Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Comeback des Weltmeisters
Mit dem neuen Corolla will Toyota wieder in der Golfklasse punkten
Er ist lange Zeit das meistverkaufte Auto der Welt gewesen – auch wenn der Toyota Corolla bei uns zwei Generationen Pause eingelegt hat. Doch weil die Japaner ihre Absatzzahlen in der Kompaktklasse mit dem eigens für Europa entwickelten Auris nicht vergolden konnten, feiert der Weltmeister jetzt ein Comeback: Ab Mitte März nimmt die dann schon zwölfte Generation des Corolla zu Preisen ab 20 990 Euro einen neuen Anlauf gegen Golf & Co.
Der Name ist alt und bewährt, aber der Ansatz ist neu. Denn während die Japaner bislang mit Eigenschaften wie Zuverlässigkeit und Komfort vor allem die Vernunft bedienen wollten, erlauben sie sich nun ein bisschen mehr Gefühl.
Natürlich will auch der neue Corolla ein praktisches Auto sein. Nicht umsonst hat er bei 4,37 Metern Länge vier Zentimeter mehr Radstand für mehr Platz vor allem im Fond. Und aus gutem Grund ist der Corolla vom Start weg für 1200Euro Aufpreis für Familien auch wieder als Kombi mit dem Beinamen Touring Sports erhältlich. Dann wächst das Kofferraumvolumen von 361 bis 1024 auf 598 bis 1606 Liter. Selbstverständlich hat Toyota die Traditionalisten unter den Kunden nicht vergessen und deshalb auch eine klassische Limousine im Programm, die sich auf 4,63 Meter streckt und bei vergleichbarer Ausstattung und Motorisierung 700 Euro mehr kostet als das Steilheck. Und wie es sich für einen Toyota gehört, spielt auch beim Corolla der Hybridantrieb die erste Geige. Einen Diesel wird es gar nicht mehr geben.
Aber zum ersten Mal gestattet Chefingenieur Yasushi Ueda dem Bestseller so etwas wie Charakter. Das Design ist mit den zackig geschnittenen Scheinwerfern, den Sicken auf der Haube und den Sehnen in den Schürzen plötzlich ausdrucksstark statt austauschbar. Die neu entwickelte Federung und die spürbar schärfere Lenkung vermitteln zusammen mit der besonders steifen Plattform des Prius tatsächlich mehr als eine Spur von Fahrspaß. Und nicht das Rating von Agenturen wie JD Powers, sondern das Lächeln auf dem Gesicht der Testfahrer ist für Ueda das größte Lob: „Dies ist die Art von Wertschätzung, die mich stolz macht.“Er weiß, dass Toyota im Allgemeinen und der Corolla im Besonderen in einigen Regionen als Langweiler gelten, räumt er selbstkritisch ein. Aber er ist guter Dinge, dass er das Image mit der Neuauflage ordentlich beflügeln kann.
Vernunft und Vergnügen
Der beste Beweis für diesen Anspruch ist die neue Hybridstrategie. Zum ersten Mal bietet Toyota für den Corolla gleich zwei Teilzeitstromer an: einen vernünftigen und einen vergnüglichen. Ersteren kennt man aus dem Prius. Er setzt auf einen 1,8Liter-Benziner und kommt auf eine Systemleistung von 122 PS. Das zweite Tandem ist neu und fußt auf einem 2,0 Liter großen Vierzylinder. Zusammen mit einem ebenfalls erstarkten Elektromotor von nun 80 statt 53 kW steigt die gemeinsame Leistung auf 180 PS – und mit ihr der Fahrspaß.
Zwar sind beide Varianten auf 180 km/h limitiert, was zumindest in Deutschland ein Problem sein dürfte. Doch während sich der Basishybrid im Fünftürer für den Sprint von 0 auf 100 immerhin 10,9 Sekunden Zeit lässt, erreicht die stärkere Variante dieses Tempo bereits nach 7,9 Sekunden und wirkt auch beim Überholen angenehm elastisch. Weil der Elektromotor aus einer größeren Batterie schöpft und deshalb beim Anfahren mehr unterstützen kann, klingt der Vierzylinder auch nicht ganz so asthmatisch und angestrengt. Die stufenlose Automatik nervt mit ihrem Gummibandeffekt und dem Aufheulen bei hoher Last nicht mehr ganz so sehr, erst recht nicht, wenn man mit den Wippen am Lenkrad selbst die sechs virtuellen Gänge wechselt.
Allerdings verfügt auch der stärkere Hybrid über keine nennenswerte elektrische Reichweite, aber zumindest klettert die Höchstgeschwindigkeit im Akkubetrieb auf 115 km/h. Weil man obendrein noch besser sitzt und dem Auto genau wie der Straße etwas näherkommt, wird der Corolla so tatsächlich zu einem vergnüglichen Gegner für den Golf.
Für das stärkere Doppel verlangt Toyota einen Aufpreis von 2000 Euro. An der Tankstelle jedoch liegen zwischen den beiden Hybridmodellen nach Herstellerangaben gerade einmal 0,4 Liter. Und egal, ob jetzt 3,3 oder 3,7 Liter im Datenblatt stehen: Die Frage nach dem Diesel erübrigt sich angesichts dieses Verbrauchs postwendend.
Da fällt dann schon eher der einzige Benziner aus dem Rahmen, den Toyota als Alibi – und für die Kostenkorrektur nach unten – noch im Programm behält. Denn die 200 km/h Höchstgeschwindigkeit des 114 PS starken 1,2-Liter-Turbos und die 3000 Euro Preisvorteil bezahlt man mit einem Normverbrauch von 5,2 Litern. Und wenn man sich den Sprintwert von bestenfalls 13,2 Sekunden anschaut, ist es mit der Dynamik wahrscheinlich auch nicht so weit her.
Am Puls der Zeit
Auch wenn Chefingenieur Ueda sehr viel Wert auf die Fahrdynamik legt, so soll der Corolla doch auch in den Disziplinen der neuen Zeit punkten. Man sitzt deshalb nicht nur besser, erfreut sich an der Übersichtlichkeit und hat ein gutes Gefühl für den Wagen. Sondern man schaut zum ersten Mal auch auf weitgehend digitale Instrumente. Zudem wartet der Corolla mit reichlich Hightech in der Ausstattungsund Optionsliste auf: Dazu zählen unter anderem ein Touchscreen mit Online-Infotainment, serienmäßige LED-Scheinwerfer, das Safe-Sense-Paket mit einer Notbremsautomatik, die auch Fußgänger erkennt, sowie ein Tempomat, der neben dem Abstand auch die Spur hält. Und Extras wie eine Sensor-gesteuerte Heckklappe oder ein Head-Up-Display sind ebenfalls im Angebot.
Klar, Ueda weiß sehr wohl, dass es bei Toyota spannendere Fahrzeuge gibt als den Corolla. Trotzdem möchte er nicht mit den Kollegen tauschen, die eine Supra oder einen GT86 entwickeln, sondern er hofft schon jetzt auf den Job für die Generation Nummer 13: „Denn wir wollen die Geschichte weiterschreiben. Unsere größte Belohnung ist es, wenn die Menschen ihren Wagen genießen und stolz darauf sind, einen Corolla zu besitzen.“Und ein Lächeln auf den Lippen kann natürlich auch nicht schaden.