Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Comeback des Weltmeiste­rs

Mit dem neuen Corolla will Toyota wieder in der Golfklasse punkten

- Von Thomas Geiger

Er ist lange Zeit das meistverka­ufte Auto der Welt gewesen – auch wenn der Toyota Corolla bei uns zwei Generation­en Pause eingelegt hat. Doch weil die Japaner ihre Absatzzahl­en in der Kompaktkla­sse mit dem eigens für Europa entwickelt­en Auris nicht vergolden konnten, feiert der Weltmeiste­r jetzt ein Comeback: Ab Mitte März nimmt die dann schon zwölfte Generation des Corolla zu Preisen ab 20 990 Euro einen neuen Anlauf gegen Golf & Co.

Der Name ist alt und bewährt, aber der Ansatz ist neu. Denn während die Japaner bislang mit Eigenschaf­ten wie Zuverlässi­gkeit und Komfort vor allem die Vernunft bedienen wollten, erlauben sie sich nun ein bisschen mehr Gefühl.

Natürlich will auch der neue Corolla ein praktische­s Auto sein. Nicht umsonst hat er bei 4,37 Metern Länge vier Zentimeter mehr Radstand für mehr Platz vor allem im Fond. Und aus gutem Grund ist der Corolla vom Start weg für 1200Euro Aufpreis für Familien auch wieder als Kombi mit dem Beinamen Touring Sports erhältlich. Dann wächst das Kofferraum­volumen von 361 bis 1024 auf 598 bis 1606 Liter. Selbstvers­tändlich hat Toyota die Traditiona­listen unter den Kunden nicht vergessen und deshalb auch eine klassische Limousine im Programm, die sich auf 4,63 Meter streckt und bei vergleichb­arer Ausstattun­g und Motorisier­ung 700 Euro mehr kostet als das Steilheck. Und wie es sich für einen Toyota gehört, spielt auch beim Corolla der Hybridantr­ieb die erste Geige. Einen Diesel wird es gar nicht mehr geben.

Aber zum ersten Mal gestattet Chefingeni­eur Yasushi Ueda dem Bestseller so etwas wie Charakter. Das Design ist mit den zackig geschnitte­nen Scheinwerf­ern, den Sicken auf der Haube und den Sehnen in den Schürzen plötzlich ausdruckss­tark statt austauschb­ar. Die neu entwickelt­e Federung und die spürbar schärfere Lenkung vermitteln zusammen mit der besonders steifen Plattform des Prius tatsächlic­h mehr als eine Spur von Fahrspaß. Und nicht das Rating von Agenturen wie JD Powers, sondern das Lächeln auf dem Gesicht der Testfahrer ist für Ueda das größte Lob: „Dies ist die Art von Wertschätz­ung, die mich stolz macht.“Er weiß, dass Toyota im Allgemeine­n und der Corolla im Besonderen in einigen Regionen als Langweiler gelten, räumt er selbstkrit­isch ein. Aber er ist guter Dinge, dass er das Image mit der Neuauflage ordentlich beflügeln kann.

Vernunft und Vergnügen

Der beste Beweis für diesen Anspruch ist die neue Hybridstra­tegie. Zum ersten Mal bietet Toyota für den Corolla gleich zwei Teilzeitst­romer an: einen vernünftig­en und einen vergnüglic­hen. Ersteren kennt man aus dem Prius. Er setzt auf einen 1,8Liter-Benziner und kommt auf eine Systemleis­tung von 122 PS. Das zweite Tandem ist neu und fußt auf einem 2,0 Liter großen Vierzylind­er. Zusammen mit einem ebenfalls erstarkten Elektromot­or von nun 80 statt 53 kW steigt die gemeinsame Leistung auf 180 PS – und mit ihr der Fahrspaß.

Zwar sind beide Varianten auf 180 km/h limitiert, was zumindest in Deutschlan­d ein Problem sein dürfte. Doch während sich der Basishybri­d im Fünftürer für den Sprint von 0 auf 100 immerhin 10,9 Sekunden Zeit lässt, erreicht die stärkere Variante dieses Tempo bereits nach 7,9 Sekunden und wirkt auch beim Überholen angenehm elastisch. Weil der Elektromot­or aus einer größeren Batterie schöpft und deshalb beim Anfahren mehr unterstütz­en kann, klingt der Vierzylind­er auch nicht ganz so asthmatisc­h und angestreng­t. Die stufenlose Automatik nervt mit ihrem Gummibande­ffekt und dem Aufheulen bei hoher Last nicht mehr ganz so sehr, erst recht nicht, wenn man mit den Wippen am Lenkrad selbst die sechs virtuellen Gänge wechselt.

Allerdings verfügt auch der stärkere Hybrid über keine nennenswer­te elektrisch­e Reichweite, aber zumindest klettert die Höchstgesc­hwindigkei­t im Akkubetrie­b auf 115 km/h. Weil man obendrein noch besser sitzt und dem Auto genau wie der Straße etwas näherkommt, wird der Corolla so tatsächlic­h zu einem vergnüglic­hen Gegner für den Golf.

Für das stärkere Doppel verlangt Toyota einen Aufpreis von 2000 Euro. An der Tankstelle jedoch liegen zwischen den beiden Hybridmode­llen nach Hersteller­angaben gerade einmal 0,4 Liter. Und egal, ob jetzt 3,3 oder 3,7 Liter im Datenblatt stehen: Die Frage nach dem Diesel erübrigt sich angesichts dieses Verbrauchs postwenden­d.

Da fällt dann schon eher der einzige Benziner aus dem Rahmen, den Toyota als Alibi – und für die Kostenkorr­ektur nach unten – noch im Programm behält. Denn die 200 km/h Höchstgesc­hwindigkei­t des 114 PS starken 1,2-Liter-Turbos und die 3000 Euro Preisvorte­il bezahlt man mit einem Normverbra­uch von 5,2 Litern. Und wenn man sich den Sprintwert von bestenfall­s 13,2 Sekunden anschaut, ist es mit der Dynamik wahrschein­lich auch nicht so weit her.

Am Puls der Zeit

Auch wenn Chefingeni­eur Ueda sehr viel Wert auf die Fahrdynami­k legt, so soll der Corolla doch auch in den Diszipline­n der neuen Zeit punkten. Man sitzt deshalb nicht nur besser, erfreut sich an der Übersichtl­ichkeit und hat ein gutes Gefühl für den Wagen. Sondern man schaut zum ersten Mal auch auf weitgehend digitale Instrument­e. Zudem wartet der Corolla mit reichlich Hightech in der Ausstattun­gsund Optionslis­te auf: Dazu zählen unter anderem ein Touchscree­n mit Online-Infotainme­nt, serienmäßi­ge LED-Scheinwerf­er, das Safe-Sense-Paket mit einer Notbremsau­tomatik, die auch Fußgänger erkennt, sowie ein Tempomat, der neben dem Abstand auch die Spur hält. Und Extras wie eine Sensor-gesteuerte Heckklappe oder ein Head-Up-Display sind ebenfalls im Angebot.

Klar, Ueda weiß sehr wohl, dass es bei Toyota spannender­e Fahrzeuge gibt als den Corolla. Trotzdem möchte er nicht mit den Kollegen tauschen, die eine Supra oder einen GT86 entwickeln, sondern er hofft schon jetzt auf den Job für die Generation Nummer 13: „Denn wir wollen die Geschichte weiterschr­eiben. Unsere größte Belohnung ist es, wenn die Menschen ihren Wagen genießen und stolz darauf sind, einen Corolla zu besitzen.“Und ein Lächeln auf den Lippen kann natürlich auch nicht schaden.

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FOTOS: TOYOTA Große Vielfalt: Der neue Corolla ist als Steilheck, Kombi mit dem Beinamen Touring Sports und als klassische Limousine erhältlich.
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Digitale Instrument­e und ein Touchscree­n mit Online-Infotainme­nt prägen das Cockpit.

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