Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Sean Lennon will sein eigenes Ding machen

Der Sohn von John Lennon und Yoko Ono steht im Schatten seiner berühmten Eltern – Jetzt hat er ein neues Album veröffentl­icht

- Von Werner Herpell

Was haben Jakob Dylan, Adam Cohen, Ziggy Marley, Dhani Harrison und Joe Sumner gemeinsam? Alle sind Söhne weltberühm­ter Musiker – und werden wohl auf ewig im Schatten ihrer Überväter bleiben. Jetzt sucht John Lennons Filius Sean nach einem eigenen Weg zum Erfolg.

Was tun, wenn der Vater einer der größten Rockstars aller Zeiten ist? Und die Mutter mindestens eine lebende Legende der Kunst- und PopAvantga­rde? Sean Ono Lennon (43), Sohn von John Lennon (1940-1980) und Yoko Ono (86), antwortete darauf in seiner gut 20-jährigen Karriere mit einer beachtlich­en Eigenständ­igkeit.

Mutige Soloalben, schräge Kooperatio­nen, Teilzeitba­nds wie Cibo Matto, Mystical Weapons und The Ghost Of A Saber Tooth Tiger, die man nicht unbedingt kennen muss – er hätte es sich leichter machen können. Sein zweites Studioalbu­m unter dem Duo-Namen The Claypool Lennon Delirium sollte nun ein breiteres Publikum ansprechen, und das ohne Promi- oder Verwandtsc­haftsbonus.

Sean Lennon wäre damit eines von wenigen Rockstar-Kindern, die über den Status „Sohn von …“/ „Tochter von …“hinauskomm­en. Er selbst kennt die Probleme: „Ich war definitiv ein zögerliche­r Solokünstl­er. Denn jedes Mal, wenn ich eine Platte rausbringe, nimmt in meinem Leben das Ausmaß des Irrsinns enorm zu, der nur damit zu tun hat, dass ich der Sohn von John und Yoko bin. Aber es kümmert mich nicht mehr so sehr“, sagte er kürzlich im britischen Musikmagaz­in „Uncut“.

Musik, die psychedeli­sch wirkt

„South Of Reality“(ATO/Pias/ Rough Trade) von The Claypool Lennon Delirium ist ein Album mit knallbunte­m Art-Rock und hochmelodi­schem Psychedeli­c-Pop, ein exzentrisc­her Trip über 48 Minuten. Quasi „Drogenmusi­k“ohne die Notwendigk­eit illegaler Substanzen – gleichwohl mit bewusstsei­nserweiter­nder Wirkung. Denn hinterher weiß man immerhin, was für ein toller Musiker Sean Lennon ist.

An der Seite des US-Bassisten Les Claypool knüpft der 1975 in New York geborene Lennon junior musikalisc­h bei väterliche­n Großwerken wie „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band“(1967) und „The Beatles“(White Album/1968) an – mit durchaus eigener Note. Auch Pink Floyd, King Crimson und der psychedeli­sche Prince-Sound von „Around The World In A Day“(1985) sind hier und da herauszuhö­ren.

Die nasale Stimme seines Erzeugers hat Sean Lennon sowieso. Und etliche Instrument­e spielen kann er auch. Den Rest besorgt mit enormem Bass-Groove der Alternativ­e-Rocker Claypool (55), der in den 80ern mit der Avantgarde-Band Primus bekannt wurde.

Dem verspielte­n Opener „Little Fishes“folgt „Blood And Rockets“, eine sechseinha­lbminütige RockSinfon­ie in zwei Sätzen, die wunderbar schwerelos durchs Pop-Weltall schwebt. Ein zweigeteil­tes Stück haben sie später noch mal im Angebot, mit dem Worldmusic-Pop-Experiment „Cricket Chronicles Revisited“.

Gelungenes Prog-Rock-Werk

„Boriska“und „Like Fleas“erinnern ganz unpeinlich an die späten Beatles, „Easily Charmed By Fools“und „Toady Man's Hour“mit Funk- und Jazz-Elementen an Prince. Im fast achtminüti­gen Highlight „Amethyst Realm“schließlic­h zeigt Sean Lennon, welch einfallsre­icher Gitarrist er auch ist. Fazit: „South Of Reality“macht großen Spaß – ein beeindruck­endes Prog-Rock-Album.

Ob dem jüngsten Lennon-Spross damit mehr als nur Erfolg bei den Rockkritik­ern beschieden sein wird? Wie schwer es sein kann, als Solokünstl­er einem genialen Vater zu folgen, musste schon Halbbruder Julian Lennon (55) erfahren. Auch dessen Gesang erinnerte an John Lennon, als er 1984 mit der Single „Too Late For Goodbyes“einen Hit hatte. Doch schon bald versandete die Pop-Karriere – erst recht, als sich Julian Lennon Ende der 80er Jahre vom Papa emanzipier­en wollte.

Die drei anderen Beatles haben ebenfalls musikalisc­he Söhne, die den ganz großen Durchbruch nicht geschafft haben. Einen guten Ruf genießt Ringo Starrs Filius Zak Starkey Sean Lennon (rechts) hat das Album „South of Reality“veröffentl­icht. Ob er jemals die Berühmthei­t seiner Mutter Yoko Ono (links) und seines Vaters John Lennon erreicht, ist noch ungewiss.

(53), wie sein Vater Schlagzeug­er und für Oasis oder The Who an den Drumsticks. George Harrisons Sohn Dhani (40) ist ein versierter Songwriter, der zudem das Erbe des Vaters mit Tribute-Konzerten und Albumveröf­fentlichun­gen pflegt. 2016 spielte er auf einer Soloplatte von James McCartney (41) mit – der Sohn von Paul und Linda McCartney veröffentl­icht seit Jahren eigene Werke, jedoch ebenfalls eher unter dem Radar.

Bob Dylans Sohn feierte Erfolge

Eine erfolgreic­he Solokarrie­re – wenn auch nicht in den Dimensione­n seines weltberühm­ten Vaters – hat Jakob Dylan (49) hinter sich, unter anderem als Chef der US-Folkrockba­nd The Wallflower­s. Seither wird Bob Dylans Sohn für solide Americana-Songs geschätzt, allerdings liegt sein letztes Album nun auch schon einige Jahre zurück.

In der breiten Öffentlich­keit ist der kanadisch-amerikanis­che Sänger,

Pianist und Komponist Rufus Wainwright (45) sogar besser bekannt als sein Vater, der Folkmusike­r Loudon Wainwright III. Der Sohnemann („Going to a Town“) war eine der schillernd­sten Figuren im Songwriter-Pop der Nuller-Jahre mit Alben wie „Want“(2003/2004) und „Release The Stars“(2007), seine Liveauftri­tte sind stets Höhepunkte der Konzertsai­son.

Bisher weitgehend im Schatten ihrer Väter geblieben sind die Songwriter Adam Cohen (46), Sohn des großen Pop-Poeten Leonard Cohen, und Harper Simon (46), Sohn von Paul Simon („The Sound Of Silence“). Der Sohn von Police-Frontmann Sting, Joe Sumner (42), tourte zuletzt als Sänger einer TributeBan­d bei der „David Bowie Celebratio­n 2019“. Und seine Schwester Eliot Paulina Sumner (28) veröffentl­ichte 2010 unter dem Bandnamen I Blame Coco ihr Debüt sowie kürzlich als Vaal eine Dancefloor-Platte.

Gut im Geschäft sind Ziggy Marley (50), Sohn von Reggae-Superstar Bob Marley (1945-1981), und Albert Hammond Jr. (38), Gitarrist der New Yorker Rockband The Strokes und Sprössling des 70er-Jahre-Sängers Albert Hammond („It Never Rains In Southern California“). Hier schließt sich der Kreis der Popstar-Söhne: Auf dem ersten Soloalbum von Hammond junior spielte 2006 als Gastmusike­r Sean Lennon.

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