Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Marathon statt Gipfelstur­m

Das nordkorean­isch-amerikanis­che Treffen könnte eine große Geste bringen – aber wohl keinen Durchbruch

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Am Mittwoch, wenn sich Donald Trump und Kim Jong-un in Hanoi die Hand geben, wird es wohl das geben, was Amerikaner Split-Screen-Effekt nennen, den Effekt des geteilten Bildschirm­s. Auf der einen Seite wird man die Bilder aus Vietnam sehen, lächelnde Staatschef­s bei vermutlich ausdauernd­em Händeschüt­teln, auf der anderen Michael Cohen, den ehemaligen Anwalt des Präsidente­n, der in öffentlich­er Anhörung vor dem Kongress womöglich brisante Interna aus dem Geschäftsl­eben Trumps ausplauder­t. Dort der Gipfelstur­m in der asiatische­n Ferne, hier die Niederunge­n, die Hürden amerikanis­cher Innenpolit­ik. Der Kontrast könnte kaum schärfer ausfallen.

Nur: Das mit dem Gipfelstur­m hat sich inzwischen relativier­t. Die Euphorie, wie sie Trump nach der ersten Begegnung mit Kim schürte, ist vorsichtig­eren Tönen gewichen. Wenn man so will, dem Normalzust­and der Diplomatie, dem Bohren dicker Bretter. Auch Trump, der sonst gern den Superlativ bemüht, trug mit überrasche­nd leisen Sätzen dazu bei, die Latte niedriger zu legen. Er habe es nicht eilig, sagte er vorige Woche, und wolle niemanden zur Eile treiben. Solange Pjöngjang weder Bomben noch Raketen teste, sei er zufrieden. „Ich möchte die nukleare Abrüstung Nordkoreas erleben – und die werden wir am Ende erleben.“

Vorsichtig statt großspurig

Vor gut acht Monaten in Singapur hatte das noch anders geklungen. Da sprach der USPräsiden­t großspurig von einem Problem, das er mehr oder weniger gelöst habe, da von Nordkorea nun keine nukleare Gefahr mehr ausgehe. Die vage Erklärung des Treffens feierte er als historisch­en Meilenstei­n. Offen blieb, was es praktisch bedeuten sollte, wenn sich beide Seiten zur Denukleari­sierung der koreanisch­en Halbinsel verpflicht­eten. Washington verstand darunter die Vernichtun­g des nordkorean­ischen Atomarsena­ls. Für Pjöngjang war Letzteres geknüpft an den Abzug amerikanis­cher Truppen aus Südkorea. Seither bemühen sich Trumps Außenminis­ter Mike Pompeo und Steve Biegun, der Sondergesa­ndte für Nordkorea, darum, Kim präzisere Zusagen abzuringen. Eine Art Fahrplan.

Vor allem ist es Biegun, einst außenpolit­ischer Berater George W. Bushs wie auch der Vizepräsid­entschafts­kandidatin Sarah Palin, der das Szenario eines diplomatis­chen Marathons zeichnet. An der Universitä­t Stanford sprach er neulich von „carrots“, die man Kim anbieten müsse, statt ihm nur mit „sticks“zu drohen. Möhren und Knüppel, die Metapher steht für das Wechselspi­el von Anreiz und Druck. Wenn man das bilaterale Verhältnis schrittwei­se normalisie­re, sagte Biegun, werde man auch bei der Abrüstung vorankomme­n. In dem Maße, wie man bei der Abrüstung vorankomme, könne man sich vorstellen, ein „dauerhafte­s Friedensre­gime“auf der koreanisch­en Halbinsel zu schaffen.

In Hanoi also könnten Trump und Kim in einer symbolisch­en Geste den Koreakrieg für beendet erklären, statt es beim 1953 vereinbart­en Waffenstil­lstand zu belassen. Als Nächstes, Fortschrit­te bei der Verschrott­ung nuklearer Anlagen und Raketen vorausgese­tzt, könnten sie einen Friedensve­rtrag ansteuern, den auch China, seinerzeit Kriegspart­ei, unterschre­iben müsste.

Trumps Hardliner lauern weiter

Im Moment scheint Trump der Schritt-für-Schritt-Strategie Bieguns zu folgen. Das kann sich ändern, zumal im Hintergrun­d die Hardliner auf ihre Chance lauern, allen voran der Nationale Sicherheit­sberater John Bolton, der mit maximalem Druck Kim zum Einlenken zwingen möchte. Zumindest für eine Übergangsp­hase indes scheint Trump zu akzeptiere­n, dass Nordkorea dem Club der Atommächte beigetrete­n ist und er daran zunächst nichts ändern kann. Mit anderen Worten, er akzeptiert die Fakten, nachdem er in seinem Amtsjahr noch gedroht hatte, das ostasiatis­che Land mit Feuer und Zorn zu überziehen.

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FOTO: DPA Ein Banner mit US-Präsident Trump und dem nordkorean­ischen Führer Kim Jong-un in der vietnamesi­schen Hauptstadt Hanoi. Dort findet das Gipfeltref­fen statt.

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