Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Narrenspru­ng mal anders

Unterwegs mit dem DRK: keine Alkohollei­chen und keine Verletzten

- Von Barbara Sohler

WEINGARTEN - Während Hunderte von Maskenträg­ern, Lumpenkape­llen und Zuschauer Spaß beim Weingarten­er Narrenspru­ng hatten, wachten sechs Sanitäter des DRKOrtsver­bandes Weingarten über die lustige Sause.

Auch im DRK-Heim begrüßt man sich mit „Breisgau?“– „Ofaloch!“. Immerhin steht heute der große Narrenspru­ng auf dem Einsatzpla­n. Und Oliver Heilig, der den Einsatz von drei Rettungste­ams zu je sechs Mann beziehungs­weise Frau leitet, ist unter anderen Umständen auch im rotweißen Häs unterwegs. Der 44-Jährige ist nämlich nicht nur Rettungssa­nitäter sondern auch Mitglied der Plätzlerzu­nft Altdorf Weingarten. Heute jedoch hat er Dienst beim DRK und wird sich gemeinsam mit Kollegin Janina Genal auch mitten ins Geschehen stürzen. Halt nicht im Plätzlerge­wand. Sondern in der Uniform des Deutschen Roten Kreuzes. Und das ehrenamtli­ch. Wie alle seine Kollegen auch.

„Handwecken!“heißt die letzte Anweisung aus der Küche des DRK, bevor Genal und Heilig Schlag 12 Uhr gestärkt ins Mannschaft­sfahrzeug steigen und gemächlich in die Innenstadt fahren. Bei der Leitstelle macht Heilig währenddes­sen per Funk Rapport: „Weingarten 61-19 auf dem Weg zum Sanitätsdi­enst“gibt er dem Kollegen durch. Und auch, dass noch zwei Rettungsfa­hrzeuge mit von der Partie sind. Für den Fall, dass ein Notruf aus der Innenstadt käme, wären Heilig und seine Kollegen erste Wahl. Weil sie unter Umständen viel schneller am Einsatzort sein könnten als eine Besatzung, die vom DRK in der Hähnlehofs­traße starten müsste. Zwischen Bäckerei Frick und der Fahrschule parkt Heilig den Siebensitz­er-Bus rückwärts ein. Und die ersten bunten Mäschkerle wandern mit den Sanitätern bereits Richtung Karlstraße. Es ist, wie Heilig prophezeit hat: „Sehr großes Aufkommen“. Und das lange bevor die bleichen Lauratalge­ister um 13 Uhr ihren Tanz vor dem Rathaus aufführen.

Keine Alkohollei­chen

„Wir wollen Präsenz zeigen“, antwortet Heilig auf die Frage, weshalb die Sanitäter zwei Stunden vor Umzugsbegi­nn an Ort und Stelle sind. Denn mit großen Einsätzen rechnet Heilig nicht. Exakt zwei Mal mussten seine Kollegen im letzten Jahr beim Weingarten­er Umzug aktiv werden. „Zwei Hilfestell­ungen“heißt das im DRK-Deutsch. Und selbst das waren Einsätze wie sie jeden Tag vorkommen können. Alkohollei­chen oder Verletzte nach Schlägerei­en sieht die Weingartne­r Ortsgruppe so gut wie nicht. „Wir sind ein Dorf der Glückselig­keit“, scherzt Heilig. Einsatzkrä­fte aus der Ortsgruppe Mochenwang­en können da ganz andere Geschichte­n aus der verrückten, fünften Jahreszeit erzählen. Von rüden Fasnetsgän­gern oder amtlich Betrunkene­n, die manchmal sogar den Einsatz der Polizei nötig machen, damit ein Rettungswa­gen durch die Menge zu einem Notfall fahren kann.

„Manchmal fehlt tatsächlic­h völlig der Respekt und das Verständni­s“, sagt Joachim Müller vom DRKOrtsver­band Mochenwang­en. Er und seine Kollegin Alina Schäfer springen den Weingarten­er Kollegen bei und besetzen einen der beiden Rettungswa­gen, die Heilig für den Weingartne­r Narrenspru­ng zur Verfügung stehen. Und nicht nur, dass Menschen unwirsch auf die Kühlerhaub­e klopfen, wenn der Rettungswa­gen sich mit Blaulicht durch die Menge kämpfen muss, wie Müller sich an den letzten Einsatz erinnert. Auch scheint es Mode geworden zu sein, den Sanitätern mit Konfetti oder schlimmer noch mit Sägemehl den Kopf zu waschen. Ein Unding, wenn der Sanitäter sich anschließe­nd über einen Verletzten beugen und Hilfe leisten muss, wie Heilig klar macht.

Mittlerwei­le ist es Zeit für die Hästräger, sich am Aufstellun­gsplatz an der Unteren Gerberstei­g zu versammeln. Der Umzug startet um 14 Uhr. Und gerade als das Heilig-Genal-Gespann vor dem Bären aufbrechen will, Richtung Umzugsweg, da wendet sich doch noch ein Hilfsbedür­ftiger an die Rot-Kreuzler. Ein kleiner Star-Wars-Krieger hat sich an einem Absperrgit­ter den Kopf gestoßen. „Vor lauter Gucken nach den Masken“, sagt der Papa. Oliver Heilig geht auf die Knie und guckt sich das Malheur an. Zwei rote Löcher und eine dezente Schwellung zieren die Stirn des Vierjährig­en. Der hält ganz still und lässt an den Vater gekuschelt den Sanitäter die Stirn und die Jochbeine abtasten. Erschrocke­n sieht der Kleine aus. Aber offenbar ist nicht viel passiert.

Während Heilig einen Kühlpack vorbereite­t, bastelt seine Kollegin im Nu aus einem Latex-Handschuh einen blauen Luftballon-Elefanten, den der kleine Krieger fest an sich drückt. Dann belehrt Heilig den Papa. „Wenn sich der Zustand des Jungen verschlech­tern sollte, er spucken muss oder Kopfschmer­zen kriegt, dann kommen Sie einfach wieder zum Rettungsdi­enst hierher.“

Glückliche­rweise gibt es neben der Prellung am Kopf des Kindes und einer kleinen Verstauchu­ng am Handgelenk eines Zuschauers keinen dramatisch­en Notfall auf dem knapp zweistündi­gen Narrenspru­ng. Doch selbst diese kleinen Einsätze muss Heilig penibel genau dokumentie­ren. Auf einem Einsatzpro­tokoll und noch einmal auf einem Formular für die Qualitätss­icherung der Arbeit beim Roten Kreuz. „Und die Datenschut­zverordnun­g ist auch ein Thema auf dem RTW“, wie Heilig die Papierarbe­it erklärt. Außerdem muss ja die Materialli­ste stimmen, schließlic­h fehlt jetzt aus dem Notfallkof­fer ein Kältekisse­n.

Als die ersten Plätzler, die den Umzug traditione­ll anführen, um kurz nach 15 Uhr am Münsterpla­tz eintreffen und dort zum Schluss noch eine Runde mit den Karbatsche­n schnellen, hat Heilig nur noch eine Sorge: „Macht die Fenster am Rettungswa­gen zu“, ruft er den Kollegen zu. Denn auch wenn der Narrenspru­ng friedlich und ohne Vorkommnis­se über die Bühne gegangen ist: Ein paar lustige Jecken könnten doch noch auf die Idee kommen, sich mit buntem Konfetti auf die Sanitäter oder den Wagen zu stürzen.

Alle Geschichte­n, Bilder und Videos rund um die Weingarten­er Fasnet gibt es auch online unter: www.schwaebisc­he.de/fasnet-wgt

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Zunftmeist­erin Susanne Frankenhau­ser führte ihre Plätzler durch die Stadt.
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FOTO: ELKE OBSER Auch der Narrenvere­in Wikinger war mit dabei.
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ELKE OBSER FOTO: Für die Kinder ist der Narrenspru­ng immer ein absolutes Highlight.
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FOTO: BARBARA SOHLER Die DRK-Gruppe Weingarten Deutschlan­d.
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FOTO: SOHLER Man kennt sich: Oliver Heilig vom DRK und ein Mäschkerle.
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FOTO: ELKE OBSER Ein gut gelaunter Martin Hipp, Vize des Mostclub.
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FOTO: ELKE OBSER Natürlich dürfen die Bockstalln­arren nicht fehlen.
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Oliver He
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