Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Neugotischer Schatz der Stadtkirche gesichert
Späte Ehre für die Glasmalerei Ludwig Mittermaiers – Bericht Landesdenkmalamts zu den Reformatorenfenstern
RAVENSBURG - Die Vorstellung der 288-seitigen wissenschaftlichen Publikation des Landesdenkmalamtes „gemalt und ins glas geschmolzen“über die sieben Reformatorenfenster der Evangelischen Stadtkirche in Ravensburg hat einen weiteren Meilenstein in der Erforschung und Sicherung der Werke des Lauinger Glasmalers Ludwig Mittermaier markiert. Und sehr sinnfällig dabei: Der Festakt am Freitag in der Stadtkirche mit offiziellen Vertretern von Denkmalamt, Kommune, Land, Kirchengemeinde und Angehörigen des Künstlers fand just am 155. Todestag Mittermaiers (1827-1864) statt.
„Ein feste Burg ist unser Gott“– symbolkräftig schlug Andreas Praefcke zum Auftakt des Abends am Klavier das Lied von Martin Luther an, und Dekan Friedrich Langsam zitierte Goethes „Faust“: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen. Was man nicht nützt, ist eine schwere Last.“Er machte damit deutlich, dass erst durch die professionelle Untersuchung klar wurde, welch wertvoller Schatz aus dem 19. Jahrhundert zu einem Teil die Südseite der Stadtkirche mit den Bildnissen der Reformatoren ziert, zu einem anderen Teil aber rund 50 Jahre in Holzkisten im Keller geschlummert hatte. Dort waren die neugotischen Glasfenster von Chor, West- und Nordfassade nach der Kirchensanierung in den 1960er-Jahren nicht gerade fachgerecht eingelagert worden. Dank des Forschungsprojekts des Denkmalamtes, angestoßen durch die Vorbereitungen zum Reformationsjubiläum und finanziert vom Ministerium für Kultur und Medien der Bundesregierung und vom Land Baden-Württemberg, kann die Gemeinde ihr Mittermaier-Erbe als Ausdruck protestantischen Selbstverständnisses neu wahrnehmen. Ein schönes Beispiel für die gewachsene Wertschätzung: Durch einen großherzigen Erblasser ist sie jetzt in der Lage, den für die Sanierung der Reformatorenfenster von 1862 nötigen finanziellen Anteil zu den Mitteln von Bund und Land beizusteuern. Hermann Kastropp hat in seinem Testament die Kirchengemeinde entsprechend bedacht.
Der Stadtrat und CDU-Landtagsabgeordnete August Schuler berichtete in seinem Grußwort, er habe bereits als Schüler bewundernd vor den Glasfenstern gestanden. Leider konnte man nun am Abend des Festaktes die Ausdrucks- und Strahlkraft der Glasbilder nicht würdigen. Das geht nur bei Tageslicht. Aber Diplom-Restauratorin Dunja Kielmann schilderte in ihrem Vortrag mit zahlreichen anschaulichen Bildern, was da über zwei Jahre hinweg geleistet worden war: sorgfältige Sichtung, Katalogisierung, Sicherung, Dokumentation, schließlich musterhafte Sanierung des Brenz-Fensters – und das alles noch flankiert von einer Ausstellung und einem Kolloquium.
Mittermaier hatte damals den Auftrag angenommen, „… mit dem Versprechen, gewiß etwas tüchtiges zu liefern“. Mit diesem Zitat hatte auch Dunja Kielmann ihren Vortrag überschrieben, und wer ihr nun zuhörte und die Publikation mit den zahlreichen Fotos der Glasbilder und der Entwurfskartons sowie den wissenschaftlichen Ausführungen und begleitenden Aufsätze in Augenschein nahm, dem wurde klar: Auch dieses Team hat „etwas Tüchtiges“geliefert. Ein Lohn der Arbeit steht bereits fest: Beim Landesamt für Denkmalpflege wurde durch die Erfahrungen in der Ravensburger Stadtkirche erstmals eine unbefristete Stelle für Glasmalerei-Restaurierung geschaffen. Und Dunja Kielmann wird sie bekleiden.
Dass die Glasmalerei in der Vergangenheit vom Landesdenkmalamt nicht immer die gebührende Wertschätzung erfahren hatte, räumte Claus Wolf, Präsident des Landesamtes für Denkmalpflege, selbstkritisch ein. Gleichzeitig bedankte er sich neben den vielen an dem interdisziplinären Projekt beteiligten Restauratoren, Historikern, Kunsthistorikern, Theologen und Naturwissenschaftlern vor allem auch bei der Familie Mittermaier. Sie hat das Erbe in Lauingen immer sorgfältig bewahrt, zeigte sich stets kooperativ und ist nun vor allem dankbar, dass das Werk ihres Vorfahren so umfassend gewürdigt wird.
Dunja Kielmann, Susann Seyfert, Otto Wölbert: „gemalt und ins glas geschmolzen“. Bericht zur Erforschung der Glasmalerei von Ludwig Mittermaier. 288 Seiten. Paperback. 350 farbige Abbildungen. ISBN 978-3-7995-1304-3. 30 Euro. Thorbecke