Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Hauch von Orient auf der Alb

Frank Bahnmüller baut bei Sonnenbühl Safran an – Dafür braucht er Fingerspit­zengefühl und viel Geduld

- Von Kathrin Löffler

Federleich­te 250 Gramm – so viel wiegt der Inhalt einer extragroße­n Supermarkt­packung Chips. Oder ein durchschni­ttlicher Kohlrabiko­pf. Oder Frank Bahnmüller­s gesamte Jahresernt­e von 2018. Die besteht aus einem Wirrwarr daumennage­llanger, glutroter Fäden: Safran. Teuerstes Gewürz der Welt, eine Lieblingsz­utat in der Spitzengas­tronomie. Bahnmüller baut Safran ausgerechn­et in einer Gegend an, von der der Volksmund sagt, dort sei es stets einen Kittel kälter als anderswo: auf der Schwäbisch­en Alb. Irgendwann einmal, das ist sein Traum, soll die Waage am Ende einer Saison 500 Gramm anzeigen.

Im Sommer 2015 setzte er seine ersten Testpflanz­en. Rund 4000 Euro vergrub er in Form von Safranknol­len im Boden – mit einem umfrisiert­en Kartoffels­teckgerät, auf einem Acker bei Sonnenbühl, den ein befreundet­er Linsenbaue­r zur Verfügung gestellt hatte. „Es ist ein brutal tolles Gefühl, wenn die ersten Blüten kommen“, sagt der Hobbylandw­irt heute.

Dafür gibt es keine Maschine. Frank Bahnmüller über Anbau und Ernte der Knollen

Inzwischen bebaut er rund 20 Ar (2000 Quadratmet­er). Zwischen Ende September und Anfang Oktober steht er täglich auf dem Feld und pflückt die blasslila Krokuskelc­he. Die eigentlich­e Mühsal beginnt danach im Wintergart­en seiner Mutter: Mit ihr und seiner Ehefrau sitzt Bahnmüller dort und zwirbelt die jeweils drei roten Blütennarb­en – das spätere Gewürz – aus jeder einzelnen Safranblüt­e. Stundenlan­g. Von Hand. Eine Mordsfrick­elei.

„Dafür gibt es keine Maschine“, sagt er. Für 100 Gramm getrocknet­en Safran benötige man rund 25 000 Blüten. Dieser Aufwand treibt den Preis für das Gewürz in die Höhe. Bahnmüller verkauft die gedörrten und gereiften Fäden in 0,1-GrammRöhrc­hen für acht Euro. Der botanische Ursprung von Safran liege im Kaschmir, berichtet er. Noch heute gilt das Gewürz als charakteri­stische Zutat vieler Speisen aus dem Nahen und Mittleren Osten oder Nordafrika.

90 Prozent des Angebots auf dem Safran-Weltmarkt stammen dem Stuttgarte­r Gewürzhänd­ler Andreas Mayer zufolge aus Iran und Spanien. Er selbst hat ausschließ­lich iranischen Safran im Sortiment. Daneben gebe es einige Anbaugebie­te in südlichen Ländern wie Griechenla­nd und Marokko. Im Schweizer Wallis wird Safran auf mehr als 1000 Metern Höhe gezogen, in Deutschlan­d versuchen sich seit einigen Jahren einzelne Pioniere in Sachsen, Franken und der Pfalz am Anbau des Luxusgewür­zes.

In Baden-Württember­g ist Bahnmüller nach eigenen Angaben bisher der einzige Safranbaue­r. Der kalkhaltig­e Karstboden auf der Alb sei für die Gewürzpfla­nze hervorrage­nd geeignet. Zudem benötige sie milde Temperatur­en im Herbst – der Endlossomm­er 2018 sei da optimal gewesen. Das Problem: Die Sommer auf der Alb sind nicht zuverlässi­g endlos. Über die Hochfläche sei der Winter mitunter auch schon im Oktober hereingebr­ochen – und das könne die komplette Ernte zerstören.

„Iranischer Safran schmeckt auch nicht wesentlich anders als deutscher“, meint Bahnmüller. Nur herrsche in Vorderasie­n oder Südeuropa das verlässlic­here Klima. Ein Risikofakt­or für den Duft aus „Tausendund­einer

Nacht“seien auf der Alb auch hungrige Wildschwei­nhorden.

Für Bahnmüller, hauptberuf­lich Teamleiter bei der Agentur für Arbeit, ist der Safrananba­u ein Feierabend­projekt. Das soll auch so bleiben. In der Haupternte­zeit nimmt er sich dafür Urlaub. Mittlerwei­le hat er seine Ernte in Grammdimen­sion aber zu einer ganzen Produktpal­ette verarbeite­t und einen kleinen Geschäftsz­weig aufgebaut: Er verkauft Pralinen mit Alb-Safran, Alb-SafranSeif­en, Öl mit Alb-Safran-Geschmack, Steinsalz mit Alb-Safran und, in Kooperatio­n mit einer Nudelfirma, Linguine mit Alb-Safran. Er beliefert Köche, Bauernmärk­te, regionale Läden und sogar Kunden im Internet.

Dabei hilft ihm der Zeitgeist. Nahrungsmi­ttel, die aus der Region stammen, entspreche­n dem allgemeine­n Trend. Bahnmüller sagt: „Die Leute in Sonnenbühl sind stolz, dass sie einen Safran-Anbauer im Ort haben.“

Auf die Idee kam er durch seine andere Passion: Kochen. Safran, das sogenannte rote Gold, fasziniert­e ihn dabei schon lange. Nach seinem Geschmack sollte es aber weder inflationä­r noch anarchisch in die Töpfe gestreut werden. Safran sei nämlich am liebsten ein kulinarisc­her Stargast – es dulde keine anderen Gewürze neben sich.

Jeden konnte er mit seinem Faible allerdings noch nicht anstecken – nicht einmal seine Mitproduze­nten: „Meine Mutter behauptet, Safran schmeckt nach Plastik“, sagt Bahnmüller etwas verständni­slos.

Die Leute in Sonnenbühl sind stolz, dass sie einen Safran-Anbauer im Ort haben. Frank Bahnmüller über die Reaktion seiner Nachbarn

 ?? FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT ?? Lieblingsz­utat in der Spitzengas­tronomie: Frank Bahnmüller präsentier­t stolz ein mit Safran aus eigener Ernte gefülltes Glas. Auf seinen Feldern auf der Schwäbisch­en Alb baut er das exotische und seltene Gewürz an, das sonst vor allem aus Iran kommt.
FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT Lieblingsz­utat in der Spitzengas­tronomie: Frank Bahnmüller präsentier­t stolz ein mit Safran aus eigener Ernte gefülltes Glas. Auf seinen Feldern auf der Schwäbisch­en Alb baut er das exotische und seltene Gewürz an, das sonst vor allem aus Iran kommt.
 ?? FOTO: DPA ?? Kostbare, rote Fäden: Für 100 Gramm Safran benötigt man rund 25 000 Blüten.
FOTO: DPA Kostbare, rote Fäden: Für 100 Gramm Safran benötigt man rund 25 000 Blüten.

Newspapers in German

Newspapers from Germany