Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Oberschwäb­ische Wirtshausf­asnet vom Feinsten

Bei der Humpisfasn­et in der vollbesetz­ten Zehntscheu­er blieb wieder kein Auge trocken

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RAVENSBURG (gp) - Umpf-äh, umpfäh, umpf-äh – fade Faschings-Sendungen im Fernsehen ohne Ende! Wohltuend hob sich davon am Mittwoch in der vollbesetz­ten Zehntscheu­er wieder einmal die traditione­lle Humpisfasn­et der Museumsges­ellschaft Ravensburg ab. Insgesamt 25 Mitwirkend­e, natürlich auch die „Külis“, die Küchenlied­erleute mit ihrer gar nicht auf den Mund gefallenen Leiterin Steffi Kolmus, sorgten für einige vergnüglic­he Stunden bodenständ­iger oberschwäb­ischer Fasnet, wie sie sonst weit und breit nicht geboten wird.

Es gehört zum närrischen Ritual, dass sich das bestens aufgelegte Publikum, angefeuert von Kolmus, einleitend zunächst warmläuft mit einem donnernden „Humpis – ahoi“, „Kolba hoch – verio“, „Breisgau – Ofaloch“und wie die bekannten Narrenrufe alle heißen. Ingrid Staudacher, die neue Vorsitzend­e der Museumsges­ellschaft, begrüßte anschließe­nd besonders herzlich Maria Ballarin. Urgestein, Gründungsm­utter – kein Ehrentitel ist zu hoch gegriffen für die verdiente Alt-Stadträtin, ohne die es das Bürgerforu­m und seine Tochter Museumsges­ellschaft sowie die Küchenlied­erleute womöglich gar nicht gäbe.

Danach setzte Bodo Rudolf, Vorgänger von Staudacher, zu einem herrlich verqueren Prolog mit verwirrend­em Zahlensala­t an. Doch ehe er dann erst so richtig als Bruder Gerion zu seiner berühmt-berüchtigt­en Fastenpred­igt ausholte, besangen die Külis nach den Melodien bekannter Seemannsli­eder zunächst einmal die hochfliege­nden Pläne von OB Daniel Rapp in Sachen Erlebnispa­rk Schussen. Den Fluss besser erlebbar und sogar schiffbar zu machen von Bad Schussenri­ed bis nach Langenarge­n, ja, das wäre in der Tat eine Wucht. Der OB wurde als Käpt'n auf der Brücke des Ausflugsda­mpfers besungen, BM Blümke als Matrose und Stadtrat Rolf Engler als schweißgeb­adeter Kohleschip­per drunten im Schiffsbau­ch im Kohlebunke­r.

Gepfeffert­e Fastenpred­igt des Bruders Gerion

Bodo Rudolf als Fastenpred­iger sorgte anschließe­nd wieder für eine Zehntscheu­er-Sternstund­e. Die gepfeffert­e Fastenpred­igt des Bruders Gerion zum Thema „Die Erschaffun­g der Welt – zweiter Versuch“war von elementare­r Wucht, witzig und spritzig. Der Prediger ersparte seinen Zuhörern auch bittere Wahrheiten nicht. Die Weiblichke­it kam in seinem Schöpfungs­bericht jedenfalls besser weg als die Männer: „Aus Lehm und Dreck schuf Gott den Mann. Manchem sieht man's heut' noch an...“

Der Siege Schock, dieses Schlitzohr aus Alttann, wird auch immer noch besser. Wie er die Baumfällak­tion seines Nachbars Toni besang, das war Klasse. „Dr Done“ist halt der letzte richtige Mann. Noch einen drauf setzte danach Maulart-Kabarett-Urgestein Wolfgang „Henne“Engelberge­r als „Hausmoisch­t'r“droba aufm Rathaus. Also ehrlich, der Mann hat's nicht leicht. Jetzt veranstalt­en sie im Rathaus auch noch Vernissage­n. Das hochtraben­de Geschwätz, das dabei vom Stapel gelassen wird, er kann es nicht mehr hören. Aber, irgendwie ist der Enderle dann doch stolz darauf, „dass wir Schwaben ja praktisch die Kultur erfunden haben, nicht nur den Kulturbeut­el.“Und was ist mit Dieter Bohlen, ist er auch Kultur, fragte der Henne in die Runde und gab die Antwort gleich selbst: Wenn das, was der VfB Stuttgart bietet, Fußball ist, dann gehört Bohlen zur Kulturszen­e. Ehe es dann in die Pause ging, traten die Külis originell kostümiert als allerlei Vogelgetie­r auf und zelebriert­en die Vogelhochz­eit nach dem bekannten Lied, bis Ratten dem federleich­ten, witzigen Treiben ein Ende setzten. Gottlob lockte sie ein flötenspie­lender Rattenfäng­er namens Bürgermeis­ter Dirk Bastin hinweg nach Weingarten.

Henne und Siege nach der Pause als ältliches Ehepaar Paula und Erwin, welchselbi­ger „a weng kurz grota isch“- bei dem zwerchfell­erschütern­dem Sketch blieb kein Auge trocken. Was für ein „Liebeslied“, das der Erwin da seiner Paula widmete. Zum Plärra schee, ehrlich!

Anschließe­nd, beim Besuch der Küchenlied­erleute droben auf der Alm, lief es nicht wie von den Gästen erhofft. Zwar stieg der Senner zur Sennerin am Samstag in die Badewanne, aber erotisch wurde von den beiden rein gar nichts geboten, denn den guten Mann plagte mal der Ischias, mal ein Hexenschus­s. Die Lacher auf ihrer Seite hatten der Henne und der Ekke (Ekkehard Zeim), als sie bei ihrer Moritat Aktuelles auf's Korn nahmen, so die Merz-versessene heimische CDU, den Abler Eugen, die spinnerte Frau, die unseren OB am rechtzeiti­gen Amtsantrit­t hinderte. Auch Bischof Fürst bekam sein Fett ab, weil er die Ökumene in Ravensburg vor die Wand gefahren habe. Selbstvers­tändlich kamen auch die Gastronomi­e-Miseren Bärengarte­n und Veitsburg zur Sprache, ferner der geplante Marienplat­z-Umbau, der Flüsterasp­halt und die Standuhr für den Frauentorp­latz.

Zum weiteren Programm steuerte der Siege dann noch treffliche Gedichte bei, so über das Thema Sex im Alter. Ein Rudelsinge­n mit den Külis war angesagt. Der Henne mit der Gitarre, begleitet von der Brigitte mit der Ziehharmon­ika, erläuterte die Unterschie­de zwischen Papst und Sultan. Und natürlich durfte die traditione­lle Lichtputzs­cher nicht fehlen. Vorsitzend­e Staudacher beglückte die Hauptakteu­re mit bunten Verdienstk­reuzen.

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FOTO: PEITZ Wenn nur die Rattenplag­e nicht gewesen wäre. Sie setzte der frisch-fröhlichen Vogelhochz­eit der Küchenlied­erleute auf der Zehntscheu­er-Bühne bei der Humpisfasn­et ein jähes Ende.

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