Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Herkulesaufgabe Schulfinanzierung
Weingarten müsste 27 Millionen Euro neue Schulden machen – Regierungspräsidium würde das kaum akzeptieren
WEINGARTEN - Es ist das größte kommunale Investitionsprojekt in der Geschichte der Stadt Weingarten: Die Neuausrichtung des Schulstandortes wird Kosten zwischen 49 und 60 Millionen Euro verursachen. Weil jedoch nur mit Zuschüssen zwischen 10 und 15 Millionen Euro zu rechnen ist, bleiben an der Stadt zwischen 39 und 46 Millionen Euro hängen. Und genau das wird die Stadt Weingarten an ihre Belastungsgrenze bringen. Mehr noch. Weingarten wird sich massiv verschulden müssen. Aktuell rechnet man in der Kämmerei mit 27 Millionen Euro an neuen Schulden. Doch das würde, Stand jetzt, gar nicht funktionieren. „27 Millionen Euro an neuen Krediten – never ever“, sagt Kämmerer Daniel Gallasch. „Stand jetzt würde das Regierungspräsidium die Haushalte 2023 bis 2025 nicht genehmigen.“
Denn aktuell verfügt die Stadt Weingarten über zu geringe Eigenmittel. Gallasch rechnet zur Finanzierung der Kosten für die Stadt mit eigenen Mitteln von 35 Prozent. Die übrigen 65 Prozent müssten mit Krediten gebracht werden. Doch das Missverhältnis Eigenkapital und Kredite – schon jetzt ist die Stadt mit 19,5 Millionen Euro verschuldet – wäre einfach zu groß. Gerade weil man in den ersten wirklich teuren Jahren des Großprojektes (ab 2023) mehr Kredite aufnehmen muss, als man letztlich braucht. „Die Zuschüsse kommen immer erst zwei Jahre zeitversetzt. Wir müssen am Anfang das Geld bringen. Das ist die größte Herausforderung“, erklärt Gallasch.
Daher wird es in den kommenden Jahren darum gehen, Geld an anderer Stelle einzusparen. „Die Hauptproblemjahre sind 2023/24/25. Die Kredite in diesen Jahren müssen wir kontrolliert kriegen“, sagt Gallasch. „Das wird dann genehmigungsfähig, wenn die Stadt ihre Hausaufgaben macht.“Und dafür müsste die Stadt Weingarten etwa zwei Millionen Euro pro Jahr einsparen. Doch das dürfte gar nicht so einfach werden. Schließlich sucht die Haushaltsstrukturkommission der Stadt Weingarten seit Jahren nach Einsparpotenzialen, hat dabei auch schon beachtliche Erfolge erzielt, aber die ganz großen Konsolidierungsmaßnahmen noch nicht gefunden.
Kuko-Verkauf wenig sinnvoll
Daher kommt man bei diesem Thema unweigerlich auch immer auf die großen defizitären Eigenbetriebe wie die Bäder oder das Kultur- und Kongresszentrum Oberschwaben (Kuko) zu sprechen. Doch da die Bäder wohl unantastbar sind, richtet sich der Blick stärker aufs Kuko, mit dem sich die Haushaltsstrukturkommission auch schon befasst hat. Das Problem dabei: Ein Verkauf des Kongresszentrums mache kaum Sinn, da man sich dabei an dem zu erwartenden Gewinn orientieren müsse, erklärt Gallasch. Will die Stadt das Kuko für ihre Veranstaltungen weiter nutzen, wäre auch die Nutzungsart für einen potenziellen Käufer begrenzt, was sich dann auch auf den Gewinn und damit auch den Kaufpreis übertragen würde. „Wir müssten noch dafür bezahlen, dass jemand das kauft und betreibt“, sagt Gallasch.
Wenn man das Kuko aber verkaufen würde, damit der Käufer es abreißen und das Gelände ökonomisch sinnvoll, wie beispielsweise mit Wohnbebauung, nutzen könnte, würde der Veranstaltungsort – auch für die vielen städtischen Veranstaltungen – wegfallen. „Alternativ zum Kuko bräuchte es eine Stadthalle. Aber die macht jährlich auch einige 100 000 Euro Verlust – und man müsste sie erst bauen“, sagt Gallasch.
Demnach wäre die einzig sinnvolle Variante, um das Millionendefizit des Kuko zumindest etwas zu verringern, die inhaltliche Ausrichtung, und damit auch Auslastung, etwas zu verändern. Allerdings gibt es bis 2021 ohnehin bindende Verträge. Daher geht es aktuell auch darum, falsche Erwartungen in anderen Bereichen zu dämpfen. „Es geht eher darum, nicht noch neue Töpfe aufzumachen“, sagt Rainer Beck, Fachbereichsleiter für Gesellschaft, Bildung und Soziales. Das zu verhindern, so Gallasch, sei in einer Zeit mit einer guten Konjunktur und damit einhergehender Begehrlichkeiten verschiedener Fachbereiche gar nicht so einfach. Denn die gute Konjunktur mit hohen Gewerbesteuereinnahmen in 2018 wird in 2020 für eine Delle sorgen, wenn die Umlagen fällig werden.
Steuererhöhung als Zeichen
„Die Grundlage für Haushaltskrisen werden immer in den guten Jahren gelegt“, warnt Gallasch, der mit der angedachten geringen Grundsteuererhöhung für die Jahre 2020 und 2021 ein Signal setzen will, dass das ganze Thema Schulentwicklung auch finanziert werden muss. „Man muss eigentlich noch viel mehr machen. Da brauchen wir andere Eigenmittel“, sagt er. Denn die Steuererhöhung würde wohl gerade 90 000 Euro jährlich bringen.
Daher ist es auch wichtig, dass es noch einen gewissen zeitlichen Spielraum gibt. Der erste Abschnitt, der Ersatzbau der Werkrealschule mit neun Millionen Euro, dürfte in den kommenden Jahren noch ohne größere Probleme stemmbar sein. Kritisch wird es dann erst mit dem Neubau der Grundschule als zweiten Abschnitt sowie der Sanierung von Gymnasium und Realschule als dritten Abschnitt, der wiederum in drei kleinere Blöcke unterteilt ist. Da jeder Abschnitt in sich abgeschlossen ist, kann man zwischen den Bauabschnitten auch mal ein oder zwei Jahre Puffer einschieben, in denen nicht gebaut und damit die Stadtkasse geschont wird.
„Man kann die Blöcke auch dehnen. Diese zeitliche Flexibilität müssen wir Herrn Gallasch zugestehen“, sagt Beck. So sollen auch die einzelnen Abschnitte jeweils dem Gemeinderat zur Abstimmung vorgelegt werden. „Wenn die Haushaltsjahre besser laufen, brauchen wir weniger Kredite. Davon hängt die Geschwindigkeit ab“, sagt Gallasch, der an das „Horrorszenario Rezension“gar nicht denken möchte: „Da könnten wir wenig dran machen. Da wären wir ausgeliefert.“