Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mit Enrique Iglesias in die Pokalnacht
Warum der Volleyball-Pokalsieger hoffen sollte, dass der spanische Sänger nie die Feiervideos sieht
MANNHEIM - Wer ein guter Volleyballer ist, muss nicht unbedingt auch ein guter Sänger sein. Zu dieser Erkenntnis konnten Fans des
nach dem Volleyball-Pokalfinale kommen, wenn sie den VfB-Spielern oder dem Verein im sozialen Netzwerk Instagram folgen. Dort tauchte wenige Stunden nach dem Pokaltriumph der Friedrichshafener ein Video aus dem Mannschaftsbus des VfB auf, das beweist: Die Spieler des VfB haben ihren Sieg gegen die SVG Lüneburg gebührend gefeiert. Nur sollte der Rekordmeister vom Bodensee hoffen, dass Popsänger die Feiervideos niemals zu Gesicht bekommt. Inbrünstig, aber eher unmusikalisch, würden ihm die Volleyballer aus Friedrichshafen da nämlich Liedfetzen entgegenschmettern, die nur ganz entfernt mit seinem spanischen Megahit „Duele el Corazón“zu tun haben.
Friedrichshafen
Aber es ist ohnehin nicht davon auszugehen, dass die Häfler darauf achteten, was sie da singen. Denn dass sie unter Herzschmerz litten, wie es der übersetzte Titel des Liedes vermuten lässt, war nach der Galavorstellung am Sonntag nur schwer vorstellbar. Da hatten die Friedrichshafener, bei denen Trainer Vital Heynen am Montag überraschend seinen Rückzug zum Saisonende bekannt gab, eindrucksvoll bewiesen, dass sie vielleicht nicht singen, dafür umso besser Volleyball spielen können. Mit einem 3:0-Sieg (25:23, 25:18, 25:16) zeigten sie dem Überraschungsfinalisten aus Lüneburg die Grenzen auf. Dabei lohnt ein Blick auf die Statistik: 120 Angriffssprünge finden sich auf Lüneburger Seite, nur 93 bei den Häflern. Die „LüneHünen“sprangen öfter als ihre Gegner – und die Außenangreifer der Lüneburger,
und sogar sechs Zentimeter höher als VfBHochspringer
Trotzdem machte Letzterer mit seinem Team mehr Punkte. Effizienz lautet das Zauberwort, das den Männern vom Bodensee den dritten Titelgewinn in Folge bescherte.
Kessel Enrique Iglesias Raymond Szeto, VfB Cody Athanasios Protopsaltis.
Enttäuscht zeigte sich deshalb der Trainer der unterlegenen Lüneburger: „Wir haben es versucht, mit dem, was wir an Möglichkeiten haben. Das hat nicht so geklappt. Am Ende ist es natürlich traurig, weil ich weiß, dass zwei, drei meiner Jungs auf einem anderen Niveau spielen können, als sie es getan haben. Aber gegen so einen Gegner ist das nicht so einfach“, sagte und zollte dem Gegner aus Friedrichshafen Respekt: „Die haben geduldig weitergespielt, auch wenn sie mal zurücklagen. Das
NLüneburgs Trainer Stefan Hübner lobt den Pokalsieger VfB Friedrichshafen ach einem alles in allem desolaten DEL2-Wochenende für die wusste Trainer in Weißwasser nicht so recht, wo er hin sollte. Da stand er am Sonntagabend nun bei der Pressekonferenz, hatte ein launiges Statement abgegeben zur mehr als enttäuschenden Leistung seiner Mannschaft, es war eigentlich alles gesagt – aber die Einschätzung seines Lausitzer Trainerkollegen musste er schließlich noch abwarten. Chernomaz’ Blick schweifte umher, womöglich irgendeinen Anhaltspunkt suchend, vielleicht auch Antworten auf dieses absolut verdiente 0:4, das er mit seiner Mannschaft gerade erlebt hatte – und plötzlich blieb sein Blick an einer kleinen Flaschensammlung vor ihm auf dem Tisch hängen. Kurzentschlossen nahm sich Chernomaz ein Bier, öffnete es, schenkte sich ein und nahm einen großen Schluck. Wie sang schon Herbert Grönemeyer?
„Alkohol ist dein Sanitäter in der Not. Alkohol ist dein Fallschirm und dein Rettungsboot. Alkohol ist das Drahtseil, auf dem du stehst. Alkohol, Alkohol.“Vielleicht hat sich Chernomaz so etwas gedacht, als er das Null-Punkte-Wochenende hinunterspülte. Allerdings wohl wissend, dass es damit nicht getan war und die dringend notwendige Aufarbeitung noch ausstand.
Stefan Hübner
Denn aufgearbeitet werden müssen die beiden Niederlagen gegen die (3:4 am Freitag) und dringend.
Tölzer Löwen Lausitzer Füchsen
bei den
Ravensburg Towerstars Rich Chernomaz Corey Neilson
ist es, was Friedrichshafen immer macht. Und dann konnten sie sogar noch zulegen.“
Tatsächlich war es Friedrichshafen vor allem in den Sätzen zwei und drei gelungen, seine ganze Klasse auszuspielen. Vielleicht trugen dazu auch die vielen mitgereisten Fans ihren Teil bei. Denn: Hätte sich das Pokalfinale nach der Präsenz der Fans entschieden, wäre die Partie wohl ebenso deutlich ausgegangen. Rund 250 Fans aus Friedrichshafen waren mit Bussen nach Da ist der Puck schon wieder drin: Hinter Ravensburgs Goalie Jonas Langmann hat es in Weißwasser erneut eingeschlagen. Auch Verteidiger Sören Sturm (rechts) kann daran nichts ändern.
Vor allem vor dem Hintergrund des großartigen 3:1 nur wenige Tage zuvor gegen die
– den Tabellenführer. Da hatten Einstellung und Einsatz absolut gestimmt. Alle hatten sich richtig reingehängt und waren dafür belohnt worden. Gegen limitierte Tölzer war davon nicht mehr viel zu sehen. Und in Weißwasser wurde es keineswegs besser.
Löwen Frankfurt
Besonders schwach gerieten die Powerplaysituationen. Die Specialteams funktionierten überhaupt nicht. Dreimal gerieten die Towerstars gegen Tölz in Unterzahl, dreimal schlug es hinter dem bedauernswerten Goalie ein. Nicht viel besser lief es in Weißwasser. Da waren es immerhin zwei Gegentore in Unterzahl. Demgegenüber standen harmlose Ravensburger Überzahlsituationen: vier waren
Jonas Langmann
Mannheim gereist. Zu einer eindrucksvollen azurblauen Fankurve verhalf den Häfler Fans aber die Fanallianz mit den Anhängern des
Denn schon seit einiger Zeit werden die beiden Finalspiele des Pokalwettbewerbs nacheinander in derselben Halle ausgetragen. Und so feuerten – farblich perfekt aufeinander abgestimmt – die Stuttgarter zunächst den VfB Friedrichshafen mit an, bevor die Fans vom Bodensee die Frauen des Allianz MTV Stuttgart lautstark in deren Partie gegen den SSC Schwerin unterstützen. Dann allerdings mit weniger Erfolg: Die Schwerinerinnen schlugen Stuttgart mit 3:0 (25:21, 25:21, 25:20) und glichen damit an
MTV Stuttgart.
es gegen Tölz, fünf in Weißwasser. Tore insgesamt: 0. „Die Powerplays haben den Unterschied gemacht“, analysierte Chernomaz in Weißwasser folgerichtig. Ähnlich hatte er schon am Freitag nach der Niederlage gegen Tölz argumentiert.
Richtig alarmierend klangen aber andere Sätze aus Chernomaz’ Mund. Er vermisste „Herz, Leidenschaft und Hunger“bei seiner Mannschaft – und das auf der Zielgeraden der Hauptrunde. Außerdem machte er sich Sorgen über die Verfassung – gemeint war wohl die körperliche – seiner Spieler, die besser sein müsse, wenn die Play-offs beginnen. Lange Zeit bis dahin hat er nicht mehr. Denn es stehen nur noch zwei Spiele aus: am Freitag gegen die und am Sonntag beim
Notwendig sein, um mindestens Platz Vier zu halten,
Huskies Kaufbeuren. Kassel ESV
diesem Finalsonntag die Nord-SüdBilanz wieder aus.
Die Spieler des VfB Friedrichshafen ließen sich von der Niederlage der befreundeten Stuttgarterinnen die Laune jedoch offensichtlich nicht verderben. Sie feierten ausgelassen den 16. Pokalsieg der Vereinsgeschichte. Und vielleicht lösten die neuen und alten Pokalsieger sogar das Versprechen aus Enrique Iglesias’ Lied ein und tanzten bis zehn Uhr („bailamos hasta las diez“), bis ihnen die Füße wehtaten („hasta que duelan los pies“). Videoaufnahmen davon sind aber – bisher – nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Vielleicht ist das aber auch ganz gut so ...
„Die haben geduldig weitergespielt.“
werden drei Punkte. Das sollte angesichts des viel besseren Torverhältnisses gegenüber dem aktuell Fünftplatzierten reichen. Dann wäre das Heimrecht im Play-off-Viertelfinale gebucht. Mehr aber auch nicht.
Und dann? Braucht es alle Spieler in bester Verfassung, mental und körperlich. Führungsspieler wie Kapitän und
die beide noch von gerade erst überstandenen Krankheiten geschwächt wirken, wie
der nach langer Verletzung noch weit von seinem eigentlichen Leistungspotenzial entfernt scheint, wie
dessen Schlittschuhkünste schmerzlich vermisst wurden gegen Tölz und in Weißwasser. Und wenn nicht? Dann können sich die Towerstars wieder auf eine lange Sommerpause einstellen.
Vincenz Mayer Driendl, EC Bad Nauheim Robbie Czarnik, Andreas Jakub Svoboda,