Industriegebiet am Stadtrand von Kigali 1000 Mitarbeiter, in fünf Jahren sollen es 10 000 sein. In langen Reihen sitzen die Arbeiter an Nähmaschinen und produzieren grellgelbe Warnwesten für den britischen Markt und SoftshellJacken für Deutschland.
Der Textildiscounter Kik hat sie geordert, 50 000 Stück. „Das ist ein Testauftrag“, sagt Jontilano – wenn es gut läuft, folgen größere Chargen. Für Ruandas Regierung ist die Asiatin voll des Lobes: „Die Unterstützung ist wirklich gut. Investoren bekommen für sämtliche Anliegen einen zentralen Ansprechpartner.“Im „Ease of Doing Business“-Bericht der Weltbank liegt Ruanda auf Platz 29 von 190 Staaten, als zweitbestes afrikanisches Land nach Mauritius, und noch vor Spanien und Frankreich. Das spricht sich herum. Im vergangenen Sommer kamen innerhalb weniger Tage die Staatschefs von China und Indien, Xi Jinping und Narendra Modi, nach Kigali. Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) war auch schon da. Er bezeichnet Ruanda als „Erfolgsmodell“.
Während ihrer G20-Präsidentschaft 2017 rief die Bundesregierung einen „Compact with Africa“ins Leben, der Investitionspatenschaften zwischen europäischen und afrikanischen Staaten befördern sollte – Ruanda war unter den ersten Teilnehmern.
Sicherer als Südafrika
Textil-Managerin Jontilano nennt einen weiteren Grund, der für Ruanda spricht: „Dieser Ort ist sehr sicher.“Tatsächlich ist es in der Millionenstadt Kigali auch nachts ohne Weiteres möglich, alleine durch die Straßen zu laufen. In Johannesburg oder Nairobi wäre das undenkbar. Die Sicherheit hat ihren Grund: Mit der Dämmerung stehen plötzlich an den Straßenecken Männer in dunklen Mänteln, mit strengem Blick und schweren Maschinengewehren in den Händen. Offiziell seien das Polizisten, erzählt ein Europäer, der schon länger in Kigali wohnt. Inoffiziell weiß jeder, dass die Männer, die da schweigend Wache stehen, Soldaten der ruandischen Armee sind.
Die Ordnung in ihrem Land, genauso wie die wirtschaftliche Entwicklung, führen viele Ruander direkt auf Präsident Kagame zurück. „Der einfache Bürger auf dem Hügel hat viele Änderungen gesehen“, sagt Joseph Nkurunziza, Sozialwissenschaftler an der Universität von Ruanda. „In seiner Nähe gibt es jetzt ein Gesundheitszentrum, eine Straße, ein Wasserbohrloch. Ich sehe den Präsidenten als Identifikationsfigur.“
Menschen verschwinden spurlos
Wer die politische Lage anders beurteilt, hat es schwer. Menschenrechtler berichten immer wieder von Fällen, in denen Kritiker Kagames in tödliche Verkehrsunfälle verwickelt werden oder einfach verschwinden. Diane Rwigara kann da noch von Glück reden: Die Tochter eines in Ungnade gefallenen und unter dubiosen Umständen ums Leben gekommenen Kagame-Vertrauten wurde Anfang Dezember von einem Gericht freigesprochen. Dabei hatte die Staatsanwaltschaft der 37-Jährigen einen Umsturzversuch vorgeworfen und 22 Jahre Haft gefordert. Rwigara hatte es gewagt, bei der jüngsten Präsidentschaftswahl im August 2017 gegen den Amtsinhaber antreten zu wollen. Das wurde durch die Verhaftung Rwigaras verhindert. Kagame gewann die Wahl mit offiziell 98,63 Prozent der Stimmen.
Um seinen Entwicklungskurs fortzusetzen, hat der Präsident damit noch viel Zeit: Dank mehrerer Verfassungsänderungen darf er bis 2034 im Amt bleiben.
Die Recherche wurde unterstützt von der
Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen. Informationen unter: www.dgvn.de