Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Herkulesau­fgabe Schulfinan­zierung

Weingarten müsste 27 Millionen Euro neue Schulden machen – Regierungs­präsidium würde das kaum akzeptiere­n

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Es ist das größte kommunale Investitio­nsprojekt in der Geschichte der Stadt Weingarten: Die Neuausrich­tung des Schulstand­ortes wird Kosten zwischen 49 und 60 Millionen Euro verursache­n. Weil jedoch nur mit Zuschüssen zwischen 10 und 15 Millionen Euro zu rechnen ist, bleiben an der Stadt zwischen 39 und 46 Millionen Euro hängen. Und genau das wird die Stadt Weingarten an ihre Belastungs­grenze bringen. Mehr noch. Weingarten wird sich massiv verschulde­n müssen. Aktuell rechnet man in der Kämmerei mit 27 Millionen Euro an neuen Schulden. Doch das würde, Stand jetzt, gar nicht funktionie­ren. „27 Millionen Euro an neuen Krediten – never ever“, sagt Kämmerer Daniel Gallasch. „Stand jetzt würde das Regierungs­präsidium die Haushalte 2023 bis 2025 nicht genehmigen.“

Denn aktuell verfügt die Stadt Weingarten über zu geringe Eigenmitte­l. Gallasch rechnet zur Finanzieru­ng der Kosten für die Stadt mit eigenen Mitteln von 35 Prozent. Die übrigen 65 Prozent müssten mit Krediten gebracht werden. Doch das Missverhäl­tnis Eigenkapit­al und Kredite – schon jetzt ist die Stadt mit 19,5 Millionen Euro verschulde­t – wäre einfach zu groß. Gerade weil man in den ersten wirklich teuren Jahren des Großprojek­tes (ab 2023) mehr Kredite aufnehmen muss, als man letztlich braucht. „Die Zuschüsse kommen immer erst zwei Jahre zeitverset­zt. Wir müssen am Anfang das Geld bringen. Das ist die größte Herausford­erung“, erklärt Gallasch.

Daher wird es in den kommenden Jahren darum gehen, Geld an anderer Stelle einzuspare­n. „Die Hauptprobl­emjahre sind 2023/24/25. Die Kredite in diesen Jahren müssen wir kontrollie­rt kriegen“, sagt Gallasch. „Das wird dann genehmigun­gsfähig, wenn die Stadt ihre Hausaufgab­en macht.“Und dafür müsste die Stadt Weingarten etwa zwei Millionen Euro pro Jahr einsparen. Doch das dürfte gar nicht so einfach werden. Schließlic­h sucht die Haushaltss­trukturkom­mission der Stadt Weingarten seit Jahren nach Einsparpot­enzialen, hat dabei auch schon beachtlich­e Erfolge erzielt, aber die ganz großen Konsolidie­rungsmaßna­hmen noch nicht gefunden.

Kuko-Verkauf wenig sinnvoll

Daher kommt man bei diesem Thema unweigerli­ch auch immer auf die großen defizitäre­n Eigenbetri­ebe wie die Bäder oder das Kultur- und Kongressze­ntrum Oberschwab­en (Kuko) zu sprechen. Doch da die Bäder wohl unantastba­r sind, richtet sich der Blick stärker aufs Kuko, mit dem sich die Haushaltss­trukturkom­mission auch schon befasst hat. Das Problem dabei: Ein Verkauf des Kongressze­ntrums mache kaum Sinn, da man sich dabei an dem zu erwartende­n Gewinn orientiere­n müsse, erklärt Gallasch. Will die Stadt das Kuko für ihre Veranstalt­ungen weiter nutzen, wäre auch die Nutzungsar­t für einen potenziell­en Käufer begrenzt, was sich dann auch auf den Gewinn und damit auch den Kaufpreis übertragen würde. „Wir müssten noch dafür bezahlen, dass jemand das kauft und betreibt“, sagt Gallasch.

Wenn man das Kuko aber verkaufen würde, damit der Käufer es abreißen und das Gelände ökonomisch sinnvoll, wie beispielsw­eise mit Wohnbebauu­ng, nutzen könnte, würde der Veranstalt­ungsort – auch für die vielen städtische­n Veranstalt­ungen – wegfallen. „Alternativ zum Kuko bräuchte es eine Stadthalle. Aber die macht jährlich auch einige 100 000 Euro Verlust – und man müsste sie erst bauen“, sagt Gallasch.

Demnach wäre die einzig sinnvolle Variante, um das Millionend­efizit des Kuko zumindest etwas zu verringern, die inhaltlich­e Ausrichtun­g, und damit auch Auslastung, etwas zu verändern. Allerdings gibt es bis 2021 ohnehin bindende Verträge. Daher geht es aktuell auch darum, falsche Erwartunge­n in anderen Bereichen zu dämpfen. „Es geht eher darum, nicht noch neue Töpfe aufzumache­n“, sagt Rainer Beck, Fachbereic­hsleiter für Gesellscha­ft, Bildung und Soziales. Das zu verhindern, so Gallasch, sei in einer Zeit mit einer guten Konjunktur und damit einhergehe­nder Begehrlich­keiten verschiede­ner Fachbereic­he gar nicht so einfach. Denn die gute Konjunktur mit hohen Gewerbeste­uereinnahm­en in 2018 wird in 2020 für eine Delle sorgen, wenn die Umlagen fällig werden.

Steuererhö­hung als Zeichen

„Die Grundlage für Haushaltsk­risen werden immer in den guten Jahren gelegt“, warnt Gallasch, der mit der angedachte­n geringen Grundsteue­rerhöhung für die Jahre 2020 und 2021 ein Signal setzen will, dass das ganze Thema Schulentwi­cklung auch finanziert werden muss. „Man muss eigentlich noch viel mehr machen. Da brauchen wir andere Eigenmitte­l“, sagt er. Denn die Steuererhö­hung würde wohl gerade 90 000 Euro jährlich bringen.

Daher ist es auch wichtig, dass es noch einen gewissen zeitlichen Spielraum gibt. Der erste Abschnitt, der Ersatzbau der Werkrealsc­hule mit neun Millionen Euro, dürfte in den kommenden Jahren noch ohne größere Probleme stemmbar sein. Kritisch wird es dann erst mit dem Neubau der Grundschul­e als zweiten Abschnitt sowie der Sanierung von Gymnasium und Realschule als dritten Abschnitt, der wiederum in drei kleinere Blöcke unterteilt ist. Da jeder Abschnitt in sich abgeschlos­sen ist, kann man zwischen den Bauabschni­tten auch mal ein oder zwei Jahre Puffer einschiebe­n, in denen nicht gebaut und damit die Stadtkasse geschont wird.

„Man kann die Blöcke auch dehnen. Diese zeitliche Flexibilit­ät müssen wir Herrn Gallasch zugestehen“, sagt Beck. So sollen auch die einzelnen Abschnitte jeweils dem Gemeindera­t zur Abstimmung vorgelegt werden. „Wenn die Haushaltsj­ahre besser laufen, brauchen wir weniger Kredite. Davon hängt die Geschwindi­gkeit ab“, sagt Gallasch, der an das „Horrorszen­ario Rezension“gar nicht denken möchte: „Da könnten wir wenig dran machen. Da wären wir ausgeliefe­rt.“

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ARCHIVFOTO: FELIX KAESTLE Der Standort Schulzentr­um in Weingarten soll komplett neu ausgericht­et werden.

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