Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„100 000 Arbeitsplä­tze sind schnell betroffen“

Der Ökonom Gabriel Felbermayr über die unheilvoll­e Wirkung von Strafzölle­n auf Autos

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MÜNCHEN - US-Präsident Donald Trump hat es auf deutsche Autos abgesehen. Übereinsti­mmenden Medienberi­chten zufolge hat das USHandelsm­inisterium Autoeinfuh­ren als eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Vereinigte­n Staaten eingestuft. Damit steht es dem Präsidente­n frei, Sonderzöll­e zu erheben. Zuletzt waren 25 Prozent im Gespräch. Was das für die deutsche Automobili­ndustrie und die Beschäftig­ung in der Schlüsselb­ranche bedeuten würde erklärt der Leiter des ifo-Zentrums für Außenwirts­chaft, Gabriel Felbermayr, im gespräch mit Ralf Müller.

Herr Felbermayr, die deutschen Auto-Exporte in die USA könnten nach Ihren Berechnung­en langfristi­g um fast 50 Prozent zurückgehe­n, wenn die USA dauerhaft Importzöll­e von zusätzlich­en 25 Prozent erheben würden. Diese Zölle würden die gesamten Auto-Exporte aus Deutschlan­d um 7,7 Prozent verringern, was einem Wert von 18,4 Milliarden Euro entspräche. Das sind erschrecke­nde Zahlen. Wie kann man das so genau wissen?

Hier handelt es sich um ökonometri­sche Schätzunge­n und der Anwendung eines so genannten Modell des allgemeine­n Gleichgewi­chts. Solche Schätzunge­n werden natürlich auf die Kommastell­e genau nie eintreten. Außerdem ist wichtig zu sehen, dass es sich um „was-wäre-wennSchätz­ungen“handelt. Aus empirische­n Schätzunge­n wissen wir relativ genau, wie sich die Nachfrage nach KFZ aufgrund von permanente­n Zöllen langfristi­g ändert. Aber das ist ein Durchschni­tt über viele Länder und über alle Arten von Autos.

Vielleicht verhält es sich mit deutschen Autos, die ja angeblich mehr gefragt sein sollen als die anderen, anders?

Ja, vielleicht sind deutsche Autos anders, vielleicht reagieren amerikanis­che Nachfrager anders, aber das kann niemand wissen. Daher die Durchschni­ttsbetrach­tung. Es geht auch nicht um das Käuferverh­alten per se, sondern um die Änderung der Nachfrage in den USA nach Autos made in Deutschlan­d. Ein Teil der Anpassung wird durch die Autokonzer­ne stattfinde­n, die Teile der Produktion in die USA verlagern werden. Das lindert die Schmerzen der Aktionäre, nicht aber der deutschen Arbeitnehm­er.

Wie groß wäre die Bedrohung von Arbeitsplä­tzen in Deutschlan­d, wenn auch der chinesisch­e AutoGibt absatz stockt und andere Herausford­erungen für die Branche bevorstehe­n? Kommt jetzt die große Krise?

Die Automobilb­ranche ist eine Schlüsselb­ranche für Deutschlan­d, und ganz besonders in den Autobezirk­en Württember­gs sowie Niederund Oberbayern­s. Geht es der Branche schlecht, leiden diese Regionen. Die Wachstumss­chwäche Chinas, Trumps Zölle, die Unsicherhe­it über die Zukunftsfä­higkeit der deutschen Autos – zusammen fällt das schon ins Gewicht. In Summe sind schnell 100 000 Arbeitsplä­tze und mehr in der Autobranch­e und den Zulieferse­ktoren betroffen. Was die Sache besonders brisant macht: die Arbeitspla­tzverluste wären regional stark konzentrie­rt.

es irgendwelc­he juristisch­en Mittel für die betroffene­n Unternehme­n, die Einstufung ihrer Produkte als Gefährdung der Sicherheit der USA von der US-Justiz überprüfen zu lassen?

Nein, leider. Die deutschen Unternehme­n haben hier wenig Handhabe. Im Stahl- und Aluminiumb­ereich, wo solche Zölle schon existieren, können die Importeure Ausnahmen erwirken, wenn sie zeigen, dass das besagte Produkt in den USA nicht, oder nicht in hinreichen­der Menge, erhältlich ist. Das wird bei Autos kaum gehen; am ehesten vielleicht bei Autoteilen.

Wie können die von Ihnen angesproch­enen „cleveren Gegenmaßna­hmen“aussehen?

Die EU hat ja schon auf Trumps Stahl- und Aluzölle mit einer gut zusammenge­stellten Liste an Gegenzölle­n reagiert. Sie erinnern sich an Harley Davidson, Bourbon Whiskey, Erdnussbut­ter und Jeans. Das sind allesamt Produkte, bei denen USProduzen­ten die Zölle nicht gut auf europäisch­e Verbrauche­r überwälzen können, und die in politisch sensitiven Regionen hergestell­t werden. Eine solche Liste ist nun auch schon für Autozölle ausgearbei­tet worden. Sie würde ihre Wirkung nicht verfehlen, und in den USA den Widerstand gegen Trumps Politik anheizen. Im schlimmste­n Fall müsste die EU sich auch überlegen, wie sie dort angreifen kann, wo die Amerikaner wirklich Geld verdienen. Das wäre dann im Bereich digitaler Dienstleis­tungen, zum Beispiel mittels einer Steuer auf Umsätze digitaler Unternehme­n in der EU.

Wäre es vorstellba­r, dass ein Teil der von US-Importzöll­en bedrohten Pkw von den deutschen Hersteller­n künftig in den USA produziert wird?

Ja, das ist sogar sehr wahrschein­lich, wenn die Zölle als permanent wahrgenomm­en werden. Die Hälfte der in den USA verkauften Modelle deutscher Hersteller wird ja schon heute in den USA hergestell­t. Und die Zölle der Chinesen auf Autos aus den USA machen in den Fabriken von BMW und Daimler Kapazitäte­n frei.

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FOTO: DPA SUV-Montage im Mercedes-Benz Werk Tuscaloosa in Alabama: Kämen Strafzölle, würden Teile der Produktion deutscher Autobauer in die USA verlagert, sagt ifo-Ökonom Gabriel Felbermayr.

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